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Staatsanleihen: Klage gegen Staat - internationale Zuständigkeit

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

EuGVVO 2001: Art 5 Nr 1

Der Erwerber einer Staatsanleihe kann sich auf den Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach Art 5 Nr 1 EuGVVO 2001 berufen, wenn er gegen den bekl Staat als Emittent der Inhaberschuldverschreibung die Erfüllung der Anleihebedingungen geltend macht (bzw die Nichterfüllung dieser wertpapierrechtlichen Verpflichtungen aus dem Zahlungsversprechen des bekl Staates).

Wenn dem Kl aus der Staatsanleihe bzw dem darin verbrieften Zahlungsversprechen ein Anspruch gegenüber dem bekl Staat zusteht, handelt es sich dabei um eine freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtung und damit um einen vertraglichen Anspruch iSd Art 5 Nr 1 EuGVVO.

Beim Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten handelt es sich um einen Sekundäranspruch, bei dem zuständigkeitsrechtlich am Erfüllungsort für die Primärpflicht anzuknüpfen ist.

OGH 25. 11. 2015, 8 Ob 125/15p

Ausgangsfall

Der Kl hatte Staatsanleihen des bekl Staats (Griechenland) erworben, deren Nominale € 45.000 betrug, bevor sie auf Grundlage des griechischen Gesetzes Nr 4050/2012 („Umschuldungsgesetz“) konvertiert und gegen neue Staatsanleihen mit einem niedrigeren Nominalwert umgetauscht wurden.

Der Kl begehrt vom bekl Staat die Zahlung von fast € 34.000 und stützt sich dabei offensichtlich ua darauf, dass die Inhaberschuldverschreibungen des bekl Staates ihrem Inhaber das Recht auf pünktliche Zahlung der Zinsen und auf Kapitaltilgung bei Fälligkeit gewährten und der bekl Staat dieser Verpflichtung nicht entsprochen habe. In Entsprechung der Schadensminderungspflicht habe er die Anleihen verkauft und dafür einen Erlös von etwas über € 11.000 erzielt.

Die Bekl erhob die Einrede der fehlenden internationalen Zuständigkeit: Die geltend gemachten Ansprüche beruhten ausschließlich auf hoheitlichem Handeln des bekl Staats.

Das ErstG schränkte das Verfahren auf die Prüfung der internationalen Zuständigkeit ein und verwarf die Einrede der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit und der Unzuständigkeit des LG Salzburg. Das RekursG hingegen gab dem Rekurs des bekl Staats Folge und wies die Klage zurück.

Der OGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und trug dem ErstG die neuerliche Entscheidung über die Einrede der fehlenden internationalen Zuständigkeit nach Verfahrensergänzung auf: Bei richtiger Beurteilung sei vom zuständigkeitsrelevanten Vorbringen des Kl auszugehen, wobei der mit der Klage geltend gemachte Anspruch durch die rechtserzeugenden Tatsachen bestimmt werde und nicht allein durch die Formulierung des (allenfalls erörterungsbedürftigen) Klagebegehrens. Es sei somit nicht mehr maßgebend und daher nicht zu prüfen, ob es sich bei einem - vom Kl nicht aufrechterhaltenen - Staatshaftungsanspruch, der anspruchsbegründend aus dem Umschuldungsgesetz und einer dadurch allenfalls bewirkten Zwangskonvertierung abgeleitet wird, um einen Akt iure imperii handelt oder nicht.

Für das fortgesetzte Verfahren weist der OGH darauf hin, dass der besondere Zuständigkeitstatbestand des Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO mit den Parteien zu erörtern und ihnen Gelegenheit zu geben sein wird, dazu ergänzenden Vorbringen zu erstatten, sowie in der Folge die Feststellungen entsprechend zu verbreitern sein werden (bisher fehlten ua Feststellungen zum behaupteten inländischen Wohnsitz und der inländischen Depotbank).

Hinweis:

Die VO (EG) 44/2001 (EuGVVO 2001) wurde grds mit 10. 1. 2015 durch die VO (EU) 1215/2012 (EuGVVO 2012) abgelöst, war im vorliegenden Fall aber noch anwendbar. Art 5 Nr 1 VO (EG) 44/2001 ist nunmehr in Art 7 Nr 1 VO (EU) 1215/2012 geregelt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21089 vom 10.02.2016