News

Rückersatz aus verbotener Einlagenrückgewähr – Hemmung der Verjährung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1494

GmbHG: § 83

Zur analogen Anwendung des § 1494 ABGB vertritt der OGH in stRsp, dass die in § 1494 ABGB angeordnete Hemmung der Verjährung ua zugunsten Minderjähriger auch dann Platz greift, wenn der Minderjährige zwar eine ordnungsgemäße gesetzliche Vertretung hat, vom Vertreter aber wegen einer Interessenkollision eine gesetzmäßige Wahrung der Rechte des Minderjährigen nicht zu erwarten ist. Diese Überlegung lässt sich – wie schon im ersten Rechtsgang ausgeführt (6 Ob 195/18x, RdW 2019/238) – wegen der gleichgelagerten Schutzbedürftigkeit von Gesellschaften hinsichtlich ihrer Vertretung auf den Fall übertragen, in dem wegen der Interessenkollision nicht zu erwarten ist, dass der Geschäftsführer während seiner Tätigkeit allfällige Rückersatzansprüche der Gesellschaft gegen sich gem § 83 GmbHG durchsetzen würde.

§ 1494 ABGB ist aber auch in Fällen analog anzuwenden, in denen zwar der Anspruchsgegner nicht selbst Mitglied des (Vertretungs–)Kollegialorgans ist, die Zuwendung, die als verbotene Einlagenrückgewähr zu qualifizieren ist, aber wirtschaftlich betrachtet als dem Vertreter zugekommen gilt, weil dieser ein naher Angehöriger des Anspruchsgegners ist. Der Nachweis, dass im Einzelfall trotz eines solchen (formal vorliegenden) Angehörigenverhältnisses (wegen tatsächlich fehlender innerer Nähe zwischen den betroffenen Personen) eine Interessenkollision nicht bestand, obläge (wegen der Uneinsehbarkeit der Beziehungstiefe für die Gesellschaft) der begünstigen Partei. Gelingt ein solcher Nachweis, war im konkreten Fall nicht zu erwarten, dass der gesetzliche Vertreter der Gesellschaft wegen einer (tatsächlich eben nicht vorliegenden) Interessenkollision die Rechte der Gesellschaft nicht wahrnehmen wird.

Bei einem Kollegialorgan ist von einer Hemmung analog § 1494 ABGB aber nur auszugehen, wenn das oben angesprochene Naheverhältnis bei so vielen Organmitgliedern vorliegt, dass eine ordnungsgemäße Vertretung der Gesellschaft, dh ein pflichtgemäßes Vorgehen bei Vertretung der Gesellschaft, nicht möglich ist. Das wäre dann der Fall, wenn der Gesellschaft „unbefangeneMitglieder des Kollegialorgans (etwa wegen einer Einschränkung ihrer Vertretungsbefugnis) nicht mehr in vertretungsbefugter Anzahl verbleiben.

Eine Hemmung tritt damit also dann nicht ein, wenn neben dem Anspruchsgegner oder dessen nahem Angehörigen auch andere Organmitglieder in vertretungsbefugter Anzahl vorhanden sind. Steht bei einer Gesellschaft auch (nur) einer von mehreren Geschäftsführern in keinem Naheverhältnis zum Anspruchsgegner und ist dieser einzelvertretungsbefugt, wäre die Gesellschaft auch allein durch diesen als ordnungsgemäß vertreten iSd § 1494 ABGB anzusehen und handlungsfähig. Gleiches gilt, wenn dieser „unbefangene“ (von mehreren „befangenen“ Geschäftsführern) etwa gemeinsam mit (auch nur) einem „unbefangenen“ Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft verbleibt.

OGH 20. 12. 2023, 6 Ob 170/23b

Entscheidung

Sonstige Einflussmöglichkeiten nicht maßgeblich

Die verjährungsrechtlich besonders behandelte Interessenkollision muss in Ansehung der fraglichen Forderung bestehen und sich auf eine familiäre oder sonstige (innere) Nahebeziehung des Vertreters zum Anspruchsgegner beziehen (Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang-Kommentar ABGB3 [2012] Vor §§ 1494–1496 Rz 4 und § 1494 Rz 10).

Keine Privilegierung bestünde etwa im Hinblick auf ein Unterbleiben der Geltendmachung der Forderung wegen angedrohter oder befürchteter negativer Konsequenzen für den nicht von der Kollision betroffenen Geschäftsführer (Abberufung eines den Mehrheitsgesellschaftern nicht willfährigen Geschäftsführers oder Widerruf der Prokura durch den „befangenen“ Geschäftsführer).

An Weisungen der Gesellschafter ist der Geschäftsführer im Fall eines zur Nichtigkeit führenden Gesetzesverstoßes (hier gegen § 82 GmbHG) nicht gebunden (vgl 3 Ob 287/02f, RdW 2004/123). Nichtige Weisungsbeschlüsse der Gesellschafter, wozu va Verstöße gegen Gläubigerschutzbestimmungen und Kapitalerhaltungsvorschriften zählen, sind nämlich nicht verbindlich (6 Ob 171/15p [ErwGr 5.2. f] RWZ 2016, 125 [Wenger] = Schopper/Walch, NZ 2016, 163 = GesRZ 2016, 281 [Schörghofer] = ÖBA 2017/2380 [Dellinger] = SZ 2016/20 = RdW 2016/358).

Dass das Handeln der „unbefangenen“ Vertreter durch ein diametrales Tätigwerden der „befangenen“ Organmitglieder oder Prokuristen unterminiert werden könnte, kann ebenfalls nichts daran ändern, dass die „unbefangenen“ Vertreter weiterhin die Ansprüche der Gesellschaft zu verfolgen hätten. Bei Scheitern (man denke etwa an eine Rückziehung unter Anspruchsverzicht oder den Abschluss eines Vergleichs namens der Gesellschaft durch die „befangenen“ Organe/Vertreter) hätten die der Anspruchsverfolgung zuwiderlaufenden Vertreter allenfalls Schadenersatzforderungen (in Bezug auf damit „erledigte“ Forderungen) zu befürchten.

Würden die „unbefangenen Vertreter“ (von den Gesellschaftern [oder Prokuristen durch die „befangenen“ Organmitglieder]) aus ihrer Organstellung entfernt, läge (aber eben erst) ab diesem Zeitpunkt keine ordnungsgemäße Vertretung in Bezug auf die konkrete Anspruchsverfolgung vor.

Vorliegender Fall

Dass im vorliegenden Fall (unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht auf Lebenszeit für einen Gesellschafter betr eine Liegenschaft, die im Eigentum der Gesellschaft steht) eine verbotene Einlagenrückgewähr vorliegt, wurde bereits im ersten Rechtsgang festgehalten (6 Ob 195/18x, RdW 2019/238).

Die Kl gründete ihren Anspruch auch auf § 83 Abs 1 GmbHG. Dieser gesellschaftsrechtliche Rückersatzanspruch stellt auch im Verhältnis zum Kondiktionsanspruch nach § 877 ABGB analog die speziellere Norm und iSd Gläubigerschutzes die günstigere Norm dar. Die Kl kann das Benützungsentgelt innerhalb von fünf Jahren ab Wegfall einer allfälligen Fristenhemmung beim Gesellschafter geltend machen (vgl Striessnig in GesRZ 2016, 266 [267] zum Verhältnis zur dreijährigen Verjährungsfrist für die Rückforderung zu viel bezahlten Mietzinses; Artmann in Artmann/Karollus, AktG I6 § 56 Rz 21).

Zur Interessenkollision nach § 1494 ABGB analog erstattete die Kl (nur) Vorbringen dazu, welche Personen sie anlässlich des Abschlusses der Vereinbarungen (auch seitens der Beschlussfassung im Aufsichtsrat) in den Jahren 1992, 2009 und 2013 vertreten hatten. Die von ihr bisher vorgetragenen Tatsachen sind aber – selbst bei deren Unstrittigkeit – nicht geeignet, das Teilzwischenurteil des BerufungsG nach § 393a ZPO zu tragen, das erstmals im zweiten Rechtsgang auf eine Hemmung der Verjährung gestützt wurde:

Ganz grundsätzlich ist hervorzuheben, dass es im Rechtsstreit zwischen den Parteien um einen Rückersatz wegen verbotener Einlagenrückgewähr geht. Denknotwendig kann eine solche Rückforderung erst (in der nächsten logischen Sekunde) an eine verbotene Einlagenrückgewähr anschließen. Der „Vollzug“ der von der Kl relevierten Vereinbarung(en) und deren Nichtigkeit sind erst die Grundlage für den Rückforderungsanspruch. Für eine Hemmung der Verjährung dieser Rückforderungsansprüche kann es daher nicht darum gehen, wer in ihrem Namen die Vereinbarungen über das Gebrauchsrecht geschlossen (oder beeinflusst) hat. Relevant ist vielmehr, ob die Gesellschaft in dem daran anschließenden Zeitraum, in dem sie (objektiv) die Rückforderung (erstmals oder weiterhin) hätte begehren können, (nur und durchgehend) von Personen vertreten war, bei denen die zuvor näher umrissene Interessenkollision (in Bezug auf die Geltendmachung dieser Rückforderungsansprüche) vorlag, bzw wann ein derartiges Hindernis bei ihrer Vertretung weggefallen ist.

Auf die Vertretung im Aufsichtsrat wird es im Übrigen nicht ankommen, weil der Rückersatzanspruch nach § 83 Abs 1 GmbHG (wie auch ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch nach allgemeinem Vertretungsregime) durch die Geschäftsführer geltend zu machen ist.

Darauf, wer sie im an die Vereinbarung(en) anschließenden Zeitraum vertreten hat, nahm die Kl aber nicht Rücksicht, wenn sie bloß punktuell auf die Zeitpunkte der nichtigen Vereinbarungen über die Einlagenrückgewähr rekurrierte und das Vorliegen einer Interessenkollision nur hinsichtlich jener Personen darlegte, die die Vereinbarungen geschlossen haben.

Diese „Schwäche“ ihres Vorbringens wurde aber bisher weder von den Vorinstanzen noch vom Prozessgegner aufgezeigt. Das ErstG hat sich mit der Bestimmung des § 1494 ABGB gar nicht auseinander gesetzt. Die Unschlüssigkeit des Einwands der Hemmung der Verjährung blieb auch dem BerufungsG verborgen.

Im Hinblick auf das Verbot von Überraschungsentscheidungen (RS0037300; 3 Ob 9/21a [Rz 56]), kommt eine Abweisung des Klagebegehrens – wie sie die Bekl mit der Revision anstreben – nicht in Betracht. Der Kl ist zunächst die Unschlüssigkeit ihres Vorbringens vorzuhalten und ihr Gelegenheit gegeben wurde, ihr Vorbringen dazu schlüssig zu stellen. Dies zwingt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen. Die Frage der Hemmung der Verjährung analog § 1494 ABGB aufgrund einer Interessenkollision wird in erster Instanz va mit der diesbezüglich beweispflichtigen Kl zu erörtern sein.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35221 vom 25.03.2024