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Strafrechtsänderungsgesetz 2015 – BGBl

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Suchtmittelgesetz, die Strafprozessordnung 1975, das Aktiengesetz, das Gesetz vom 6. März 1906 über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Gesetz über das Statut der Europäischen Gesellschaft, das Genossenschaftsgesetz, das ORF-Gesetz, das Privatstiftungsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, und das Spaltungsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2015)

BGBl I 2015/112, ausgegeben am 13. 8. 2015

Mit dieser umfangreichen Novelle werden zahlreiche Anpassungen vorgenommen, die schon lange öffentlich diskutiert wurden (zB Senkung der Strafdrohung iZm Eigentumsdelikten und Erhöhung iZm Körperverletzung, Erhöhung der Wertgrenzen, Änderungen iZm Cyberkriminalität, bei Landfriedensbruch und Verhetzung), und es werden dabei auch gänzlich neue Straftatbestände im StGB eingeführt, va

-„Zwangsheirat“ (§ 106a StGB)
-„Cybermobbing“ (§ 107c StGB – „Fortgesetzte Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems“)
-„Bilanzfälschung“ (Zusammenführung von Tatbeständen im StGB mit einheitlicher Strafdrohung unter Differenzierung zwischen Taten von Organen der Gesellschaft und Taten von externen Prüfern [§ 163a StGB – „Unvertretbare Darstellung wesentlicher Informationen über bestimmte Verbände“ sowie § 163b StGB – „Unvertretbare Berichte von Prüfern bestimmter Verbände“)
-Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung“ (§ 205a StGB)
-Phishing“ und „Skimming“ (§ 241h StGB – „Ausspähen von Daten eines unbaren Zahlungsmittels“)
-„Unzulässige Bieterabsprachen in exekutiven Versteigerungsverfahren“ (§ 292c StGB)
-„Verbrechen der Aggression“ (§ 321k StGB)

Umgesetzt werden mit der Reform einerseits die Änderungen, die von den Experten der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ vorgeschlagen wurden, und andererseits die neuen Regelungen des Unionsrechts wie die RL 2014/42/EU über die Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten in der EU, die RL 2014/62/EU zum strafrechtlichen Schutz des Euro und anderer Währungen gegen Geldfälschung und die RL 2013/40/EU über Angriffe auf Informationssysteme (RL Cybercrime).

Zu den Details siehe ausführlich LN Rechtsnews 19706 vom 19. 6. 2015 (zur RV).

Änderungen gegenüber der RV

Als Änderungen gegenüber der RV sind insb folgende Punkte hervorzuheben:

„Gewerbsmäßige“ Begehung

Bei unveränderter Definition spricht das Gesetz nun doch (wieder) von „gewerbsmäßiger“ Begehung (der Begriff „Gewerbsmäßigkeit“ sollte laut ME durch „Berufsmäßigkeit“ und laut RV durch „Erwerbsmäßigkeit“ ersetzt werden).

Begründet wird dies folgendermaßen:

„Anregungen im Ausschuss folgend, soll die vorgeschlagene Bezeichnung „Erwerbsmäßige Begehung“ durch die ursprüngliche Bezeichnung „Gewerbsmäßige Begehung“ ersetzt werden, weil zum einen keine Verbesserung durch die Umbenennung gesehen wird und sich zum anderen dadurch auch die Anpassung zahlreicher Bestimmungen über die Gewerbsmäßigkeit in Nebengesetze an die neue Bezeichnung erübrigt.“

Untreue – Neufassung und „Business Judgement Rule“

§ 153 StGB (Untreue) wird gänzlich neu gefasst. In den letzten Jahren haben sich nämlich gem dem AB „in der Praxis vielfach Unklarheiten bei der Anwendung des Untreuetatbestands und dessen Grenzen“ ergeben – und zwar „sowohl hinsichtlich des Befugnismissbrauchs wie auch des Untreueschadens“. Die Bestimmung hat nunmehr folgenden Wortlaut:

„Untreue

§ 153. (1) Wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Seine Befugnis missbraucht, wer in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen.

(3) Wer durch die Tat einen 5.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.“

Gleichzeitig wird in das AktG (§ 84 Abs 1a AktG) und in das GmbHG (§ 25 Abs 1a GmbHG) entsprechend internationalen Vorbildern eine Regelung aufgenommen, wonach ein Entscheidungsträger in der Wirtschaft (Vorstand und Geschäftsführer) „jedenfalls“ dann rechtmäßig handelt und sich von vornherein nicht wegen Untreue strafbar machen kann, wenn „er sich bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lässt und auf der Grundlage angemessener Information annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“ (sog Business Judgement Rule).

Der Sorgfaltsmaßstab für Vorstand und Geschäftsführer gilt auch für den Aufsichtsrat (vgl § 99 AktG und § 33 Abs 1 GmbHG) und andere Organe, sofern sie in ihrer Funktion ebenso unternehmerische Entscheidungen treffen. Auch für diese Entscheidungsträger gilt gem dem AB die Business Judgement Rule.

Mit der Verwendung des Begriffs „jedenfalls“ in § 84 Abs 1a AktG) und § 25 Abs 1a GmbHG wird – so der AB – den Safe-harbor-Charakter der Bestimmung zum Ausdruck: „Wer so handelt wie im Text beschrieben, handelt jedenfalls im Einklang mit der gebotenen Sorgfalt und hat keine nachteiligen Rechtsfolgen zu befürchten, insb auch keine Strafverfolgung.“ Auch wenn die Voraussetzungen der Business Judgement Rule nicht erfüllt sind, müsse daher kein Sorgfaltsverstoß vorliegen. Die Rechtmäßigkeit oder Rechtwidrigkeit des Handels wäre dann aber gesondert zu prüfen, weil der „Safe-harbor“-Effekt der Regel entfällt.

Hinweis: Vgl zum Untreuetatbestand noch ausführlicher AB 728 BlgNR 25. GP, S 9 ff.

Bilanzstrafrecht

Einer der Schwerpunkte der Expertenanhörung war die Neureglung des „Bilanzstrafrechts“ (§ 163a und § 163b StGB). Der Ausschuss ist danach zu dem Schluss gekommen, dass die in der RV vorgeschlagenen Bestimmungen – neben sprachlichen Adaptierungen - inhaltlich nur in einem Punkt geändert werden sollten:

Abgestellt wird nunmehr nicht auf die Eignung der Tat, einen „schwerwiegenden Schaden“ für den Verband, dessen Gesellschafter, Mitglieder oder Gläubiger oder für Anleger herbeizuführen, sondern auf einen „erheblichen Schaden“.

Der Ausschuss stellt in diesem Zusammenhang weiters klar, dass mit dem Begriff „Eignung“ die abstrakte Eignung gemeint ist.

Zwangsheirat – Ausschussfeststellung

Ferner beschloss der Justizausschuss mit Stimmenmehrheit folgende Feststellung:

„Der Justizausschuss hält zu § 106a StGB ausdrücklich fest, dass durch die Nötigung zur Aufnahme einer eheähnlichen Gemeinschaft (rituelle oder religiöse, staatlich nicht anerkannte Eheschließungen) besonders wichtige Interessen der genötigten Person verletzt werden, sodass Strafbarkeit nach § 106 Abs 1 Z 3 StGB gegeben ist.

Weiters wird zur Vermeidung von Unklarheiten klargestellt, dass Opfer einer Zwangsverheiratung Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung haben, weil sie Opfer iSd § 65 Z 1 lit a sind.“

Inkrafttreten

Die Strafrechtsreform tritt im Wesentlichen mit 1. 1. 2016 in Kraft.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20054 vom 14.08.2015