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Unwirksame Kündigung: Ansatz von Aufwendungen bei Entgeltanrechnung

Bearbeiter: Bettina Sabara / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB § 1155

VBG: § 17 Abs 3, § 30 Abs 4

Hat sich ein Arbeitnehmer (hier: Vertragsbediensteter) erfolgreich gegen seine Kündigung gewehrt, ist das Dienstverhältnis daher weiter aufrecht und zahlt der Arbeitgeber das dem Arbeitnehmer entgangene Entgelt nach, so muss sich der Arbeitnehmer jene Einkünfte anrechnen lassen, die er in einem zwischenzeitlich eingegangenen Dienstverhältnis erworben hat. Hat der Arbeitnehmer während dieses „Zwischenarbeitsverhältnisses“ Aufwendungen zu tragen (hier: Fahrtkosten für längere Anfahrtswege zum Ersatzarbeitsplatz), so sind diese von den anzurechnenden Einkünften abzuziehen.

OGH 15. 12. 2015, 8 ObA 61/15a

Sachverhalt

Der Kläger war Vertragsbediensteter beim beklagten Arbeitgeber und wurde gekündigt. Seine Klage auf Feststellung des aufrechten Bestands des Dienstverhältnisses war - nach einer Verfahrensdauer von rund zweieinhalb Jahren - erfolgreich und der beklagte Arbeitgeber ersetzte ihm die Differenz zu dem Entgelt, das er an seinem neuen Arbeitsplatz erhalten hatte. Der Kläger begehrt nun allerdings vom Arbeitgeber auch den Ersatz der Kosten, die ihm für die längeren Fahrtstrecken zu diesem anderen Arbeitsplatz entstanden waren.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht hob das Urteil auf, weil eine Kündigung ohne entsprechenden Grund eine rechtswidrige Handlung darstelle und daher trotz ihrer Unwirksamkeit auch Schadenersatzansprüche rechtfertigen könne; zur Höhe der erforderlichen Kosten fehlten jedoch Feststellungen.

Der OGH erachet den Rekurs des Arbeitgebers zur Klarstellung der Rechtslage für zulässig.

Entscheidung

Für das Dienstverhältnis des Klägers ist das VBG 1948 (mit näher geregelten Ausnahmen) anzuwenden. Für den Fall der unwirksamen Kündigung oder Entlassung eines Vertragsbediensteten enthalten die §§ 17 Abs 3, 30 Abs 4 VBG eine weitgehend dem § 1155 ABGB entsprechende Anrechnungsverpflichtung für anderweitig erworbene Bezüge. Diese Anrechnungsregel hat den Zweck, dass der Arbeitnehmer bei Nichtleistung seiner vereinbarten Dienste nicht besser gestellt sein soll als bei ihrer Erbringung (vgl OGH 25. 6. 2015, 8 ObA 82/14p, ARD 6461/8/2015).

Musste der Dienstnehmer allerdings zusätzliche Aufwendungen tragen, um eine andere Erwerbsquelle nutzen zu können, so würde die uneingeschränkte Anrechnung des Entgelts aus der anderen Erwerbsquelle letztlich auf eine Schlechterstellung des Dienstnehmers hinauslaufen, die von § 1155 Abs 1 ABGB bzw §§ 17 Abs 3, 30 Abs 4 VBG nicht intendiert ist. Solche Aufwendungen sind daher bei der Anrechnung nach § 1155 Abs 1 zweiter Halbsatz ABGB iS eines Abzugs vom anzurechnenden Entgelt zu berücksichtigen (Krejci in Rummel, ABGB3 § 1155 Rz 29; Rebhahn in ZellKomm2 § 1155 Rz 51).

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der beklagte Arbeitgeber im Rahmen der Nachzahlung des Entgelts dem Kläger die von ihm bezogenen Einkünfte angerechnet; bei dieser Anrechnung sind aber die Aufwendungen als Abzugspost zu berücksichtigen, die der Kläger zur Erlangung des Entgelts aus dem Zwischenarbeitsverhältnis notwendigerweise getragen hat. Soweit der hier vom Kläger geltend gemachte Aufwand zur Erzielung der Einkünfte aus dem Zwischenarbeitsverhältnis notwendig war, erweist sich sein Begehren nach Ansicht des OGH daher als berechtigt.

Dass der Kläger sein Begehren ausdrücklich auf Schadenersatz gestützt hat, schadet ihm nicht, weil nach der herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie Klagegrund das tatsächliche Vorbringen ist und nicht die rechtliche Beurteilung dieses Vorbringens (vgl OGH 25. 11. 2014, 8 ObA 53/14y, ARD 6445/7/2015). Der Kläger hat den Sachverhalt zur Begründung des oben beschriebenen Anspruchs hinreichend vorgebracht. Dass er seinen daraus abgeleiteten Anspruch als Schadenersatzanspruch qualifiziert hat, bindet das Gericht nicht, zumal seinem Vorbringen eine ausschließliche Beschränkung auf diesen Rechtsgrund nicht entnommen werden kann.

Ob bzw in welchem Umfang der vom Kläger geltend gemachte Aufwand tatsächlich notwendig war, wird im fortgesetzten Verfahren zu klären sein.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21045 vom 03.02.2016