News

Spaltung zur Aufnahme: Kündigungsrecht der Anleihe-Emittentin?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

SpaltG § 15

Bei der Spaltung zur Aufnahme ist nach § 17 SpaltG ua § 15 Abs 5 SpaltG sinngemäß anzuwenden. Danach hat die übertragende Gesellschaft (Anleiheemittentin) den Inhabern von Schuldverschreibungen und Genussrechten gleichwertige Rechte zu gewähren oder die Änderung der Rechte oder das Recht selbst angemessen abzugelten.

Mit § 15 SpaltG sollte die SpaltungsRL (RL 82/891/EWG) umgesetzt werden und diese Regelung ist daher an die Vorgaben der SpaltungsRL gebunden. Nach der RL kommt dem Anleiheemittenten im Fall von Wertpapieren iSv Art 13 der SpaltungsRL das Recht zur einseitigen Vertragsauflösung bzw Vertragsänderung nicht zu und § 15 Abs 5 SpaltG ist daher durch richtlinienkonforme Interpretation und zur Vermeidung von systematischen Widersprüchen zu reduzieren. Daraus ergibt sich, dass auch im Anwendungsbereich des § 15 Abs 5 SpaltG die Gewährung gleichwertiger Rechte jedenfalls Vorrang hat und dem Emittenten kein Kündigungsrecht zukommt.

OGH 21. 6. 2016, 1 Ob 93/16g

Sachverhalt

Das bekl Kreditinstitut begab die Ergänzungskapitalanleihe 2003 - 2015 mit einer jährlichen Verzinsung zwischen 4,25 % und 6,75 % und verzichtete in § 7 der Anleihebedingungen auf deren Kündigung („Eine Kündigung seitens der Emittentin ... ist ausgeschlossen.“).

Im August 2012 schloss die Bekl mit ihrer Alleinaktionärin einen Spaltungs- und Übernahmsvertrag, mit dem die Bekl einen bestimmten Teilbetrieb zur Übernahme durch ihre Alleinaktionärin abspaltete. Im Rahmen der Spaltung kündigte die Bekl die Ergänzungskapitalanleihe gem § 15 Abs 5 SpaltG.

Die Kl hatte die Ergänzungskapitalanleihe gezeichnet und akzeptiert die Kündigung nicht; sie begehrt gegenüber der Bekl die Feststellung, dass die von ihr gezeichnete Ergänzungskapitalanleihe weiterhin wirksam aufrecht sei.

Anders als die Vorinstanzen gab der OGH dem Feststellungsbegehren statt.

Entscheidung

Kein Grund für außerordentliche Kündigung

Selbst unter der Annahme, dass der in § 7 der Anleihebedingungen vereinbarte gänzliche Kündigungsausschluss der bekl Emittentin nicht wirksam wäre, läge nach Ansicht des OGH kein Grund vor, der die Bekl zur außerordentlichen Kündigung berechtigt hätte:

Das allgemeine Kapitalmarktrisiko ist dem Gläubiger zuzurechnen und es liegt auf seiner Seite bei einer schlechten wirtschaftlichen Lage und entsprechenden Sanierungsmaßnahmen der Emittentin grds noch kein wichtiger Grund für die Auflösung des Dauerschuldverhältnisses vor (5 Ob 4/14w mwN, LN Rechtsnews 18388 vom 11. 11. 2014). Daraus kann nach Ansicht des OGH aber nicht geschlossen werden, dass deshalb der Emittentin ein Kündigungsrecht zustünde. Mag auch die Spaltung wirtschaftlich notwendig oder sinnvoll gewesen sein, ist die wirtschaftliche Situation der Emittentin allein ihr selbst zuzurechnen, obgleich sich dadurch möglicherweise zugleich auch das Kapitalmarktrisiko einer Gläubigerin verwirklicht. Die Emittentin selbst nahm die Spaltung vor und setzte in ihrer Sphäre diesen Grund, der sie aber nicht zur Kündigung berechtigt.

Zudem wäre der Bekl die Aufrechterhaltung der Ergänzungskapitalanleihe auch insoweit zumutbar, als sie - sollte sich ihre wirtschaftliche Situation verschlechtern - vereinbarungsgemäß bei einem Verlust keine Zinsen zu zahlen hat und auch das eingezahlte Kapital vor Liquidation der Emittentin nur unter anteiligem Abzug der während der Laufzeit angefallenen Nettoverluste zurückgezahlt werden darf (vgl zu Letzterem 6 Ob 87/16m).

Im Rahmen einer auf den Zeitpunkt der Beendigungserklärung bezogenen Gesamtbetrachtung ist das Bestandsinteresse des einen Vertragspartners gegen das Auflösungsinteresse des anderen Teils abzuwägen (5 Ob 4/14w, RIS-Justiz RS0018881 [T4]). Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Vertrags, die Voraussetzung einer außerordentlichen Kündigung der beklagten Emittentin wäre, liegt aber - so der OGH - nicht vor.

Kein Kündigungsrecht nach § 15 Abs 5 SpaltG

Die Bekl leitet ihr gesetzliches Kündigungsrecht aus § 15 Abs 5 SpaltG ab, der bei der Spaltung zur Aufnahme nach § 17 SpaltG sinngemäß anzuwenden ist. Danach sind den Inhabern von Schuldverschreibungen und Genussrechten gleichwertige Rechte zu gewähren oder die Änderung der Rechte oder das Recht selbst angemessen abzugelten.

Zunächst stellt der OGH klar, dass die Ergänzungskapitalanleihe seiner Ansicht nach bei richtlinienkonformer Interpretation des § 15 Abs 5 SpaltG weder unter die dort genannten Schuldverschreibungen noch unter die Genussrechte fällt.

Selbst wenn man aber die gegenteilige Ansicht vertreten würde (die Ergänzungskapitalanleihe sei von § 15 Abs 5 SpaltG erfasst), ist nach Auffassung des OGH für die Bekl nichts gewonnen:

Mit § 15 SpaltG sollte nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 32 BlgNR 20. GP 124 [zum EU-GesRÄG, BGBl 1996/304]) die SpaltungsRL umgesetzt werden, weshalb der OGH auch von einer Bindung dieser Regelung an die Vorgaben der SpaltungsRL ausgeht.

Nach Art 13 der SpaltungsRL ist - ebenso wie in Art 15 der FusionsRL - weder dem Wortlaut noch dem Sinn nach vorgesehen, dass die Emittentin der Wertpapiere berechtigt wäre, ihr Rechtsverhältnis zum Zeichner dieser Wertpapiere einseitig zu beenden und ihn im vollen Umfang abzufinden. Nach diesen Bestimmungen wird der Inhaber der Wertpapiere berechtigt, nicht jedoch deren Emittentin.

Da der europäische Gesetzgeber dem Anleiheemittenten das Recht zur einseitigen Vertragsauflösung bzw Vertragsänderung nicht zugesteht, ist § 15 Abs 5 SpaltG durch richtlinienkonforme Interpretation und zur Vermeidung von systematischen Widersprüchen zu reduzieren.

Der Wortlaut des § 15 Abs 5 SpaltG ist an und für sich hier neutral gehalten, sodass die Bestimmung nicht so interpretiert werden muss, dass im Rahmen des Spaltungsplans (§ 2 Abs 1 Z 8 SpaltG) eine einseitige „Aufkündigung“ durch die Gesellschaft möglich ist. Die richtlinienkonforme Interpretation der Bestimmung gebietet es vielmehr, dass - im Fall von Wertpapieren iSv Art 13 der SpaltungsRL - die Gewährung gleichwertiger Rechte jedenfalls Vorrang hat (vgl Winner in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz4 [2016] § 221 [d]AktG Rn 508 f; Bayer/Schmidt, Gläubigerschutz bei [grenzüberschreitenden] Verschmelzungen, Z IP 2016, 841 [848] [jeweils zu § 226 Abs 3 öAktG]). Ein Kündigungsrecht des Emittenten besteht jedenfalls nicht.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22036 vom 26.07.2016