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Schadenersatzanspruch von GmbH-Gläubigern gegen Geschäftsführer

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: §§ 1293 ff, § 1311

StGB § 156

Die Kridabestimmungen des StGB sind Schutzgesetze zugunsten der Gläubiger. Sowohl die Altgläubiger als auch die Neugläubiger einer GmbH können gegen deren Geschäftsführer Schadenersatzansprüche gegen den GmbH-Geschäftsführer geltend machen, die ihnen infolge betrügerischer Krida durch den Geschäftsführer entstanden sind.

OGH 21. 4. 2015, 3 Ob 29/15h

Entscheidung

Zudem hat der OGH zusammengefasst ua ausgesprochen:

Schadenersatz - Schutzgesetz

Die Gläubiger einer GmbH, die für ihre Forderungen im Vermögen der Gesellschaft keine oder keine zureichende Deckung gefunden haben, können den oder die Geschäftsführer der Gesellschaft nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen (§§ 1293 ff ABGB) auf Ersatz des Schadens in Anspruch nehmen, den ihnen die organschaftlichen Vertreter durch schuldhafte Verletzung eines gerade oder auch zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger erlassenen Gesetzes zugefügt haben.

Die Kridabestimmungen des StGB sind Schutzgesetze zugunsten der Gläubiger; vom Schutzzweck dieser Normen werden sämtliche Gläubiger etwa einer GmbH erfasst, und zwar sowohl Altgläubiger, deren Forderungen im Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit bereits bestanden und die durch die Eingehung neuer Verbindlichkeiten geschädigt werden, als auch Neugläubiger, die durch die Begründung der Verbindlichkeit im Stadium der Zahlungsunfähigkeit dadurch geschädigt werden, dass sie keine Gegenleistung erhalten. Schutzzweck des § 156 StGB (Betrügerische Krida) ist die Wahrung der Gläubigerinteressen.

Tatobjekt des § 156 StGB

Nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff, der den Vermögensdelikten des StGB generell zugrunde liegt, ist Vermögen die Gesamtheit der wirtschaftlichen Werte einer natürlichen oder juristischen Person und umfasst insb Eigentumsrechte, Pfandrechte, klagbare und unklagbare Forderungen, zu einem konkreten Recht verfestigte Gewinnchancen (etwa bei bevorstehendem Verkauf), Anwartschaftsrechte, Gewinnchancen eines Glücksgeschäfts, wirtschaftlich relevante persönliche Leistungen wie insb Tätigkeiten aus Arbeits- und Werkverträgen; nicht erfasst werden bloße Hoffnungen auf ein günstiges Geschäft, wie etwa bei bloßer Einladung zur Anboterstellung. Die Arbeitskraft des Schuldners oder seiner Arbeitnehmer gilt somit nicht als Vermögen iSd § 156 StGB; das für die Arbeit erzielte Entgelt fällt hingegen unter den Vermögensbegriff dieser Bestimmung.

Im Sinn dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise kommen als Tatobjekte des § 156 StGB nicht nur körperliche Sachen in Betracht, sondern auch Forderungen und Rechte, die auf exekutivem Weg oder durch Realisierung der Masse verwertbar sind, wie bspw Mietrechte, Ansprüche aus einem Generalvertretungsvertrag, Rechte des Vorbehaltskäufers an einer gegen Eigentumsvorbehalt übergebenen Sache, die angefallene Erbschaft, der Klientenstock eines Wirtschaftstreuhänders sowie rechtlich und tatsächlich verfestigte Gewinnchancen (hier Beteiligung einer GmbH an einer ARGE als rechtlich und tatsächlich verfestigte Gewinnchance).

Nur „Quotenschaden“?

Im vorliegenden Fall stammt die titulierte Forderung der Kl aus der mangelhaften Erfüllung eines Auftrags in den Jahren 2001 und 2002, den sie der GmbH erteilt hatte. Die GmbH machte ab dem Jahr 2005 Verluste und wies ab dem Jahr 2008 ein negatives Eigenkapital auf, wobei ihre Aktiva, die in den Jahren 2005 bis 2010 noch jedenfalls mehr als 200.000 € ausmachten, im Jahr 2011 auf 77.084,86 € (und im Jahr 2012 auf 22.642,32 €) sanken. Im März 2012 vereinbarte der bekl GmbH-Geschäftsführer, im eigenen Namen in alle Rechte und Pflichten der GmbH aus einem Arbeitsgemeinschaftsvertrag mit einem Dritten einzutreten. Die GmbH erhielt dafür vom Geschäftsführer keine Gegenleistung und verfügte danach über keinen Auftrag und damit auch über keine Erwerbsaussichten mehr; der Bekl nahm dabei billigend in Kauf, dass die GmbH damit endgültig außerstande sein werde, ihre Verbindlichkeiten zu begleichen. Damit hat er die äußere und innere Tatseite der betrügerischen Krida nach § 156 StGB verwirklicht.

Welche Konkursquote im Fall einer Insolvenz der GmbH erzielt werden könnte und welche Quote erzielbar gewesen wäre, wenn der Bekl unmittelbar nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der GmbH, spätestens aber Anfang 2012 Insolvenz angemeldet hätte, konnte nicht festgestellt werden, war aber auch nicht relevant, weil den Schädiger - hier also den Bekl - im Fall einer Schutzgesetzverletzung iSd Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens die Behauptungs- und Beweislast dafür trifft, dass der Schaden (im vollen Umfang) auch im Fall vorschriftsmäßigen Verhaltens eingetreten wäre. Derartiges Vorbringen hat der Bekl hier jedoch in erster Instanz - ungeachtet der ausdrücklichen Erörterung durch das ErstG - nicht erstattet.

Für den Fall, dass dem Bekl ein solcher Beweis gelungen wäre, erwähnt der OGH, dass der Einwand des Bekl „grds nicht von der Hand zu weisen“ wäre, dass die Kl, die unzweifelhaft „Altgläubigerin“ ist, nicht Anspruch auf Ersatz der gesamten titulierten Forderung hätte, sondern nur auf Ersatz des „Quotenschadens“, auch wenn es hier nicht um den Quotenschaden iSd Rsp zur Geschäftsführerhaftung wegen Konkursverschleppung geht, sondern vielmehr die tatsächliche Vermögenslage der GmbH jener gegenüberzustellen wäre, die ohne die schädigenden Handlungen des Bekl iSd § 156 StGB bestanden hätte.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20028 vom 10.08.2015