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Stiftungszusatzurkunde - Feststellungsklage eines Begünstigten

PSG: § 5, § 10, § 27

ZPO § 228

Im vorliegenden Fall begehrt der Begünstigte einer Privatstiftung mittels Klage die Feststellung der Unwirksamkeit einer Stiftungszusatzurkunde, mit der weitere Begünstigte berufen werden, wegen der Geschäftsunfähigkeit des Stifters. Das Fesstellungsinteresse des Begünstigten ist vorliegend zu bejahen, zumal hier die Vorstände trotz Vorliegens von Beweismitteln untätig blieben, die für Geschäftsunfähigkeit des Stifters sprechen. Zudem ist die rechtlich-praktische Bedeutung des vom Kl angestrebten Feststellungsurteils zu bejahen und es ist auch nicht ersichtlich, dass dem Kl ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, um dasselbe Ziel (Klärung der Rechtsgrundlagen der bekl Stiftung) zu erreichen; auch eine Leistungsklage ist nicht in Betracht zu ziehen.

Dass neben dem rechtlichen auch ein wirtschaftliches Interesse des kl Begünstigten (an der Verhinderung zusätzlicher Zuwendungen an „neue“ Begünstigte) bestehen mag, ist nicht erheblich, weil nur ein rein wirtschaftliches Interesse den Erfolg einer Feststellungsklage verhindert. Es stehen nicht wirtschaftliche Belange des kl Begünstigten im Vordergrund, sondern die Rechtsgrundlagen der beklagten Privatstiftung, zu der der Kl als aktuell Begünstigter selbst in einem Rechtsverhältnis steht.

OGH 19. 11. 2014, 3 Ob 120/14i

Sachverhalt

Dr Kl ist einer der ursprünglich Begünstigten der bekl Privatstiftung. Der Stifter errichtete am 28. 5. 2009 eine - nach der Stiftungsurkunde zulässige - Stiftungszusatzurkunde, womit er die Nebenintervenienten (eine dem Stifter zuletzt nahestehende Frau und deren volljährige Kinder) zu weiteren Begünstigten nach seinem Ableben berief. Anlässlich seines Ablebens erhielt die Erstnebenintervenientin 50.000 €, deren Sohn und Tochter je 25.000 €; weiters sieht die Stiftungszusatzurkunde für die Erstnebenintervenientin ab dem Ableben des Stifters auf ihre Lebenszeit eine monatliche Zahlung von 3.000 € wertgesichert vor, wenn bzw solange sie nicht mit einer anderen Person als dem Stifter eine Ehe eingeht. Die Errichtung der Stiftungszusatzurkunde wurde im Firmenbuch eingetragen.

Der Stifter verstarb am 22. 4. 2010. Im Zeitpunkt der Errichtung der Stiftungszusatzurkunde am 28. 5. 2009 bestand bei ihm nach den Feststellungen ein schweres Alkoholabhängigkeitssyndrom. Er war nicht in der Lage, die Tragweite und die Auswirkungen seiner Handlung abzuschätzen und den Inhalt der Stiftungszusatzurkunde zu verstehen. Ihm fehlten die Fähigkeiten des Sich-Vergegenwärtigens von Sachverhalten und der Überblicksgewinnung. Eine freie Willensbildung war nicht mehr gegeben. Er befand sich in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Erstnebenintervenientin, die sich ihm gegenüber teilweise auch aggressiv verhielt. Der Kl begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der am 28. 5. 2009 errichteten Stiftungszusatzurkunde.

Das ErstG ging auf der Grundlage dieses Sachverhalts von der Geschäftsunfähigkeit des Stifters bei Errichtung der Stiftungszusatzurkunde aus und gab dem Feststellungsbegehren statt. BerufungsG und OGH gaben der Berufung bzw Revision der Nebenintervenienten nicht Folge.

Entscheidung

Kontrolldefizit

In seiner Begründung wies der OGH abermals auf das Kontrolldefizit hin, das sich bei der Privatstiftung aus dem Fehlen von Eigentümern ergibt. Dem sei durch rechtschutzfreundliche Auslegung jener Bestimmungen zu begegnen, die einzelnen Personen die Legitimation zur Stellung von Anträgen an das Gericht einräumen (vgl 6 Ob 157/12z mwN, LN Rechtsnews 14435 vom 22. 1. 2013 = RdW 2013/74).

Dies habe nicht nur im Firmenbuchverfahren Geltung, sondern auch im vorliegenden Prozess. Auch die vom Kl damit angestrebte Klärung der Rechtsgrundlagen der Privatstiftung stelle nämlich die Ausübung von Kontrolle (im weiteren Sinn) dar. Denn die Vorstände der Stiftung blieben - nach der Aktenlage - trotz eines vorliegenden Privatgutachtens untätig, das von der Geschäftsunfähigkeit des Stifters ausgeht und der Bekl spätestens in der Tagsatzung vom 4. 9. 2012 zur Kenntnis gelangte (vgl dazu Oberndorfer/Leitner, Die Geschäftsunfähigkeit des Stifters ZfS 2010, 99 [101 ff]). Daher ist nach Ansicht des OGH im Feststellungsbegehren ein taugliches Mittel zu erblicken, um dennoch die gebotene Klärung zu erreichen.

Als Zwischenergebnis hält der OGH somit fest, dass dem Kl als aktuell Begünstigtem in der vorliegenden, besonderen Konstellation iS einer rechtsschutzfreundlichen Auslegung des § 228 ZPO das dort geforderte Feststellungsinteresse zuzubilligen ist.

Kein einfacherer Weg

Neben der geforderten rechtlich-praktischen Bedeutung des vom Kl angestrebten Feststellungsurteils bejahte der OGH, dass dem Kl kein einfacherer Weg zur Verfügung steht, um dasselbe Ziel (Klärung der Rechtsgrundlagen der Bekl) zu erreichen:

Das PSG enthalte keine Bestimmungen darüber, wie eine Unwirksamkeit von Stiftungsänderungserklärungen geltend zu machen wäre (Oberndorfer/Leitner ZfS 2010, 99 [101]). Zu solchen sei auch die Errichtung einer Stiftungszusatzurkunde zu zählen, weshalb der Kl auch nicht auf Recht(-sbehelf-)e nach dem PSG verwiesen werden kann.

Nähere Überlegungen zu einem allfälligen Antrag des Kl auf Abberufung der Stiftungsvorstände (§ 27 Abs 2 PSG) wegen Untätigkeit trotz Vorliegens von Beweismitteln, die für die Geschäftsunfähigkeit des Stifters bei Errichtung der im Firmenbuch eingetragenen Stiftungszusatzurkunde sprechen, erübrigten sich, weil dadurch das angestrebte Ziel jedenfalls nicht unmittelbar erreicht werden könnte.

Gerade dieses Antragsrecht des Begünstigten mit dem Zweck, die ordnungsgemäße Geschäftsführung durch die Stiftungsvorstände zu sichern, belegt nach Ansicht des OGH das rechtliche Interesse des Kl an der begehrten Feststellung, damit die Stiftungsvorstände gesetzeskonform vorgehen können. Diese Überlegungen gelten unabhängig von der allfälligen Klagbarkeit von Versorgungsansprüchen, so der OGH.

Auch ein Verweis des Kl auf eine Anregung zur amtswegigen Löschung der Eintragung der Stiftungszusatzurkunde im Firmenbuch nach § 10 Abs 2 FBG kann ihm das Feststellungsinteresse nach Ansicht des OGH nicht nehmen, weil im Fall einer solchen Anregung nur die Vornahme einer Löschung angefochten werden kann, nicht aber die Ablehnung der Löschung; der Anreger habe dagegen kein Rekursrecht, mag er auch ein rechtliches Interesse an der Beseitigung der bemängelten Eintragung vorbringen (RIS-Justiz RS0124480).

Da sich weder den Behauptungen des Kl noch jenen der Bekl und der Nebenintervenienten entnehmen lässt, es sei oder werde zu einer Kürzung der Zuwendungen an den Kl durch die Bekl kommen, sei - so der OGH - eine Leistungsklage des Kl auf (ungeschmälerte) Gewährung von Zuwendungen nicht in Betracht zu ziehen. Damit erübrigten sich auch Überlegungen zur Rechtsfrage, ob ihm ein Rechtsanspruch darauf überhaupt zusteht (vgl dazu Arnold § 5 Rz 47 ff). Abgesehen davon war für den OGH die Möglichkeit der Erhebung einer Leistungsklage zur Erreichung des angestrebten Ziels der Klärung der Rechtsgrundlage der Stiftung nicht erkennbar.

Kein „Super-GAU“ für gemeinnützige Privatstiftungen

Die Nebenintervenienten befürchteten bei Bejahung des Feststellungsinteresses einen „Super-GAU“ für gemeinnützige Privatstiftungen mit einem offenen, großen Kreis von Begünstigten, denen allen die Bekämpfung der Wirksamkeit der Errichtung oder von Urkunden unbefristet offen stehen würde. Dies ist jedoch - so der OGH - keine realistische Folge der hier vertretenen Rechtsansicht: Während nämlich bei gemeinnützigen Privatstiftungen ein Begünstigter typischerweise nicht individualisierbar ist, also bloß potentielle Begünstigte in großer Zahl vorliegen, denen eine Begünstigtenstellung noch gar nicht zukommt (RIS-Justiz RS0119643), werde hier dem Kl das Feststellungsinteresse als aktuellem Begünstigten zugebilligt.

Bearbeiterin: Sabine Kriwanek

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 18918 vom 10.02.2015