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Nachranganleihen bei internationaler Verschmelzung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AktG § 226

RL 2005/56/EG: Art 4, Art 14

Dritte RL 78/855/EWG idF RL 2009/109/EG: Art 15

Hat die übertragende Gesellschaft vor der grenzüberschreitenden Verschmelzung (Verschmelzung durch Aufnahme) Nachranganleihen begeben, so werden diese infolge der Verschmelzung nicht automatisch beendet, sondern gehen - wie das gesamte übrige Passivermögen - von der übertragenden auf die übernehmende Gesellschaft über. Betreffend Auslegung, Erfüllung der Verpflichtungen und Arten des Erlöschens des Anleihevertrags ist auch nach der Verschmelzung dasselbe Recht anzuwenden wie vor der Verschmelzung.

OGH 20. 7. 2016, 6 Ob 80/16g

Sachverhalt

Auf Ersuchen des OGH (OGH 28. 8. 2014, 6 Ob 137/13k, RdW 2014/773) erging in diesem Fall die Vorabentscheidung EuGH 7. 4. 2016, C-483/14, KA Finanz, RdW 2016/313.

Kurz gefasst geht es im Ausgangsfall um Nachranganleihen, die eine zypriotische Tochtergesellschaft einer österreichischen AG emittiert hatte und bei deren Zeichnung die Anwendung deutschen Rechts vereinbart worden war.

In weiterer Folge wurde die österreichische AG verstaatlicht, das Kerngeschäft in eine andere AG abgespalten und die zypriotische Ltd als übertragende Gesellschaft in die verbliebene österreichische „Bad Bank“ als aufnehmende Gesellschaft verschmolzen.

Entscheidung

Die Bekl strebt mit dem Hauptbegehren ihres Zwischenfeststellungsantrags die Feststellung der wirksamen Beendigung der beiden Nachranganleihen „im Zuge der Verschmelzung“ der Emittentin auf die Bekl an. Dazu weist der OGH nun darauf hin, dass eine solche automatische Beendigung der Nachranganleihen nach den Ausführungen des EuGH gerade nicht erfolgte (EuGH Rz 58), sondern vielmehr ein umfassender Übergang des Passivvermögens auf die Bekl (vgl auch Stiegler, EuZW 2016, 321 [Entscheidungsanmerkung] unter Hinweis auf EuGH C-343/13 = RdW 2015/267).

Aufgrund der Emissionsbedingungen ist hier zwar (ua) auf die Arten des Erlöschens eines solchen Anleihevertrags deutsches Recht anzuwenden (vgl EuGH Rz 59). Die Bekl gesteht in ihrer Revision jedoch selbst zu, dass „§ 23 dUmwG - anders als das österreichische Recht - keine explizite Beendigungsmöglichkeit von Genussrechten anlässlich einer Verschmelzung vor[sieht]“.

Dass die Gläubigerschutzvorschriften nach zypriotischem Recht zu beurteilen sind (EuGH Rz 60), ist - mangels rechtswirksamer Beendigung des Rechtsverhältnisses - somit im derzeitigen Verfahrensstadium nicht entscheidungsrelevant; es bedarf deshalb auch keiner Ermittlung der zypriotischen Gläubigerschutzvorschriften.

An dieser Einschätzung können die Verweise der Bekl auf Lit zu § 23 dUmwG nichts ändern und auch nicht eine Berufung auf Reich-Rohrwig (Genussrechte und Schuldverschreibungen in Verschmelzung und Spaltung [Teil I], ecolex 2013, 133): Von einer Beendigungsmöglichkeit oder einem Untergehen der Anleihen spricht auch Reich-Rohrwig nicht (sondern davon, dass „aufgrund der Verschmelzung der wirtschaftliche Gehalt des ursprünglich gewährten Sonderrechts an die durch die Verschmelzung veränderten Verhältnisse angepasst werden und gleich bleiben muss“ und „im Extremfall bei Wertlosigkeit des Genussrechts keine Abfindung“ zu leisten sei; FN 101). Auch Stiegler (EuZW 2016, 321 [Entscheidungsanmerkung]) geht davon aus, dass „unabhängig von der eigenkapitalähnlichen Komponente der Nachranganleihen deren Wertlosigkeit in den Jahren 2009/2010 keinen Einfluss auf den Fortbestand des Anleihevertrags und dessen Übergang auf den übernehmenden Rechtsträger“ hatte.

Damit haben die Vorinstanzen nach Ansicht des OGH sowohl das Hauptbegehren des Zwischenfeststellungsantrags zutreffend abgewiesen als auch das Eventualbegehren (dass die Verpflichtungen der Emittentin nicht auf die Bekl übergegangen seien).

Hinweis:

Die Dritte RL 78/855/EWG wurde durch die RL 2011/35/EU über die Verschmelzung von Aktiengesellschaften ersetzt, die jedoch - ebenso wie die Rom I-Verordnung - auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens noch nicht anwendbar ist.

Siehe auch Potyka, EuGH-Urteil in der Rs KA Finanz - Änderung des § 226 Abs 3 AktG erforderlich, RdW 2016/296, 388.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22289 vom 13.09.2016