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Private Unfallversicherung – Treu und Glauben

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: §§ 914 f

VersVG: § 179

Zwischen den Parteien waren die Sonderbedingungen zur Unfallversicherung („max 2000“) vereinbart. Anlässlich der Erbringung ihrer Versicherungsleistung erläuterte die Bekl dem Kl, „dass laut Sonderbedingungen max 2000 Krankheit oder Gebrechen die Leistung mindern, wenn ein Mitwirkungsanteil von 50 % überschritten wird. Laut Gutachter [...] weswegen wir hier bei genau 50 % sind und der Mitwirkungsanteil nicht abzuziehen ist“.

Im Prozess wendete die Bekl nun den Inhalt des „Bedingungsergänzungsblatts“ zu den Sonderbedingungen zur Unfallversicherung (max 2000) als Vertragsgrundlage ein, nach dem es zur Berücksichtigung von vorbestehenden Krankheiten oder Gebrechen (bereits) bei einem Mitwirkungsanteil von mehr als 30 % kommt. Schon nach Ansicht des BerufungsG verwehren es „Treu und Glauben“ der Bekl nicht, im Prozess die Vertragsgrundlage nochmals zu prüfen und die zutreffende Bedingungslage zum Mitwirkungsanteil geltend zu machen. Eine vorprozessual unrichtige Abrechnung könne keinen Leistungsanspruch des Kl auf eine darüber hinausgehende Versicherungsleistung begründen.

Der OGH hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass in einer bestimmten Begründung einer Ablehnung noch kein Verzicht auf andere als die genannten Einwendungen gegenüber dem Anspruch des Versicherungsnehmers liegt – und zwar auch dann nicht, wenn ihre Voraussetzungen dem Versicherer bekannt waren. Dass die Bekl vorprozessual eine für den Kl günstigere Berechnung zugrunde legte, bei der sie keinen Mitwirkungsanteil abzog, führt nicht dazu, dass sie sich im Prozess nicht auf die tatsächlich vereinbarten Versicherungsbedingungen, die eine Anrechnung eines Mitwirkungsanteils bereits ab 30 % vorsehen, berufen konnte. Der Kl konnte hinsichtlich der eingeklagten Versicherungsleistung nicht darauf vertrauen, dass die Bekl über die bereits gezahlte Versicherungsleistung hinaus auch weiterhin von einer nicht vereinbarten Vertragsgrundlage ausgeht. Ohne Fehlbeurteilung haben daher die Vorinstanzen dem Einwand von „Treu und Glauben“ keine Berechtigung zuerkannt.

OGH 28. 6. 2023, 7 Ob 97/23z

Entscheidung

Nach Art 1.48 max 2000 finden während der Vertragslaufzeit verbesserte Bedingungen automatisch auf den Vertrag Anwendung.

Ein Tochterunternehmen der Bekl, das zugleich als Agentur das Versicherungsverhältnis betreut, gab „Besondere und Sonderbedingungen zur Unfallversicherung (protectUB2012)“ heraus, in denen in Abweichung der AUB 2006 in der Gliedertaxe der Armwert mit 80 % bemessen und eine Erhöhung der Grenze eines zu berücksichtigenden Mitwirkungsanteils von 55 % vorgenommen wird.

Ob bestimmte Sonderbedingungen – hier die „protectUB2012“ – Inhalt des Versicherungsvertrags geworden sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und bildet daher keine erhebliche Rechtsfrage.

Bereits das ErstG hat darauf hingewiesen, dass die Sonderbedingungen des Tochterunternehmens der Bekl gar nicht iZm dem gegenständlichen Versicherungsvertrag stünden und damit auch nicht gem Art 1.48 max 2000 zur Anwendung gelangen. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden, brachte doch der Kl nur vor, dass „protectUB2012“ bessere Bedingungen vorsähe. Dass die vom Tochterunternehmen der Bekl „herausgegebenen“ Versicherungsbedingungen „protectUB2012“ Unfallversicherungsverträgen wie dem Gegenständlichen zugrunde gelegt würden, wurde weder vorgebracht noch steht dies fest. Warum gerade die Versicherungsbedingungen der Tochtergesellschaft der Bekl für den gegenständlichen Versicherungsvertrag von Relevanz sein sollten, vermag der Revisionswerber nicht schlüssig zu erklären. Ein Zusammenhang der Versicherungsbedingungen der Tochtergesellschaft der Bekl mit dem gegenständlichen Versicherungsvertrag ist nicht zu erkennen.

Damit hängt die Lösung des Rechtsstreits nicht von der Auslegung von Art 1.48 max 2000.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34606 vom 10.10.2023