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Rechtsschutzdeckung bei Anlegerschaden aus Kommanditbeteiligung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

ABGB: §§ 914 f

ARB 2000: Art 7, Art 13, Art 23

1. Nach dem Risikoausschluss gem dem vorliegenden Art 7.1.13. ARB 2000 sind vom Risikoausschluss nur Spiel- oder Wettverträgen ähnliche Spekulationsgeschäfte erfasst. Der Erwerb einer Kommanditbeteiligung an einem geschlossenen (ausländischen) Immobilienfonds, bei dem der Veranlagungszweck im Vordergrund steht, ist mit einem Glücksvertrag in engeren Sinn (Wette, Spiel) nicht vergleichbar und unterliegt daher nicht dem Risikoausschluss des Art 7.1.13. ARB 2000.

2. Nach Art 23.1.1. ARB 2000 wird im allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz nur der private Lebensbereich, nicht jedoch der Berufs- oder Betriebsbereich oder eine sonstige Erwerbstätigkeit abgedeckt. Der hier strittige Begriff „sonstige Erwerbstätigkeit“ soll diejenige Tätigkeit umfassen, die nicht bereits vom Ausschluss der beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit umfasst ist, jedoch nach der Verkehrsauffassung nicht den privaten Lebensbereich betrifft.

Im Anlassfall wurde die von den kl Anlegern erworbene Kommanditbeteiligung von einem Treuhänder gehalten, sodass sich ihre Funktion ausschließlich auf diejenige eines (einmaligen) Geldgebers beschränkte. Daher ist die Veranlagung dem privaten Lebensbereich der Kl zuzuordnen, weshalb auch der Risikoausschluss nach Art 23.1.1. ARB 2000 nicht greift.

3. Im Erwerb einer Kommanditbeteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds im EU-Raum ist keine Gefahrenerhöhung nach Art 13.1. ARB 2000 iVm § 23 Abs 1 VersVG zu erblicken.

OGH 12. 3. 2015, 7 Ob 210/14d

Sachverhalt

Die Kl erwarben über Beratung durch eine Bank treuhändig gehaltene Kommanditbeteiligungen in der Höhe von je 35.000 € an einem geschlossenen Immobilienfonds (Publikums-KG) im EU-Raum für eine Dauer von 10 Jahren.

Sie begehrten Rechtsschutzdeckung für die Geltendmachung eines daraus resultierenden Schadens infolge fehlerhafter Beratung.

Der Klage wurde in allen drei Instanzen stattgegeben.

Entscheidung

Risikoausschluss gem Art 7.1.13. ARB 2000:

Wie bereits im Leitsatz angesprochen erachtete der OGH den hier vorliegenden Erwerb einer Kommanditbeteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds, bei dem der Veranlagungszweck im Vordergrund steht, nicht als mit einem Glücksvertrag in engeren Sinn (Wette, Spiel) vergleichbar. Das Geschäft wird von beiden Parteien sogleich erfüllt. Der durchaus Elemente der Unsicherheit aufweisende Veranlagungserfolg hängt von der Geschäftsentwicklung der Immobilien und deren Bewertung auf dem Markt ab. Daher fehlt es – wie der OGH ausführte – an einer Ähnlichkeit mit den Glücksverträgen im engen Sinn, auch wenn in den Prospekten von einer Gewinnprognose von 10,19 % pa bezogen auf eine Laufzeit von 10 Jahren ausgegangen wird. Der Risikoausschluss des Art 7.1.13. ARB 2000 lag demnach nicht vor.

Risikoausschluss gem Art 23.1.1. ARB 2000

Nach Art 23.1.1. ARB 2000 wird im allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz nur der private Lebensbereich, nicht jedoch der Berufs- oder Betriebsbereich oder eine sonstige Erwerbstätigkeit abgedeckt. Der hier strittige Begriff „sonstige Erwerbstätigkeit“ soll diejenige Tätigkeit umfassen, die nicht bereits vom Ausschluss der beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit umfasst ist, jedoch nach der Verkehrsauffassung nicht den privaten Lebensbereich betrifft, wie der OGH ausführte (Kronsteiner, ARB 2007, 168).

Dazu sprach der OGH weiters aus, dass Streitigkeiten aus privater Vermögensveranlagung grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzuordnen sind. Die Grenze zur betrieblichen Tätigkeit oder sonstigen Erwerbstätigkeit werde dann überschritten, wenn dabei unternehmerischer Einsatz entfaltet wird oder in größerem Umfang und mit Wiederholungsabsicht Spekulationsgeschäfte getätigt werden. Die Höhe des veranlagten Vermögens allein spiele dabei nicht die ausschlaggebende Rolle (Kronsteiner aaO 199; zur insoweit vergleichbaren deutschen Bedingungslage: Böhme, Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung [ARB]12, § 25 [1] Rn 5b; Stahl in Harbauer Rechtsschutzversicherung8 [2010] § 23 ARB 2000 Rn 37; Armbrüster in Prölls/Martin, VVG28, § 23 ARB 2008 Rn 12 f; Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch2 § 37 Rn 136 f). Auch die steuerrechtliche Einordnung sei nicht relevant (Armbrüster aaO § 23 ARB 2008 Rn 3).

Im Anlassfall wurde die von den Kl erworbene Kommanditbeteiligung von einem Treuhänder gehalten. Damit ist aufgrund der Konstruktion der Publikums-KG jegliche Einflussnahme von den klagenden Kommanditisten auf die Gesellschaft ausgeschlossen und beschränkte sich daher ihre Funktion ausschließlich auf diejenige eines (einmaligen) Geldgebers, weshalb die Veranlagung dem privaten Lebensbereich der Kl zuzuordnen ist, wie der OGH festhielt. Weder das von der Revisionswerberin herangezogene Argument einer steuerschonenden Veranlagung oder der Einordnung der Einkünfte aus einer Kommanditbeteiligung als Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb iSd EStG noch dasjenige der Wahl eines „riskanten“ Produktes sowie die Höhe des Investments von jeweils 35.000 € können daran etwas ändern, so der OGH.

Keine Leistungsfreiheit wegen Gefahrenerhöhung gem Art 13.3. ARB 2000

Weiters sprach der OGH aus, dass im Erwerb einer Kommanditbeteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds im EU-Raum keine Gefahrenerhöhung nach Art 13.1. ARB 2000 iVm § 23 Abs 1 VersVG zu erblicken ist. Die Funktion der Kl beschränkte sich (wie bereits oben dargestellt) auf diejenige eines privaten Geldgebers und stellte sich daher inhaltlich als einmalige private Vermögensveranlagung dar. Diese im EU-Raum getätigte Veranlagung in der Höhe von 35.000 € pro Kl für eine Dauer von 10 Jahren ist – wie der OGH ausführte – weder bezogen auf Veranlagungshöhe und -zeitraum noch hinsichtlich des Veranlagungsorts unüblich. Mit einem derartigen Geschäft hätte der beklagte Versicherer daher rechnen müssen. Daraus folge, dass sich die Bekl auch nicht mit Erfolg auf eine Leistungsfreiheit nach Art 13.3. ARB 2000 iVm § 25 Abs 1 VersVG berufen kann. Auf die Höhe der Jahresprämie komme es nicht an. Diese festzusetzen obliege im Rahmen der wirtschaftlichen Kalkulation dem Versicherer, der sich am übernommenen Risiko zu orientieren hat.

Keine Obliegenheitsverletzung gem Art 8.1.1. ARB 2000

Abschließend hatte sich der OGH noch mit einer allfälligen Obliegenheitsverletzung gem Art 8.1.1. ARB 2000 zu befassen.

Die Beweislast dafür, dass der Versicherungsnehmer eine Aufklärungs- und/oder Belegobliegenheit verletzt hat, trifft den Versicherer (RIS-Justiz RS0081313, RS0043510, RS0043728).

Dieser Beweis ist der Bekl nach Ansicht des OGH jedoch nicht gelungen. Der Erstkläger legte in der Deckungsanfrage seine Sicht der Dinge dar, ohne jedoch zu behaupten, von einem Totalverlustrisiko nicht gewusst zu haben. Er verwies bloß darauf, dass für ihn und seine Ehegattin aufgrund der aufgelegten Prospekte, in denen nur von hohen Renditen und Sicherheit sowie von der Gewissheit über die Qualität der Immobilien die Rede und damit ein mögliches Risiko nicht einmal angedeutet gewesen sei, ein solches nicht vorstellbar gewesen sei. Auch wenn der Erstkläger nach den Feststellungen wusste, was eine Kommanditbeteiligung ist und dass er eine solche zeichnete, ist ihm eine Falschinformation an den beklagten Versicherer nicht anzulasten, können doch auch Kunden, die selbst auf dem Anlagesektor hervorragende Kenntnisse besitzen und denen daher die Unrichtigkeit der Anlageberatung hätte auffallen müssen, infolge falscher Anlageberatung - wenn auch allenfalls abzüglich eines situationsabhängigen Mitverschuldens - Ersatzansprüche geltend machen (vgl RIS-Justiz RS0102779), so der OGH. Dazu komme, dass der Erstkläger in Befolgung einer Aufforderung der Bekl zur weiteren Informationserteilung seine juristische Ausbildung und seinen früher ausgeübten Beruf als Leiter zweier Rechtsabteilungen offen legte; daher wäre diese grundsätzlich in der Lage gewesen, den persönlichen Wissensstand des Erstklägers über eine Kommanditbeteiligung beurteilen zu können. Wäre sie hingegen der Auffassung gewesen, dass die vom Erstkläger erteilten Auskünfte zu ungenau seien, so hätte sie konkret sagen müssen, worauf es ihr ankomme (RIS-Justiz RS0105784 [T3]). Mangels eines konkreten Auskunftsverlangens durch den beklagten Versicherer war dem Erstkläger keine Verletzung der Aufklärungspflicht anzulasten.

Die Nichtvorlage von angeforderten Urkunden wurde ebenfalls nicht bewiesen. Nach den Feststellungen scheiterte eine vollständige Ausfolgung der von der Bekl angeforderten Urkunden an technischen Gegebenheiten in der Sphäre der Bekl. Dies legte der Erstkläger in der nachfolgenden E-Mail dar und verwies ausdrücklich auf die nur unvollständige Urkundenvorlage; er erklärte sich jedoch ausdrücklich bereit, sämtliche ein namhaftes Gewicht aufweisende Urkunden bei Bedarf vorbeizubringen. Damit lag es an der Bekl, weitere für ihre Entscheidungsfindung erforderliche Urkunden anzufordern, falls sie solche vermisste. Vor diesem Hintergrund konnte dem Erstkläger auch keine Verletzung der Obliegenheit gem Art 8.1.1. ARB 2000 iVm § 34 Abs 2 VersVG vorgeworfen werden.

Hinweis:

Vgl auch OGH 26. 11. 2014, 7 Ob 191/14k, Rechtsnews 18991 vom 19. 2. 2015 = RdW 2015/218. Nach dem in Art 7.1.10. der dort vorliegenden ARB (allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung 2003) enthaltenen Risikoausschluss besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen ua iZm Termin- oder diesen ähnlichen Spekulationsgeschäften.

Der OGH sprach aus, dass die (teilweise) Aufnahme eines endfälligen Fremdwährungskredits zum Erwerb von Aktien als Tilgungsträger nicht als ein dem Termingeschäft ähnliches Spekulationsgeschäft zu beurteilen ist. Der Ausschlussgrund des Art 7.1.10. ARB liegt nicht vor.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19463 vom 08.05.2015