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Qualifiziertes Nachrangdarlehen – Prospektpflicht?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

KMG § 1,

KMG idF vor BGBl I 2015/114: § 2

Das hier zu beurteilende qualifizierte Nachrangdarlehen ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anleger nicht nur im Fall der Insolvenz nachrangig befriedigt wird, sondern auch dann keine Rückzahlung erhält, wenn sich die Gesellschaft in der Krise befindet. Weitere Rückzahlungen werden erst aus etwaigen künftigen Jahresüberschüssen (nicht Bilanzgewinnen) geleistet. Ob der Anleger überhaupt etwas erhält, hängt daher entscheidend von der wirtschaftlichen Gebarung der Emittentin ab. Die ordentliche Kündigung ist nach den Darlehensbedingungen erstmals nach 9 Jahren bzw nach der neueren Version des Finanzprodukts nach 4 Jahren möglich.

Insgesamt ist daher (wegen des Risikos des Totalverlusts und wegen der – auch mit 4 Jahren – langen Kündigungssperrfrist) von einer Vergemeinschaftung der nachrangigen Gläubiger bzw einer Risikogemeinschaft und (wegen der festgestellten Art des Vertriebs) von einem öffentlichen Angebot auszugehen, sodass eine Veranlagung iSd § 1 Abs 1 Z 3 KMG vorliegt. Für das gegenständliche Finanzierungsmodell besteht gem KMG Prospektpflicht, allerdings nicht iS eines „gebilligten“ Prospekts. (Anm d Red: Hier AltFG noch nicht anwendbar, s unten)

OGH 12. 7. 2016, 4 Ob 47/16i

Entscheidung

Grds keine vertretbare Rechtsansicht iSd UWG

Im vorliegenden Fall ging es nicht nur um die Frage, ob eine Prospektpflicht besteht, sondern – bejahendesfalls – auch darum, ob die Bekl durch die unterlassene Prospektveröffentlichung unlauter iSd des UWG gehandelt hat.

Die Bekl hat sich in diesem Zusammenhang auf eine vertretbare Rechtsauffassung berufen, deren Vorliegen der OGH jedoch unter Berufung auf die E 4 Ob 184/11d, RdW 2012/497, verneint: Bereits diese Entscheidung hat das Totalverlustrisiko, das vom wirtschaftlichen Erfolg der Emittentin abhängt, als konstitutionell für das Vorliegen einer Risikogemeinschaft beurteilt, zumal eine Differenzierung zwischen rechtlicher und bloß wirtschaftlicher Risikogemeinschaft dem Normzweck des KMG (möglichst umfassender Anlegerschutz bei öffentlichen Angeboten) zuwider laufen würde. Angesichts dieser Rsp konnte die Bekl – va aufgrund des von der Rsp betonten Anlegerschutzes – nach Ansicht des OGH nicht vertretbar annehmen, dass ihre Darlehenskonstruktion den Tatbestand der Prospektpflicht nicht erfüllt.

Mögliche Ausnahme als Alternative Finanzierung

Mit 1. 9. 2015 (und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz) ist jedoch das BG über alternative Finanzierungsformen (AltFG, BGBl I 2015/114, LN Rechtsnews 20059 vom 17. 8. 2015) in Kraft getreten. Gleichzeitig wurde das KMG novelliert. Nach dem neuen § 3 Abs 1 Z 10a KMG ist auch ein Angebot von Wertpapieren oder Veranlagungen über einen Gesamtgegenwert in der Union von weniger als 1,5 Mio € von der Prospektpflicht ausgenommen, wenn es in den Anwendungsbereich des AltFG fällt. Dem Unterlassungsbegehren wäre daher dann der Boden entzogen, wenn das beanstandete Verhalten nicht (mehr) rechtswidrig ist, weil das gegenständliche Finanzierungsmodell die Schwelle von 1,5 Mio € unterschreitet und unter das AltFG fällt.

Wegen des Inkrafttretens des AltFG nach Schluss der mündlichen Verhandlung ermöglichte der festgestellte Sachverhalt hier noch keine abschließende Beurteilung iSd § 3 Abs 1 Z 10a KMG zum Gesamtgegenwert des Angebots (Unterschreitung des Schwellenwerts von 1,5 Mio €) sowie – bei Unterschreitung – zur Anwendung des AltFG. Die Sache war daher noch nicht spruchreif und der OGH gab der außerordentlichen Revision Folge.

Für die Verfahrensergänzung trägt der OGH dem ErstG ua auf, im fortgesetzten Verfahren zunächst die neue Rechtslage mit den Parteien zu erörtern, um ihnen Gelegenheit für weiteres Vorbringen zu geben. Sollten die Feststellungen nach allfälliger Ergänzung des Beweisverfahrens ergeben, dass das Finanzierungsmodell der Bekl den Schwellenwert von 1,5 Mio € erreicht oder überschreitet, wäre das Unterlassungsgebot im berechtigten Umfang jedenfalls zu erlassen. Andernfalls wäre noch die Anwendbarkeit des AltFG zu prüfen, weil das Finanzierungsmodell auch bei Nichterreichen des Schwellenwerts aber Nichtanwendbarkeit des AltFG der Prospektpflicht unterläge.

Bleibt der Sachverhalt diesbezüglich unklar, geht dieses non liquet zu Lasten der Bekl, weil diese hier die Beweislast für eine Ausnahme der grundsätzlich gegebenen Prospektpflicht trägt (vgl idS zur Beweislastverteilung bei einem Regel-Ausnahme-Verhältnis 4 Ob 112/01a; RIS-Justiz RS0111657; RS0109832).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22178 vom 19.08.2016