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Rücktrittsfrist bei „Nachtragsprospekt“

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

KMG § 5

1.Gem § 5 Abs 1 KMG können Anleger, die Verbraucher iSd § 1 Abs 1 Z 2 KSchG sind, von ihrem Angebot oder vom Vertrag zurücktreten, wenn ein prospektpflichtiges Angebot ohne vorhergehende Veröffentlichung eines Prospekts oder der Angaben nach § 6 KMG erfolgt. Dieses Rücktrittsrecht „erlischt mit Ablauf einer Woche nach dem Tag, an dem der Prospekt oder die Angaben nach § 6 KMG veröffentlicht wurden“ (§ 5 Abs 4 KMG).

Im Hinblick auf den Wortlaut des § 5 Abs 4 Satz 1 KMG folgt der Senat der in 2 Ob 172/11z [= LN Rechtsnews 13885 vom 10. 10. 2012 = RdW 2012/684] obiter vertretenen Ansicht, dass der Verbraucher-Anleger sein Rücktrittsrecht gegenüber seinem Vertragspartner umgehend (sprich innerhalb der Frist von einer Woche) effektuieren muss, wenn nachträglich ein Prospekt veröffentlicht wird, der die erforderlichen Angaben enthält.

Wird eine nachträgliche Prospektveröffentlichung zugelassen, kann deren Informationswert nur mehr für eine De-Investitionsentscheidung relevant sein. Aus diesem Grund muss ein Nachtragsprospekt diejenigen sachlichen Informationen enthalten, die für die De-Investitionsentscheidung von Relevanz sind, dh er muss auf die aktuelle Sachlage zum Zeitpunkt der Prospekterstellung und -veröffentlichung abstellen.

2. Wird durch die Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechts eine Aufrechnungslage herbeigeführt, ist der Zeitpunkt der Gestaltungserklärung maßgebend, und nicht jener Zeitpunkt, in dem der Berechtigte sein Gestaltungsrecht erstmals ausüben hätte können, weil erst durch die tatsächliche Ausübung ein möglicher Rückforderungsanspruch entsteht. Es besteht keine Pflicht, ein Gestaltungsrecht auszuüben bzw - wenn es ausgeübt wird - dieses zum frühestmöglichen Zeitpunkt auszuüben, weil ansonsten jede Ausübungsfrist ihren Sinn verlöre.

OGH 20. 5. 2015, 3 Ob 144/14v

Entscheidung

Zur Frage, welche Rechtsnormen auf die Erstellung und Veröffentlichung eines nachträglichen Prospekts im Fall zwischenzeitiger Rechtsänderung nach der ursprünglichen Emission anzuwenden sind (Prüfung, Billigung, Veröffentlichungsmedien etc), finden sich keine expliziten Regelungen im KMG, so der OGH. Weiters führt der OGH in diesem Zusammenhang aus:

„Gewisse Informationen sind der KMG-Novelle BGBl I 2005/78 zu entnehmen, mit der der „einheitliche europäische Pass“ für einmal in einem Mitgliedstaat gebilligte Prospekte eingeführt wurde; damit werden weitere nationale Prüfungen der Prospekte ausgeschlossen, wenn Wertpapiere auch in anderen Mitgliedstaaten angeboten oder zum Börsehandel zugelassen werden (§ 8b KMG).

Aus § 17b Abs 3 KMG (idF BGBl I 2005/78) ergibt sich die Wertung, dass für prospektpflichtige Angebote, die vor dem 10. 8. 2005 begonnen haben und vor dem 10. 11. 2005 abgeschlossen wurden (wie das hier zu beurteilende Angebot), die Veröffentlichung eines gem den Bestimmungen des KMG idF BGBl I 2003/80 errichteten und kontrollierten Prospekts gilt; speziell die §§ 2 und 8b Abs 3 KMG (idF BGBl I 2005/78) kommen dafür nicht zur Anwendung.“

Im vorliegenden Fall hat das ErstG über die Prospektunterfertigung, den Prospekt-Kontrollvermerk, die Bekanntmachung in der Wiener Zeitung und die Hinterlegung bei der Meldestelle hinaus keine Feststellungen zur ordnungsgemäßen Erstellung des Nachtragsprospekts und dessen Veröffentlichung iSd §§ 8, 10 KMG (idF BGBl I 2003/80) getroffen. Nachzuholen sind daher nun Feststellungen zur

-Erfüllung der inhaltlichen Voraussetzungen eines Prospekts nach dem KMG idF BGBl I 2003/80, wobei auf die aktuelle Sachlage zum Zeitpunkt der Prospekterstellung und -veröffentlichung abzustellen ist;
-Erfüllung der Voraussetzungen für die Kontrolle des Prospeks durch einen Prüfer gemäß § 8 Abs 2 Z 3 KMG (idF BGBl I 2003/80), der über eine dort genannte Haftpflichtversicherung verfügt, und
-Erfüllung der Voraussetzungen der Veröffentlichung gemäß § 10 KMG (idF BGBl I 2003/80).
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20159 vom 03.09.2015