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Unternehmensberatung inkl Unternehmensorganisation – individuelle Befähigung?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

GewO 1994: § 18, § 19

Kann der Befähigungsnachweis nach § 18 Abs 1 GewO 1994 (Befähigungsnachweis für reglementierte Gewerbe) nicht erbracht werden, hat die Behörde gem § 19 GewO 1994 das Vorliegen der individuellen Befähigung festzustellen (Individueller Befähigungsnachweis), wenn durch die beigebrachten Beweismittel die Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen werden, die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlich sind. Die Behörde hat das Vorliegen der individuellen Befähigung mit der Beschränkung auf Teiltätigkeiten des betreffenden Gewerbes auszusprechen, wenn die Befähigung nur in diesem Umfang vorliegt.

Die Beurteilung, ob durch diese (sonstigen) Nachweise die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen belegt werden, hat nach stRsp am Maßstab der Vorschriften zu erfolgen, die den Befähigungsnachweis iSd § 18 Abs 1 GewO 1994 festlegen (Zugangsvoraussetzungen). Der Antragsteller muss in einem Verfahren gem § 19 GewO 1994 eine Tätigkeit nachweisen, die der einschlägigen Tätigkeit „gleichwertig“ ist, die in der betreffenden Zugangsverordnung gefordert wird. Aufgrund sonstiger Nachweise kann die erforderliche Befähigung nur insofern belegt werden, als die vom Antragsteller absolvierte Ausbildung (Bildungsgang, bisherige Tätigkeit) das Ausbildungsziel in gleicher Weise verwirklicht wie jene in den einschlägigen Vorschriften.

Im vorliegenden Fall hatte die mitbeteiligte Partei (eine GmbH) das reglementierte Gewerbe „Unternehmensberatung einschließlich Unternehmensorganisation gem § 94 Z 74 GewO 1994“ angemeldet, gleichzeitig die Bestellung von N.N. als gewerberechtliche Geschäftsführerin angezeigt und für N.N. um Feststellung der individuellen Befähigung gemäß § 19 GewO 1994 angesucht. Sowohl die belangte Behörde als auch das VwG haben zu Recht die Bestimmungen der Unternehmensberatungs-Verordnung als Maßstab zur Beurteilung herangezogen, ob N.N. durch die beigebrachten Beweismittel die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen für die Ausübung dieses Gewerbes iSd § 19 GewO 1994 nachgewiesen hat. Vorliegend ist somit wesentlich, ob Wissen und Kenntnisse bei N.N. in Bezug auf „fundierte betriebswirtschaftliche Voraussetzungen, ausreichende wirtschaftsrechtliche Kenntnisse und entsprechendes Berater-Know-how“ iSd § 1 Abs 1 erster Satz der Unternehmensberatungs-Verordnung nachgewiesen werden konnten, die mit dem Ausbildungsziel einer der Ausbildungen iSd § 1 Abs 1 Z 1, 3 bis 6 dieser Verordnung und/oder mit einer fachlich einschlägigen Tätigkeit iSd § 1 Abs 2 dieser Verordnung gleichwertig sind.

Sowohl die belangte Behörde als auch das VwG gelangten zum Ergebnis, dass N.N. nicht über eine der Ausbildungen gem § 1 Z 1 und Z 3 bis 6 dieser Verordnung verfüge. Als fachlich einschlägige Tätigkeit nennt § 1 Abs 2 Unternehmensberatungs-Verordnung demonstrativ einige Tätigkeiten – ua (hier relevant) Tätigkeiten in der „Leitung von Unternehmen“ –, die „die umfassende Analyse von Organisationen oder ihres Umfeldes, die Entwicklung von Lösungsansätzen und deren allfällige Umsetzung durch Beratung und Intervention sowie die Steuerung von Beratungs- und Kommunikationsprozessen innerhalb von Organisationen und gegenüber dem Markt“ zum Gegenstand haben müssen.

In Bezug darauf setzt der Nachweis einer individuellen Befähigung gem § 19 GewO 1994 Feststellungen zum Inhalt der von N.N. konkret ausgeübten Tätigkeiten voraus, aus denen auf das Vorliegen der erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen für die Gewerbeausübung geschlossen werden kann, ohne dass diese Tätigkeiten als fachlich einschlägig iSd § 1 Abs 2 Unternehmensberatungs-Verordnung zu qualifizieren sind und daher ohnehin einen Befähigungsnachweis nach § 18 Abs 1 GewO 1994 darstellen würden. Dem hat das VwG mit seinen unzureichenden Tatsachenfeststellungen nicht entsprochen und insoweit das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

VwGH 27. 6. 2023, Ra 2020/04/0182

Entscheidung

Unternehmensberatungs-Verordnung

§ 1 Abs 1 der Unternehmensberatungs-Verordnung hinsichtlich der erforderlichen fachlichen Qualifikation entweder ein Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Befähigungsprüfung (Z 1) oder Zeugnisse über eine mindestens dreijährige fachlich einschlägige Tätigkeit (Z 2) oder Zeugnisse über den erfolgreichen Abschluss verschiedener einschlägiger Ausbildungen, samt - je nach Ausbildung - den Nachweis einschlägiger Rechtskunde sowie eine mindestens ein- bis zweieinhalbjährige fachlich einschlägige Tätigkeit (Z 3 bis 6).

Unter fachlich einschlägiger Tätigkeit iSd Abs 1 sind gem § 1 Abs 2 der Unternehmensberatungs-Verordnung „insb Tätigkeiten im Gewerbe der Unternehmensberatung, der Leitung von Unternehmen, im leitenden Management oder als Wirtschaftstreuhänder zu verstehen, die die umfassende Analyse von Organisationen oder ihres Umfeldes, die Entwicklung von Lösungsansätzen und deren allfällige Umsetzung durch Beratung und Intervention sowie die Steuerung von Beratungs- und Kommunikationsprozessen innerhalb von Organisationen und gegenüber dem Markt zum Gegenstand haben“. Für die Ausübung einer fachlich einschlägigen Tätigkeit reicht demnach nicht alleine eine der demonstrativ angeführten Tätigkeiten (hier: Leitung von Unternehmen). Vielmehr müssen solche Tätigkeiten die umfassende Analyse von Organisationen oder ihres Umfeldes, die Entwicklung von Lösungsansätzen und deren allfällige Umsetzung durch Beratung und Intervention sowie die Steuerung von Beratungs- und Kommunikationsprozessen innerhalb von Organisationen und gegenüber dem Markt zum Gegenstand haben. Dabei ist insb zu berücksichtigen, dass gem § 136 Abs 3 GewO 1994 Unternehmensberater einschließlich Unternehmensorganisatoren im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung insb zur 1. Beratung in Angelegenheiten der Unternehmensgründung, Unternehmensschließung und der Betriebsübergabe, 2. Sanierungs- und Insolvenzberatung und 3. berufsmäßigen Vertretung des Auftragsgebers gegenüber Dritten, wie insb Kunden und Lieferanten, sowie vor Behörden und Körperschaften öffentlichen Rechts berechtigt sind.

Ob diese Voraussetzung für den Befähigungsnachweis nach § 18 Abs 1 GewO 1994 in Bezug auf die Tätigkeit der „Leitung von Unternehmen“ erfüllt ist, ist fallbezogen zu beurteilen. Dabei kommt es auf den konkreten Inhalt der Tätigkeit in der Unternehmensleitung an und nicht zwingend auf die Unternehmensgröße. Dies gilt ebenso für die Beurteilung, ob das Vorliegen der individuellen Befähigung nach § 19 GewO 1994 nachgewiesen wird. Allein von der (wenn auch jahrelangen) Leitung eines Unternehmens ohne Nachweis und Feststellung entsprechender Leitungstätigkeiten kann weder auf die Erbringung eines Befähigungsnachweises nach § 18 Abs 1 GewO 1994 noch auf den Nachweis der individuellen Befähigung zur Ausübung des Gewerbes der Unternehmensberatung einschließlich der Unternehmensorganisation (§ 94 Z 74 GewO 1994) geschlossen werden.

Vorliegender Fall

Allein aus einer selbstständigen Tätigkeit, deren Inhalt nicht näher dargestellt wird, kann nicht auf den Nachweis einer individuellen Befähigung iSd § 19 GewO 1994 geschlossen werden. Der Hinweis des VwG „mit der Leitung der Unternehmen“ sei „zB die Ausarbeitung und Umsetzung einer Unternehmensstrategie, eines Businessplans, eines Investitionskonzeptes oder eines Finanzierungskonzeptes verbunden“, vermag seine widersprüchliche Begründung ebenso wenig aufzulösen, wie der pauschale Verweis des VwG auf die „politischen Funktionen (von N.N.), welche Leitungstätigkeiten einer Landesparteiorganisation und einer Unterorganisation für wirtschaftliche Belange umfassen“, ohne den Inhalt dieser Tätigkeiten näher festzustellen.

Aus der nicht näher belegten Vermutung des VwG, „dass bei mittelständischen oder industriellen Unternehmen - auch in der Unternehmensleitung - eine Aufgabenteilung und Spezialisierung besteht, sodass bei der Leitung kleinerer Unternehmen häufig sogar eine mehr Bereiche umfassende Leitungstätigkeit gegeben ist“, sowie generell aus einem bloßen Abstellen auf eine bestimmte Unternehmensgröße iZm dessen Leitung lässt sich kein Nachweis für die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen zur Ausübung des Gewerbes der Unternehmensberatung einschließlich der Unternehmensorganisation ableiten.

Einem Schreiben der Fachgruppe Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie (UBIT) der Wirtschaftskammer Burgenland, wonach „nach fachlicher Prüfung des Ansuchens ... keine Einwände gegen das Ansuchen vorzubringen“ seien, kommt für das Vorliegen des individuellen Befähigungsnachweises kein Beweiswert zu.

Infolge der unzureichenden Tatsachenfeststellungen zu den konkret ausgeübten Tätigkeiten wurde das angefochtene Erkenntnis vom VwGH wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34406 vom 22.08.2023