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Schwerarbeitszeiten bei 12-Stunden-Diensten

Bearbeiter: Bettina Sabara / Bearbeiter: Barbara Tuma

Schwerarbeitsverordnung: § 1 Abs 1 Z 4, § 4

Körperliche Schwerarbeit liegt ua vor, wenn bei einer 8-stündigen Arbeitszeit von Männern mindestens 8.374 Arbeitskilojoule (2.000 Arbeitskilokalorien) und von Frauen mindestens 5.862 Arbeitskilojoule (1.400 Arbeitskilokalorien) verbraucht werden (§ 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung). Auch wenn in dieser Bestimmung der Bezug auf 8 Stunden pro Arbeitstag als gesetzliche Normalarbeitszeit gewählt wurde, sind tatsächlich längere Arbeitszeiten (hier: 12-Stunden-Dienste im Pflegebereich) nicht auf einen achtstündigen Arbeitstag umzurechnen und fiktiv auf mehrere Arbeitstage aufzuteilen.

OGH 24. 2. 2015, 10 ObS 2/15i

Sachverhalt

Die Klägerin war als Pflegehelferin in der chirurgischen Abteilung eines Landesklinikums tätig. Strittig ist, ob sie Schwerarbeitszeiten iSd Schwerarbeitsverordnung erworben hat.

Nach ihrem Dienstvertrag war die Klägerin zur Leistung von 20 bzw 30 Wochenstunden verpflichtet. Im Allgemeinen wurde sie zur Verrichtung von Tagdiensten (6:45 Uhr bis 18:45 Uhr inklusive halbstündiger Pause) herangezogen und in geringerem Ausmaß auch zu Nachtdiensten (18:45 Uhr bis 6:45 Uhr). Die Klägerin war in einem Kalendermonat für 9 bis 11 Tagdienste oder Nachtdienste eingeteilt. Sie war in jedem Monat weniger als 15 Tage tätig.

Die hospiz- oder palliativmedizinische Pflege schwerstkranker Patienten fiel nicht in ihren Aufgabenbereich. Fallweise kam es vor, dass auch ältere und bereits demente Patienten iZm Eingriffen auf der chirurgischen Station des Krankenhauses aufgenommen und von der Klägerin betreut wurden. Eine Langzeitpflege der Patienten war nicht durchzuführen. Es kann nicht festgestellt werden, dass es sich regelmäßig um Personen handelte, deren monatlicher Pflegebedarf 180 Stunden überschritten hätte.

Bei einem von der Klägerin verrichteten Dienst in der Dauer von 12 Stunden ergibt sich ein Energieverbrauch von 10.092 Arbeitskilojoule. Umgelegt auf eine 8-stündige Arbeitszeit ergibt dies einen Verbrauch von 6.728 Arbeitskilojoule und auf eine 6-stündige Arbeitszeit einen Verbrauch von 5.046 Arbeitskilojoule (Grenze gemäß § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung bei einer Frau und bei einer achtstündigen Arbeitszeit mindestens 5.862 Arbeitskilojoule; Anm).

Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass Schwerarbeitsmonate nicht vorlagen, weil die Klägerin in den strittigen Zeiträumen in jedem Kalendermonat weniger als 15 Tage Tätigkeiten unter körperlich besonders belastenden Bedingungen erbracht habe.

Keine Schwerarbeit aufgrund Pflegetätigkeit

Entgegen der Ansicht der Pflegehelferin hat sie nach den Feststellungen der Vorinstanzen keine Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 5 Schwerarbeitsverordnung erbracht („Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf, wie beispielsweise in der Hospiz- oder Palliativmedizin“).

Wie der OGH bereits ausgesprochen hat, erfüllt nicht jede berufsbedingte Pflegetätigkeit von Menschen mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf den Tatbestand, mag sie auch psychisch belastend sein (vgl OGH 17. 12. 2012, 10 ObS 149/12b, ARD 6306/8/2013). Neben der hospiz- oder palliativmedizinischen Pflege von Schwerstkranken erfasst die Bestimmung die Betreuung von Pfleglingen mit einem Pflegebedarf zumindest der Stufe 5 nach § 4 Abs 2 BPGG (Menschen, deren Pflegebedarf durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt und längerfristig [zumindest 6 Monate - siehe § 4 Abs 1 BPGG] andauert, wenn ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand erforderlich ist).

Diese Tatbestandsvoraussetzungen hat die Pflegehelferin hier nicht erwiesen.

Keine Schwerarbeit aufgrund Kalorienverbrauch

Gem § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung liegt schwere körperliche Arbeit vor, wenn bei einer 8-stündigen Arbeitszeit von Männern mindestens 8.374 Arbeitskilojoule (2.000 Arbeitskilokalorien) und von Frauen mindestens 5.862 Arbeitskilojoule (1.400 Arbeitskilokalorien) verbraucht werden.

Die Pflegehelferin meint, das Erfordernis nach § 4 Schwerarbeitsverordnung, zumindest an 15 Tagen im Kalendermonat Schwerarbeit zu verrichten, sei bei 12-Stunden-Diensten besonders im Pflegebereich unsachlich und daher diskriminierend, könnten doch Pflegerinnen und Pfleger eine Verkürzung ihrer Dienste nicht erreichen. Es erscheine sachlich nicht gerechtfertigt, dass bei klarem und eindeutigem Überschreiten der Kaloriengrenze auch bei Umrechnung auf 8-Stunden-Dienste und bei Vorliegen von mehr als 120 Monatsarbeitsstunden keine Schwerarbeit (gemeint: kein Schwerarbeitsmonat) gegeben sein soll.

Dem ist zu erwidern:

a) Wäre die Ansicht der Revisionswerberin richtig, wären gegenüber Pflegerinnen in der Lage der Klägerin zB Pflegerinnen schlechter gestellt, die nach dem Inhalt ihres Arbeitsvertrags nur an 14 Tagen im Kalendermonat zu 12-Stunden-Diensten eingeteilt werden und bei denen das Vorliegen von Schwerarbeit nicht nach § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung (Arbeitskilokalorienverbrauch) beurteilt wird, sondern nach § 1 Abs 1 Z 5 Schwerarbeitsverordnung (besondere Belastung durch Pflege bei besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf). Hiefür gäbe es keine sachlich gerechtfertigte Begründung.

b) Aus der Anlage zur Schwerarbeitsverordnung, in der die Grundsätze der Feststellung körperlicher Schwerarbeit festgelegt werden, geht hervor, dass sich der Arbeitsenergieumsatz aus dem Gesamtenergieumsatz pro Arbeitstag ergibt. Es ist daher die Berücksichtigung des Energieumsatzes des ganzen Arbeitstages vorgesehen. Zwar wurde in § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung bei der Festlegung der Energieumsatzgrenze der Bezug auf acht Stunden pro Arbeitstag als gesetzliche Normalarbeitszeit gewählt. Wenn jedoch tatsächlich längere Arbeitszeiten vorliegen, sind diese bei der Berechnung des Energieumsatzes entsprechend zu berücksichtigen. Die verhältnismäßige „Einkürzung“ einer tatsächlich längeren täglichen Arbeitszeit auf einen achtstündigen Arbeitstag - und damit die Streichung von Zeiten mit beruflicher, körperlicher Belastung - war nicht intendiert (vgl OGH 30. 9. 2014, 10 ObS 95/14i, ARD 6426/16/2014).

Im gleichen Maße wie eine „Einkürzung“ einer tatsächlich längeren Arbeitszeit auf einen 8-Stunden-Arbeitstag ausgeschlossen ist, ist aber auch eine „Ausdehnung“ iS einer Übertragung von täglichen Arbeitszeiten auf andere Arbeitstage auszuschließen. Eine (fiktive) Verteilung der über dem Mindestmaß liegenden an einem Arbeitstag verbrauchten Arbeitskilokalorien (§ 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung) auf Tage, an denen Schwerarbeit nicht erbracht (insbesondere gar nicht gearbeitet) wird, verbietet sich daher ebenso wie die der Pflegehelferin vorschwebende stundenweise Aufteilung der an einem Arbeitstag verbrauchten Arbeitskilojoule.

Dass § 4 Schwerarbeitsverordnung nicht unsachlich ist, haben die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19401 vom 29.04.2015