News

Reichweite der Änderungsbefugnis des Stiftungsvorstands

PSG § 33

Gemäß § 33 Abs 2 PSG kann die Stiftungserklärung nach Entstehen der Privatstiftung vom Stifter nur geändert werden, wenn er sich Änderungen vorbehalten hat. Ist eine Änderung wegen Wegfalls eines Stifters, mangels Einigkeit bei mehreren Stiftern oder deswegen nicht möglich, weil Änderungen nicht vorbehalten sind, so kann der Stiftungsvorstand unter Wahrung des Stiftungszwecks Änderungen der Stiftungserklärung zur Anpassung an geänderte Verhältnisse vornehmen. Die Änderung bedarf der Genehmigung des Gerichts.

Selbst wenn sich die Stifter das Recht, die Stiftungserklärung zu ändern, für bestimmte Fälle vorbehalten haben und für andere nicht, hat der Vorstand das subsidiäre Änderungsrecht gem § 33 Abs 2 Satz 2 PSG nur insoweit nicht, als die Stifter sich die Änderung vorbehalten haben; soweit das Änderungsrecht aber nicht vorbehalten wurde, besteht das subsidiäre Änderungsrecht des Vorstands gem § 33 Abs 2 Satz 2 PSG.

Der Stiftungsvorstand darf Änderungen nur zur Anpassung an geänderte Verhältnisse und nur unter Wahrung des Stiftungszwecks vornehmen. Das Erfordernis, dass die geänderten Verhältnisse solche iSd Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage sein müssen, wird nicht aufrechterhalten. Dieses Erfordernis lässt sich nämlich weder aus dem Gesetz noch aus den Mat ableiten.

OGH 9. 10. 2014, 6 Ob 198/13f

Entscheidung:

Nach Darstellung der bisherigen Rsp und Lehre betr die Reichweite der Änderungsbefugnis des Stiftungsvorstands hat der erkennende Senat hier - auch im Licht dieser Lehrmeinungen - erneut diese Frage geprüft und ist zu folgendem Ergebnis gekommen:

„Der Stiftungsvorstand darf Änderungen nur zur Anpassung an geänderte Verhältnisse und nur unter Wahrung des Stiftungszwecks vornehmen.

Der im Stiftungszweck dargelegte Stifterwille ist vom Vorstand bei der Wahrnehmung seiner Abänderungsbefugnis jedenfalls zu beachten. Die „geänderten Verhältnisse“ dürfen nicht bereits beim Stiftungsgeschäft vorgelegen sein. Ein erkennbarer Stifterwille, der diese Änderungen berücksichtigt, muss bei Errichtung der Stiftungserklärung gefehlt haben. Der Stifterwille darf nicht durch die Ausübung des Änderungsrechts des Stiftungsvorstands unterlaufen werden. Es ist auf den (hypothetischen) Stifterwillen im Zeitpunkt der Errichtung der Stiftungserklärung abzustellen. Beim Stifterwillen handelt es sich somit nicht um ein dynamisches (laufenden Änderungen unterliegendes) System.

Der Stifterwille ist aus der Stiftungserklärung durch Auslegung derselben zu ermitteln. Dabei sind die für die Satzungen juristischer Personen entwickelten Auslegungskriterien auch für Stiftungen anzuwenden (RIS-Justiz RS0108891 [T5]). Derartige korporative Regelungen sind nach deren Wortlaut und Zweck in ihrem systematischen Zusammenhang objektiv (normativ) auszulegen (RIS-Justiz RS0108891 [T4, T21]; RS0118046).

Es reicht nicht aus, dass sich die Verhältnisse allgemein geändert haben. Die Änderungen müssen vielmehr die Stiftung dergestalt betreffen, dass sich die Umsetzung des Stifterwillens nach der ursprünglichen Stiftungserklärung vernünftigerweise nicht mehr verwirklichen lässt oder dass anzunehmen ist, der Stifter hätte unter den geänderten Umständen eine andere Regelung getroffen. Der Vorstand hat auf den hypothetischen Stifterwillen Bedacht zu nehmen.

Fälle, die „geänderte Verhältnisse“ iSd § 33 Abs 2 PSG darstellen können, sind etwa, wenn die Funktionsfähigkeit der Stiftung gefährdet ist, wenn ohne Änderung der Stiftungserklärung die Stiftung aufgelöst werden müsste (außer die Auflösung entspricht dem aus der Stiftungserklärung ersichtlichen Stifterwillen), oder wenn - etwa durch oberstgerichtliche Rsp - nachträglich bekannt wird, dass einzelne Klauseln der Stiftungserklärung gesetzwidrig sind.

Das Erfordernis, dass die geänderten Verhältnisse solche iSd Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage sein müssen, wird nicht aufrechterhalten. Dieses Erfordernis lässt sich nämlich weder aus dem Gesetz noch aus den Mat ableiten.

Das Änderungsrecht des Stiftungsvorstands und das Genehmigungsverfahren nach § 33 Abs 2 PSG dienen nicht der Klarstellung zweifelhafter, auslegungsbedürftiger Stiftungserklärungen.

Die gerichtliche Genehmigung gem § 33 Abs 2 letzter Satz PSG dient der Kontrolle der ordnungsgemäßen Ausübung des Änderungsrechts durch den Stiftungsvorstand. Sie soll den in der Stiftungserklärung zum Ausdruck kommenden Stifterwillen vor nachträglicher, unkontrollierter und leichtfertiger Veränderung und Verfälschung und zugleich die Privatstiftung vor dem Zugriff ihrer eigenen Organe schützen.“

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 18452 vom 19.11.2014