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Maßnahmen zur Bekämpfung des Sozialbetrugs – BGBl

Bearbeiter: Bettina Sabara

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Verbesserung der Sozialbetrugsbekämpfung (Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz – SBBG) erlassen wird sowie das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern- Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, der Art III des Bundesgesetzes BGBl I 152/2004, das Firmenbuchgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Insolvenz- Entgeltsicherungsgesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden

BGBl I 2015/113, ausgegeben am 13. 8. 2015

1. Ziele des Gesetzes

Durch Sozialbetrug – besonders durch Scheinfirmen in der Baubranche – entgehen der öffentlichen Hand und der Sozialversicherung jährlich Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in erheblichem Ausmaß. Auch die missbräuchliche Inanspruchnahme von Krankenständen, die missbräuchliche Verrechnung von Leistungen durch Vertragspartner und die unrechtmäßige Verwendung von e-cards stellen Missstände dar.

Mit der Schaffung eines neuen Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes (SBBG) wird nun va die Zusammenarbeit der zuständigen Einrichtungen intensiviert und ein Instrumentarium zur Feststellung der Eigenschaft eines Unternehmens als Scheinunternehmen geschaffen. Von besonderer Bedeutung ist hier auch die gesetzliche Verpflichtung zur Durchführung einer Risiko- und Auffälligkeitsanalyse im Dienstgeberbereich mit einem eigenen Tool (vgl § 42b ASVG neu); dabei die Versicherten- und Dienstgeberdaten nach bestimmten Aspekten analysiert, insb nach Schwarzarbeitsverdacht, Scheinanmeldung, Versichertenströmen, Dienstgeberzusammenhängen, Insolvenzgefahr sowie Melde- und Beitragszahlungsverhalten.

2. Maßnahmen

Im Folgenden werden die wichtigsten Änderungen – überwiegend ab 1. 1. 2016 – nochmals zusammengefasst:

2.1. Anwendungsbereich des SBBG

Sozialbetrug im Sinn des neuen Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes (SBBG) bezeichnet alle Verhaltensweisen, die eine Verletzung von Pflichten betreffen, die Dienstnehmern, Dienstgebern und versicherungspflichtigen Selbständigen im Zusammenhang mit der Erbringung oder Ausführung von Dienst- oder Werkleistungen und Beziehern von Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen auferlegt sind und die der Sicherung des Sozialversicherungsbeitrags-, des Steuer- sowie des Zuschlagsaufkommens nach dem BUAG und dem IESG, und dem Bezug von Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen dienen (so im Wesentlichen die Definition in § 2 SBGG)

2.2. Zusammenarbeit der zuständigen Stellen

Die Einrichtungen und Behörden haben im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereichs zur Sozialbetrugsbekämpfung zusammenzuwirken und sich gegenseitig zu unterstützen. Sie sind bei Bedarf verpflichtet, einen Verdacht auf Sozialbetrug den zuständigen Kooperationsstellen (Finanzstraf- und Abgabenbehörden, SV-Träger, BUAK, IEF-Service GmbH und Sicherheitsbehörden) möglichst frühzeitig zu melden, für den regelmäßigen Informations- und Erfahrungsaustausch mit anderen Kooperations- und Informationsstellen zu sorgen sowie ihre Ermittlungen und Amtshandlungen bei der Verfolgung von Verstößen nach Möglichkeit aufeinander abzustimmen und bei Sachverhaltsermittlungen und Kontrollen koordiniert vorzugehen. (§ 3, § 4, SBBG)

Der Informations- und Datenaustausch zwischen Kooperationsstellen und den Staatsanwaltschaften wird ebenfalls präzise geregelt. Der Datenaustausch hat über eine vom BMF zu führende Sozialbetrugsdatenbank zu erfolgen. (§ 5 SBGG)

2.3. Identifizierung von Scheinfirmen

Scheinfirmen werden an Hand einer Reihe von Kriterien vorläufig identifiziert; der sich daraus ergebende Verdacht wird durch Ermittlungen überprüft und dem Rechtsträger schriftlich mitgeteilt.

Besondere Zustellbestimmungen sollen gewährleisten, dass auch bei Fehlen einer Abgabestelle oder der Abwesenheit des Empfängers eine Zustellung bewirkt werden kann. Gegen den mitgeteilten Verdacht kann binnen einer Woche ab Zustellung Widerspruch bei der Abgabenbehörde erhoben werden (nur durch persönliche Vorsprache des Rechtsträgers oder dessen organschaftlichen Vertreters). Wird kein Widerspruch erhoben, hat die Abgabenbehörde mit Bescheid festzustellen, dass das Unternehmen, hinsichtlich dessen ein Verdacht vorliegt, als Scheinunternehmen gilt. Wird Widerspruch erhoben, kommt es zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, das ebenfalls mit Bescheid abgeschlossen wird.

Ein rechtskräftiger Bescheid, mit dem das Vorliegen eines Scheinunternehmens festgestellt wurde, wird allen Kooperationsstellen (siehe oben), der Gewerbebehörde und dem Auftragnehmerkataster Österreich übermittelt. Ebenso wird dieser Umstand im Firmenbuch eingetragen. Die rechtskräftige Feststellung eines Unternehmens als Scheinunternehmen wird außerdem vom BMF auch im Internet veröffentlicht. (§ 8 SBGG)

Wird das Vorliegen eines Scheinunternehmens rechtskräftig festgestellt, werden die von diesem Unternehmen zur Sozialversicherung angemeldeten Personen vom Versicherungsträger zur Auskunftserteilung über die Beschäftigung beim Scheinunternehmen schriftlich vorgeladen. Kommen sie dieser Aufforderung zum persönlichen Erscheinen nicht oder nicht rechtzeitig nach oder können sie nicht glaubhaft machen, dass sie tatsächlich Arbeitsleistungen verrichtet haben, endet das durch Beschäftigung beim Scheinunternehmen begründete Versicherungsverhältnis ex lege, und zwar rückwirkend mit der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens. (§ 11 Abs 7 ASVG)

Ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides, mit dem ein Unternehmen als Scheinunternehmen festgestellt worden ist, sind Anmeldungen zur Pflichtversicherung durch dieses Unternehmen nicht mehr zulässig; alle Beitragskonten eines solchen Unternehmens sind zu sperren und versuchte Anmeldungen gelten nicht als Anmeldungen iSd § 33 ASVG. Unzulässig angemeldete Personen sind zur Auskunftserteilung aufzufordern. (§ 33 Abs 1b ASVG)

2.4. Haftung der Auftraggeber von Scheinunternehmen

Wusste der Auftrag gebende Unternehmer zum Zeitpunkt der Auftragserteilung, dass es sich beim Auftrag nehmenden Unternehmen um ein Scheinunternehmen handelt, oder musste er dies wissen, haftet er ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens zusätzlich zum Scheinunternehmen als Bürge und Zahler nach § 1357 ABGB für Ansprüche auf das gesetzliche, verordnungsmäßige oder kollektivvertragliche Entgelt der beim Scheinunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer. Diese Haftung bezieht sich auf alle Entgelte aus Arbeitsleistungen, die mit der Beauftragung in Verbindung stehen. (§ 9 SBGG)

Die Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Auftraggebers ist einem grob fahrlässigen Verhalten gleichzusetzen, verlangt also ein Handeln oder Unterlassen, bei dem unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen und bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den Umständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt wurde und ganz einfache und naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden. Nicht verbunden sind damit akribische Nachforschungsobliegenheiten des Auftraggebers ohne konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Scheinunternehmens. Das Tatbestandselement wird vielmehr erst dann erfüllt sein, wenn objektive Umstände gegeben sind, die den Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens nach sich ziehen, diese dem Auftraggeber tatsächlich bekannt sind und der Auftraggeber dennoch ohne weiteres die Beauftragung vornimmt.

Beispiel

Beispiele:

So wird etwa einem sorgfältigen Unternehmen auffallen müssen, dass ein potenzieller Auftragnehmer kein professionelles Auftreten hat, wenn zB Informationen wie Firmenadresse oder sonst üblichen Kontaktdaten gänzlich fehlen oder auch bspw ein Internetauftritt nicht existiert, in dem weitere Referenzen, Ansprechpersonen und Kontaktdaten genannt sind.

Weitere Anzeichen können etwa sein: das gänzliche Fehlen schriftlicher Korrespondenz, aus der sich Firmenummer und UID etc ergibt, oder die beharrliche Ablehnung, Besprechungen über geschäftliche Angelegenheiten in den Geschäftsräumlichkeiten des potenziellen Auftragnehmers abzuhalten.

Ganz klar grob fahrlässig wäre eine Beauftragung eines Unternehmens, das bereits in der Liste des BMF gemäß § 8 Abs 10 SBGG veröffentlicht wurde.


2.5. Änderungen bei der SV-Meldung

Meldungen in Papierform dürfen künftig nur mehr Dienstgeber erstatten, die diese Funktion im Rahmen von Privathaushalten ausüben (zB für die Anmeldung von Haushaltshilfen). Alle anderen Dienstgeber (die als Unternehmer am Wirtschaftsleben teilnehmen) haben die Meldungen – abgesehen von der Anmeldung vorweg per Telefon oder Telefax – per elektronischer Datenfernübertragung zu erstatten; dies va deshalb, weil diese Meldeform bessere Handhabungen bei der Bekämpfung von Scheinanmeldungen bietet. (§ 41 Abs 4 ASVG)

Hinweis: Siehe dazu auch die Änderungen betr die SV-Meldungen, die mit 1. 1. 2017 durch das Meldepflicht-Änderungsgesetz, BGBl I 2015/79, LN Rechtsnews 19843 vom 10. 7. 2015, eingeführt werden.

2.6. E-card-Missbrauch und Überprüfung ärztlicher Anordnungen

Die schon bisher aufgrund der Musterkrankenordnung bestehende Verpflichtung der Träger der Krankenversicherung zur Überprüfung der Einhaltung der ärztlichen Anordnungen und der Bestimmungen der Krankenordnung durch den Versicherten sowie die Berechtigung der Versicherungsträger zur Überprüfung des Gesundheitszustandes des Versicherten wird nunmehr gesetzlich verankert. (§ 23 Abs 7 ASVG)

Um missbräuchlichen Inanspruchnahmen der e-card vorzubeugen, wird die bisher nur bei Zweifeln an der Identität des Patienten bestehende Pflicht zur Identitätsüberprüfung dahingehend verschärft, dass die Identität des Patienten in Krankenanstalten (Spitalambulanzen) nun jedenfalls mittels Ausweiskontrolle zu überprüfen ist, für Patienten bis zum vollendeten 14. Lebensjahr jedoch nur im Zweifelsfall. Im niedergelassenen Bereich soll die Überprüfung im Zweifelsfall schon dann erfolgen, wenn der Patient dem behandelnden Arzt nicht persönlich bekannt ist. (§ 148 Z 6 ASVG, § 149 Abs 2 ASVG)

Die Ermöglichung von sogenannten „Mystery Checks“ soll der missbräuchlichen Verrechnung von Leistungen präventiv entgegenwirken (zB Ausstellung unrichtiger Krankenstandsbestätigungen, Verrechnung nicht erbrachter Leistungen). Kontrollen der Vertragspartner mit Hilfe eigens hiefür ausgestellter e-cards sind aber nur bei begründetem Verdacht auf eine nicht rechtskonforme oder gesamt- oder einzelvertragskonforme Vorgangsweise des Vertragspartners zulässig und darüber hinaus stichprobenweise aufgrund eines jährlich im Vorhinein zu erstellenden Stichprobenplans. (§ 32a ASVG)

2.7. Änderungen im AVRAG

Im AVRAG werden ua folgende Änderungen/Klarstellungen vorgenommen:

-Klarstellung, dass die Arbeitnehmer durch das Kompetenzzentrum LSDB oder den KrV-Träger über eine gegen ihren Arbeitgeber erstattete Anzeige wegen Unterentlohnung zu informieren sind.
-Verlängerung der Frist der Bezirksverwaltungsbehörden für die Entscheidung über die Erlegung einer Sicherheit gemäß § 7l AVRAG auf 10 Arbeitstage (bislang 3 Arbeitstage) sowie der Frist über den Verfall der Sicherheit auf 2 Jahre (bislang 1 Jahr).

2.8. Änderungen im BUAG

Auch im BUAG kommt es zu Anpassungen:

-Klarstellung der Anspruchsvoraussetzungen für die Inanspruchnahme des Überbrückungsgeldes: künftig müssen 30 Beschäftigungswochen in einem dem BUAG unterliegenden Arbeitsverhältnis ab Vollendung des 56. Lebensjahres vorliegen.
-Klarstellung, dass die BUAK Angaben von Arbeitgebern oder Arbeitnehmern überprüft und durch eigene Erhebungen abändert oder ergänzt. Dabei darf sie auch von Arbeitnehmern Angaben verlangen, die für die Berechnung der Zuschläge maßgebend sind.
-Verpflichtung für Arbeitgeber, die durch einen Bescheid nach dem SBBG als Scheinunternehmer qualifiziert werden, der BUAK auf Verlangen zu Kontrollzwecken Angaben über ihren Auftraggeber und die im Rahmen des Auftrags beschäftigten Arbeitnehmer zu machen.
-Ermächtigung für die BUAK zur Verarbeitung aller Daten, die nach dem Bundesvergabegesetz 2006 in der Baustellendatenbank zu erfassen sind; diese Daten betreffen ua die gesamte Auftragnehmerkette.

2.9. Änderungen im IESG

Die bislang geltende Regelung des IESG sichert nicht das europarechtlich gebotene Mindestmaß von 50 % der Ansprüche auf Betriebspensionen bzw unverfallbare Anwartschaften. Eine entsprechende Anpassung ist vor allem auch erforderlich, um künftige Fälle einer Staatshaftung zu vermeiden. (§ 3d Abs 3 IESG)

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20055 vom 14.08.2015