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Medieninhaber einer Website – gebotene Sorgfalt

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

MedienG § 6

Gem § 6 Abs 2 Z 3a MedienG besteht kein Entschädigungsanspruch nach Abs 1 leg cit, wenn es sich um die Abrufbarkeit auf einer Website handelt und der Medieninhaber die gebotene Sorgfalt nicht außer Acht gelassen hat.

Weiß (vgl § 5 Abs 3 StGB) ein Medieninhaber von einem Inhalt auf einer Website in seinem Verantwortungsbereich (hier: Posting auf der Facebook-Seite eines Nationalratsabgeordneten) und ist dessen Tatbestandsmäßigkeit nach § 6 Abs 1 MedienG für ihn wie für jedermann leicht erkennbar (und ist ihm auch die sich daraus ergebende Löschungsverpflichtung klar), so hält er die nach § 6 Abs 2 Z 3a MedienG gebotene Sorgfalt nur dann ein, wenn er von diesem Zeitpunkt aus gesehen die Entfernung des Inhalts von der Website unverzüglich veranlasst.

Ist die Rechtsverletzung (hier: § 6 Abs 1 MedienG) hingegen nicht offenkundig, wird dies gegenüber dem Medieninhaber aber in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht substantiiert beanstandet, so trifft diesen (zur Verwirklichung des Ausschlussgrundes nach § 6 Abs 2 Z 3a MedienG) die Obliegenheit zu weiterem Tätigwerden, nämlich zur – unverzüglichen – (Veranlassung einer) juristischen Überprüfung der behaupteten Rechtsverletzung.

OGH 29. 4. 2015, 15 Os 14/15w (15 Os 15/15t)

Entscheidung

Zudem hat der OGH zusammengefasst ua ausgesprochen:

Gebotene Sorgfalt

Bei Bestimmung der gebotenen Sorgfalt sind einerseits ua die Vielfalt an Websites, auf denen Äußerungen Dritter zugänglich gemacht werden, die rasche Entwicklung der elektronischen Medien, deren technischen Gegebenheiten, die Verkehrsauffassung und die Besonderheiten des Internets zu berücksichtigen (EBRV 784 BlgNR 22. GP 9 zur Mediengesetznovelle 2005, BGBl I 2005/49, mit der § 6 Abs 2 Z 3a MedienG eingefügt wurde).

Andererseits sind die Sorgfaltsanforderungen – unter Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabs – auf die Diversität real existierender Medieninhaber abzustimmen; so wird von einem professionellen Betreiber einer Website, der auch ein wirtschaftliches Interesse an in seinem Medium veröffentlichten Kommentaren hat, ein höherer Kenntnisstand hinsichtlich der einschlägigen Gesetzgebung und Rsp und somit eine raschere Reaktion zu erwarten sein als von einer Privatperson, die auf ihrem Facebook-Profil ein „Gästebuch“ eingerichtet hat (vgl EGMR 10. 10. 2013, 64.569/09, Delfi AS/Estland, NL 2013, 340).

Schließlich ist – unter dem Blickwinkel des Art 10 EMRK – auf den Beitrag Bedacht zu nehmen, den Diskussionsforen im Internet zu einer offenen und lebendigen Diskussion gesellschaftlich wichtiger Fragen in einer demokratischen Öffentlichkeit leisten (Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll, MedienG3 § 6 Rz 43; Delfi AS gegen Estland, NL 2013, 340).

Insofern kann auch aus § 16 ECG, der für eine bestimmte Sachverhaltskonstellation geschaffen wurde, nicht im Wege eines Größenschlusses auf – im Vergleich zum Diensteanbieter (§ 3 ECG) – generell höhere Sorgfaltsanforderungen für den Medieninhaber (§ 1 Abs 1 Z 8 MedienG) geschlossen werden.

Unverzügliche Reaktion ab „Kenntnis“

In der vorliegenden Fallkonstellation eines an den Medieninhaber ergangenen Hinweises auf einen persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalt in seinem Medium ist die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt am Kriterium des Zeitpunkts der Kenntnis vom rechtswidrigen Inhalt und daran anschließend an der Unverzüglichkeit der Löschung desselben durch den Medieninhaber zu prüfen.

Bezugspunkt dieser Kenntnis ist zum einen in tatsächlicher Hinsicht die Existenz des entsprechenden Inhalts der Website – wofür Wissentlichkeit iSd § 5 Abs 3 StGB gefordert wird (vgl EBRV zum ECG 817 BlgNR 21. GP 36) -, zum anderen aber dessen Rechtswidrigkeit (Zankl, E-Commerce-Gesetz, Kommentar und Handbuch [2002] Rz 236). Solcherart Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Inhalts ist nicht erst bei aktuellem Unrechtsbewusstsein des Medieninhabers, sondern schon dann anzunehmen, wenn die Rechtsverletzung auch für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig ist, also die Rechtswidrigkeit – iSd normativen Beurteilungsmaßstabs nach § 9 Abs 2 erster Halbsatz StGB – für den Medieninhaber wie für jedermann leicht erkennbar ist (vgl EBRV zum ECG 817 BlgNR 21. GP 35; 6 Ob 178/04a, LN Rechtsnews 2367 vom 14. 2. 2007 = RdW 2007/300; Zankl aaO Rz 236).

Kenntnis bei nicht offenkundiger Rechtsverletzung

Im vorliegenden Fall ging es um ein Posting auf der Facebook-Seite eines Nationalratsabgeordneten, das nicht offenkundig eine Rechtsverletzung darstellte; dem Medieninhaber (= Nationalratsabgeordneter) war daher die Einholung eines juristischen Rates zur Klärung der Rechtswidrigkeit des Inhalts (und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit der Löschung) zuzubilligen. In der Konsultation eines Juristen seines Nationalratsklubs am nächsten Arbeitstag kann daher keine schuldhafte Verzögerung erblickt werden, zumal nach den Urteilsannahmen keine Umstände vorlagen, die eine besondere Dringlichkeit nahegelegt hätten.

Die Kenntnis (iSd § 16 Abs 1 Z 2 ECG), die die Obliegenheit zur Entfernung auslöst, lag hier somit erst ab dem Zeitpunkt der Auskunftserteilung vor.

Unverzügliche Reaktion ab Kenntnis

Zur Einhaltung der von § 6 Abs 2 Z 3a MedienG geforderten Sorgfalt muss der Inhalt der Website, der die Persönlichkeitsrechte des Antragstellers verletzt, unverzüglich entfernt werden, wobei darunter nicht sofortiges Handeln zu verstehen ist, sondern Handeln ohne schuldhafte Verzögerung (EBRV 784 BlgNR 22. GP 9; EBRV zum ECG 817 BlgNR 21. GP 35). Die Konkretisierung dieses unbestimmten Gesetzesbegriffs hat unter Anlegung eines realistischen Maßstabs ohne unzumutbare Überspannung der Pflichten des Medieninhabers zu erfolgen. Dabei ist einerseits auf die Schwere der Rechtsverletzung und die Dringlichkeit der Reaktion abzustellen, andererseits sind Umstände aus der Sphäre des Medieninhabers zu berücksichtigen, etwa ob es sich um eine professionell und auf kommerzieller Basis betriebene Website handelt, ob der Medieninhaber durch Art und Präsentation eigener Inhalte ein besonderes Risiko einer Rechtsverletzung gesetzt hat oder ob er sonst (etwa aufgrund früherer Vorkommnisse) damit rechnen musste.

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien sah der OGH hier keine Fehlbeurteilung: Das beanstandete Posting enthielt substratlose Anwürfe im Rahmen politischer Auseinandersetzung und war bereits über einen Monat online; durch die Entfernung des Postings ein oder zwei Tage nach Einholung juristischen Rates (und damit Kenntnis vom rechtsverletzenden Inhalt) wurde die nach § 6 Abs 2 Z 3a MedienG gebotene Sorgfalt „gerade noch eingehalten“.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20021 vom 07.08.2015