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Partizipationskapital - Nichtigkeit eines HV-Beschlusses

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB § 879

AktG: §§ 195 ff, § 199

1. § 199 AktG stellt durch die Wendung „außer in den Fällen des ... nur dann nichtig, wenn“ klar, dass Nichtigkeit nur in den im Gesetz ausdrücklich angeführten Fällen eingreift. § 199 AktG ist für Hauptversammlungsbeschlüsse gegenüber § 879 ABGB die lex specialis, weshalb § 879 ABGB insoweit nicht anwendbar ist.

Für die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschluss gem § 199 Abs 1 Z 4 AktG ist eine inhaltliche Sittenwidrigkeit gefordert („durch seinen Inhalt“). Der Inhalt des Beschlusses ist „für sich allein genommen“ im objektiven Sinn zu messen, dh losgelöst von Motiv und Zweck des Beschlusses.

2. Inhaber von Partizipationsscheinen (hier: eines Kreditinstituts) steht des aktienrechtliche Rechtsschutzsystem nicht zur Verfügung, sie können gegen einen Beschluss der Hauptversammlung also weder eine Anfechtungsklage nach §§ 195 ff AktG noch eine Nichtigkeitsklage nach § 201 AktG erheben, sondern nur eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 228 ZPO.

3. Mit dem Bankwesensanierungsgesetz, BGBl I 2014/98, hat der Gesetzgeber „klargestellt“, dass die Haftrücklage (hier: das Partizipationskapital) keine Rücklage iSd § 183 AktG ist. Auch für Sachverhalte vor dem 1. 1. 2015 hält der OGH daher die Rsp nicht aufrecht, wonach vor der vereinfachten Kapitalherabsetzung auch die Haftrücklage (das Partizipationskapital) aufgelöst werden muss.

OGH 27. 4. 2015, 6 Ob 90/14z

Entscheidung

In seinen Entscheidungsgründen schließt sich der erkennende 6. Senat explizit der Auffassung des 2. Senats an (OGH 29. 4. 2014, 2 Ob 84/13m, LN Rechtsnews 17434 vom 11. 6. 2014 = RdW 2014/435), wonach den Partizipanten das aktienrechtliche Rechtsschutzsystem nicht zukommt, der Partizipant aber unter den sonstigen Voraussetzungen eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 228 ZPO erheben kann.

Der OGH hat zusammengefasst weiters ua ausgesprochen:

Nichtigkeit - inhaltliche Sittenwidrigkeit

-Die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses kann von jedermann geltend gemacht werden. Personen, denen keine Klagebefugnis nach den §§ 195 ff und §§ 199 ff AktG zukommt (hier der Kl als Partizipant), können unter den Voraussetzungen des § 228 ZPO die Nichtigkeit mit allgemeiner Feststellungsklage feststellen lassen.
Nichtigkeit besteht generell stets nur aufgrund einer Verletzung des Gesetzes, niemals wegen Verletzung der Satzung, und auch wegen Verletzung des Gesetzes nur in den im Gesetz genannten Fällen. In allen anderen Fällen besteht nur eine Anfechtbarkeit, soferne die Voraussetzungen hiefür gegeben sind. Die Fälle der Nichtigkeit sind im AktG erschöpfend aufgezählt
-Nach § 199 Abs 1 Z 4 AktG ist ein Hauptversammlungsbeschluss nichtig, wenn er durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten verstößt. Nach dem Gesetzestext ist eine inhaltliche Gesetzwidrigkeit oder Sittenwidrigkeit gefordert („durch seinen Inhalt“). Der Inhalt des Beschlusses ist „für sich allein genommen“ im objektiven Sinn, von Motiv und Zweck des Beschlusses losgelöst, zu messen.
Der OGH lehnt eine extensive Auslegung von § 199 Abs 1 Z 4 AktG ab: Auch wenn ein Hauptversammlungsbeschluss zwar seinem Wortlaut nach keine Sittenwidrigkeit beinhaltet, aber seinem inneren Gehalt nach in einer sittenwidrigen Schädigung nicht anfechtungsbefugter Personen besteht, haben neben dem Wortlaut des Beschlusses nicht auch der Zweck und die mit der Beschlussfassung verfolgten Motive Berücksichtigung zu finden. Wenn das Gesetz den Nichtigkeitsgrund nach § 199 Abs 1 Z 4 AktG eng fasst („durch seinen Inhalt“), kann er - so der OGH - nicht einmal extensiv, dann wieder restriktiv ausgelegt werden je nachdem, ob eine Person die Anfechtungsbefugnis nach §§ 195 ff AktG hat oder nicht. Dies würde zu dem systemwidrigen Ergebnis führen, dass an sich nach den §§ 195 ff, 199 ff AktG nicht klageberechtigte Personen noch besser als danach klageberechtigte Personen gestellt würden, weil sie dann die Möglichkeit der Klageerhebung nicht nur - wie die anfechtungsberechtigten Personen - während eines Monats nach Beschlussfassung (§ 197 Abs 2 AktG) hätten, sondern drei Jahre nach der Firmenbucheintragung (§ 200 Abs 2 AktG). Dies wäre va auch der Rechtssicherheit abträglich.

Auflösung der Haftrücklage vor Kapitalherabsetzung?

-In der E 2 Ob 84/13m hat der OGH mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, dass die Rechtsfolge der Gesetzwidrigkeit einer nicht entsprechend § 183 AktG durchgeführten vereinfachten Kapitalherabsetzung nicht die Nichtigkeit, sondern die bloße Anfechtbarkeit ist.
Der erkennende 6. Senat schließt sich dieser Auffassung an.
-Nach der E 2 Ob 84/13m gilt auch für die von Kreditinstituten zu bildende Haftrücklage, das Partizipationskapital, dass es - so wiealle Rücklagen bis zu der in § 183 AktG angeführten Grenze - vor der vereinfachten (nominellen) Kapitalherabsetzung zur Deckung eines Bilanzverlusts aufgelöst werden müssen.
Mit dem Bundesgesetz über die Sanierung und Abwicklung von Banken, BGBl I 2014/98, (siehe LN Rechtsnews 18682 vom 2. 1. 2015) wurde mit Inkrafttreten am 1. 1. 2015 in § 57 Abs 5 BWG nach dem dritten Satz folgender Satz eingefügt: „Die Haftrücklage ist keine Rücklage im Sinne des § 183 AktG.“
Ungeachtet dessen, dass die Bestimmung erst mit 1. 1. 2015 in Kraft getreten ist, ergibt sich doch aus den Mat, dass der Gesetzgeber die Novelle als „Klarstellung“ angesehen hat. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, dass nach seinem Verständnis dies auch schon vor der Novellierung so gegolten hat. Im Licht dieser Novelle und auch der Lehrmeinungen wird die Rechtsansicht der E 2 Ob 84/13m nicht aufrechterhalten. Die Nichtauflösung der Haftrücklage vor der Beschlussfassung über die vereinfachte Kapitalherabsetzung war im vorliegenden Fall somit nicht rechtswidrig.
-Die vereinfachte Kapitalherabsetzung soll nach § 182 Abs 1 AktG dazu dienen, einen sonst auszuweisenden Bilanzverlust zu decken. Die vereinfachte Kapitalherabsetzung ist somit eine Maßnahme im Fall eines Verlusts.
Wenn nun zur Deckung eines sonst auszuweisenden Verlusts der im vorliegenden Fall insolvenzreifen Bekl die vereinfachte Kapitalherabsetzung aller Aktien auf ein Nominale von Null Euro beschlossen wurde, so ist kraft § 23 Abs 4 Z 4 BWG nach Ansicht des erk Senats zwingende Folge dessen, dass auch das Nominale der Partizipationsscheine auf Null Euro herabgesetzt werden muss. Andernfalls würde nämlich das Partizipationskapital nicht „wie das Aktienkapital bis zur vollen Höhe am Verlust“ teilnehmen. Diese zwingende Teilnahme des Partizipationskapitals am Verlust kann aber nicht durch einen Zustimmungsvorbehalt unterlaufen werden.
-Zur Verweigerung des Stimmrechts verweist der 6. Senat ebenfalls auf die E 2 Ob 84/13m, wonach den Partizipationsscheininhabern in der Hauptversammlung kein Stimmrecht zukommt.
-Nicht entscheidungsrelevant ist im vorliegenden Fall die Frage, ob vor der vereinfachten Kapitalherabsetzung der Fonds für allgemeine Bankrisiken (§ 57 Abs 3 BWG) aufgelöst hätte werden müssen.
-Nach der Rsp des EuGH kann sich der Einzelne vor nationalen Gerichten nicht unmittelbar auf die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit Art 107 Abs 1 AEUV berufen.

Hinweis:

§ 23 BWG bzw § 57 Abs 3 und 4 BWG waren hier in der am 25. 4. 2012 geltenden Fassung, sohin idF vor BGBl I 2013/184 anzuwenden.

Im Hinblick auf die im Rahmen des Maßnahmenpakets „Basel III“ ergangene VO (EU) 575/2013 trat § 23 BWG mit Ablauf des 31. 12. 2013 außer Kraft (BGBl I 2013/184; vgl dazu ErläutRV 2438 BlgNR 24. GP 32 ff; zum Partizipationskapital vgl nunmehr § 103q iVm § 26b BWG nF). Maßgeblich für die Beurteilung der hier anstehenden Rechtsfragen war allerdings weiterhin § 23 BWG idF vor BGBl I 2013/184.

§ 57 Abs 3 und Abs 4 BWG sind auch in der nunmehr geltenden Fassung BGBl I 2014/98 unverändert.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20033 vom 11.08.2015