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Schmerzengeld: abgebrochene Scherenspitze im Körper nach Operation

Bearbeiter: Wolfgang Kolmasch

ABGB § 1325

Für seelische Schmerzen steht grundsätzlich nur dann Schmerzengeld zu, wenn diese als Folge einer Körperverletzung auftreten.

Seelische Schmerzen des Patienten in Form der Sorge über einen Fremdkörper, der bei einem Eingriff in seinem Körper zurückgelassen worden ist (hier: abgebrochene Spitze einer Operationsschere), rechtfertigen auch dann den Zuspruch von Schmerzengeld, wenn damit keine gesundheitlichen Probleme oder körperlichen Schmerzen verbunden sind. Schon der Verbleib eines Fremdkörpers ist als Körperverletzung zu qualifizieren.

5.000 € Schmerzengeld für die - wenn auch aus medizinischer Sicht unbegründete - Sorge und Ungewissheit des 36-jährigen Patienten, dass die nach einer Operation im Körper verbliebene Scherenspitze wandern oder gesundheitliche Probleme auslösen könnte.

OGH 30. 3. 2016, 4 Ob 48/16m

Sachverhalt

Der damals 36-jährige Kläger wurde in einem Krankenhaus am Herzen operiert. Während des Eingriffs brach dem Chirurgen die Spitze einer Präparierschere ab und rutschte in die linke Lungenvene. Da eine Bergung nicht bzw nur unter Entfernung von Lungengewebe möglich war, wurde die Scherenspitze im Körper zurückgelassen. Sie verursachte keine Entzündung. Solche Fremdkörper werden mit der Zeit von Körperzellen eingekapselt.

Für den Kläger sind damit keine gesundheitlichen Probleme oder körperlichen Schmerzen verbunden. Diese sind auch für die Zukunft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Dennoch ist der Kläger in ständiger Sorge, dass die Scherenspitze in seinem Körper zu wandern beginnen oder in anderer Weise seiner Gesundheit schaden könnte. Krankheitswert erreichen diese psychischen Beeinträchtigungen nicht.

Im vorliegenden Verfahren begehrte der Kläger vom Krankenhausbetreiber und von der Herstellerin der Schere Schmerzengeld iHv 9.500 € zur Abgeltung seiner rein seelischen Schmerzen.

Entscheidung

Das gegen den Krankenhausbetreiber gerichtete Begehren wurde mangels Verschuldens des operierenden Arztes rechtskräftig abgewiesen.

Das auf Produkthaftung gestützte Begehren gegen die Herstellerin qualifizierten die Vorinstanzen dem Grunde nach als berechtigt. Im Revisionsverfahren war nur noch strittig, ob dem Kläger Schmerzengeld für seine seelischen Schmerzen zusteht, obwohl keine Gesundheitsschäden oder körperliche Schmerzen eingetreten sind. Abweichend von der Vorinstanz bejahte der OGH diese Frage. Schon der Verbleib eines Fremdkörpers stelle eine Körperverletzung dar. Bei den Sorgen des Klägers handle es sich somit um - auch nachvollziehbare - Folgen einer Körperverletzung, die durch Schmerzengeld abzugelten seien. Als Betrag hielt der OGH 5.000 € für angemessen.

Zak-Schmerzengeldtabelle

http://zak.lexisnexis.at/tabellen

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21539 vom 28.04.2016