News

Verbandsklage: AGB – Reiseveranstalter

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 879

KSchG: § 6, § 28, § 29

PRG: § 4, § 6, § 7, § 11

Die Bekl betreibt bundesweit ein Reiseveranstaltungsunternehmen und veranstaltet insb Maturareisen in Form von Pauschalreisen. Dazu verwendet sie AGB. Die im Verfahren strittigen Klauseln erwiesen sich als unzulässig; sie waren insb gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB, intransparent oder verstießen gegen das PRG.

OGH 27. 9. 2023, 9 Ob 18/23x

Entscheidung

Unzulässige Klauseln

-Eine Klausel verstößt gegen § 4 Abs 1 Z 3 PRG, weil sie – jedenfalls bei kundenfeindlichster Auslegung – so ausgelegt werden kann, dass der Gesamtpreis der Pauschalreise erst nach Vertragsabschluss bestimmt werden kann.
-Gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB ist eine Klausel, die (ua) einen „Green-Beitrag“ regelt, der im Ergebnis lediglich eine gesonderte und in die AGB „verschobene“ Abgeltung einer Leistung (Müllentsorgung) darstellt, die im Regelfall mit der Erfüllung der vertraglichen Pflichten (Reise- einschließlich Beherbergungsvertrag) der Bekl verbunden ist. Auch der „Peak Week-Zuschlag“ (erhöhtes Entgelt für einen bestimmten Reisezeitraum) betrifft das eigentliche Leistungsentgelt; durch das „Verschieben“ dieses Entgeltteils in die AGB wird das eigentliche Leistungsversprechen (Reiseleistung zum dafür vorgesehenen „allgemeinen“ Reisepreis) eingeschränkt und ausgehöhlt, ohne dass dem konkrete Leistungen für den Verbraucher gegenüberstehen würden.
-Bei einer Übertragung des Pauschalreisevertrag durch den Reisenden auf eine andere Person nach § 7 Abs 1 PRG, hat der Reiseveranstalter dem Reisenden, der den Vertrag überträgt, gem § 7 Abs 2 PRG die tatsächlichen Kosten der Übertragung mitzuteilen; diese Kosten dürfen nicht unangemessen sein und die tatsächlichen Kosten des Reiseveranstalters infolge der Übertragung des Pauschalreisevertrags nicht übersteigen (vgl auch Art 9 Pauschalreise-RL 2015/2302/EU).
Die Frage, ob eine Pauschalierung der Kosten im Rahmen des § 7 Abs 2 PRG jedenfalls unzulässig ist, ist in der Lehre strittig, wurde vom OGH noch nicht beantwortet und und muss auch hier nicht beantwortet werden: Auf Grundlage der Rsp ist diese Klausel nämlich als gröblich benachteiligend anzusehen, weil sie – bei kundenfeindlichster Auslegung und entgegen § 7 Abs 2 PRGkeine Einschränkung auf angemessene bzw tatsächliche Kosten vorsieht. Ob die vereinbarte Bearbeitungsgebühr im konkreten Fall angemessen ist und die tatsächlichen Kosten nicht überschreitet, ist hier nicht entscheidend.
An einer anderen Stelle der AGB wird geregelt, dass der Reisende, der den Pauschalreisevertrag überträgt, und die Person, die den Vertrag übernimmt, dem Reiseveranstalter als Gesamtschuldner für den noch ausstehenden Reisepreis und die „durch die Übertragung entstehenden zusätzlichen Gebühren, Entgelte und sonstige Kosten“ haften. Auch diese Klausel vermittelt dem Verbraucher ein unvollständiges Bild seiner Rechtslage, weil sie ihm vorenthält, dass die Bekl iZm Kosten, die ihr bei Übertragung des Pauschalreisevertrags durch den Kunden entstehen, nur angemessene Kosten verrechnen darf. Dies macht die Klausel intransparent iSd § 7 Abs 2 PRG.
-Eine weitere Klausel normiert Stornogebühren für den Fall des Rücktritts durch den Reisenden. Sie enthält weder einen Hinweis auf die gesetzlich vorgesehenen Rechte zum entgeltfreien Reiserücktritt, noch auf die an anderer Stelle abgedruckten „Standardinformationen“, in denen erst in einem von zahlreichen Unterpunkten auf diese Rechte hingewiesen wird. Dadurch wird mit der Klausel der Eindruck vermittelt, dass ein Rücktritt nur gegen Gebühr möglich sei. Die Aufklärung über die anderweitigen Rechte des Verbrauchers erfolgt deutlich weniger präsent und weder nach dem Aufbau der AGB noch inhaltlich in ausreichend deutlichem Zusammenhang mit der gegenständlichen Klausel. Damit wird die Rechtsposition des Verbrauchers unklar vermittelt.
-Durch die Formulierung einer weiteren Klausel bleibt für den Verbraucher zumindest unklar, welche Fassung der Datenschutzerklärung für ihn letztlich verbindlich zur Anwendung gelangt. Damit verstößt sie gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG.
Dass der betroffenen Person die datenschutzrechtlich relevanten Informationen zum Zeitpunkt der Datenerhebung zur Verfügung zu stellen sind – so die Revision –, ändert nichts daran, dass die Klausel den Verbraucher im Unklaren darüber lässt, ob wirklich (nur) die Datenschutzerklärung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder auch später veröffentlichte und einsehbare Fassungen davon für ihn verbindlich sein können. Der Vertragsinhalt ist für den Verbraucher insofern eben auch nicht ausreichend bestimmbar. Dass der Verweis mit dem Zeitpunkt der Unterfertigung des Vertrags „gleichsam eingefroren“ werde, ergibt sich aus der Klausel gerade nicht.
Auch kommt es nicht auf die Zulässigkeit von „Medienbrüchen“ an: Die Unzulässigkeit der Klausel ergibt sich nämlich schon daraus, dass durch die Klausel selbst unklar bleibt, welche Fassung der Datenschutzerklärung für den Verbraucher verbindlich ist. Ob diese Erklärung in einer anderen Medienart zur Verfügung gestellt wird, ist für diese Beurteilung irrelevant, weshalb die Frage von „Medienbrüchen“ hier auch nicht zu klären ist.
Ob die Klausel mit ihrem dynamischen Verweis auch als gröblich benachteiligend anzusehen ist, weil der Bekl damit ein einseitiges unbeschränktes Änderungsrecht zukommt, muss hier daher nicht näher untersucht werden.
-Mit einer weiteren Klausel behält sich der Veranstalter vor, unter bestimmten Voraussetzungen und aus bestimmten Gründen den Reisepreis zu erhöhen. Erst an späterer Stelle der AGB wird unter den „Standardinformationen“ auf die „wichtigsten Rechte nach der RL (EU) 2015/2302“ verwiesen. Dies mag zwar der allgemeinen Informationspflicht genügen, macht die Klausel aber nicht transparent. Die beanstandete Klausel ist nämlich unter Pkt 11 der AGB geregelt, während sich die umfangreichen Standard-Informationen erst in Pkt 13 der AGB finden und der Verbraucher die relevante Information erst suchen und herausfiltern müsste. Ein durchschnittlicher Verbraucher muss aber durch die Lektüre der Klausel mit der Überschrift „Preisänderung“ in der Lage sein, vollständig über die Möglichkeit des Reiseveranstalters informiert zu sein, den Preis zu ändern. Bei kundenfeindlichster Auslegung wird Verbrauchern jedoch durch die Klausel der Eindruck vermittelt, dass es eine Deckelung des Preisänderungsrechts mit 8 % gar nicht gibt.
-Gemäß § 6 Abs 2 Z 1 PRG hat das Vertragsdokument oder die Bestätigung des Vertrags den gesamten Inhalt des Vertrags wiederzugeben, einschließlich besonderen Vorgaben des Reisenden, die Vertragsinhalt geworden sind. Richtig ist, dass der Reiseveranstalter nicht (auch nicht nach § 6 Abs 2 Z 1 PRG) verpflichtet ist, besondere Vorgaben des Reisenden zu akzeptieren und damit zu vereinbaren. Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall mit einem Reisenden eine Sondervereinbarung abgeschlossen wird. Dann ist aber die Beurteilung der Vorinstanzen zutreffend, dass die vorliegende Klausel – wonach besondere Vorgaben des Reisenden nicht vereinbart und nicht Vertragsinhalt geworden sind – für den Verbraucher gröblich benachteiligend ist, weil sie einer derartigen Sondervereinbarung widerspräche.
Nach stRsp kann im Verbandsprozess weder auf die praktische Handhabung noch auf individuelle Erklärungen oder Vereinbarungen Rücksicht genommen werden. Eine Aufklärung, die über Broschüren, über die Homepage oder in Gesprächen mit den Kunden vorgenommen wird, ist eine solche Handhabung in der Praxis und ist daher bei der Prüfung der AGB im Verbandsprozess nicht zu berücksichtigen. Auf die Frage, ob die Klausel auch gegen § 6 Abs 6 PRG verstößt, muss daher nicht mehr eingegangen werden.
-Aus § 6 Abs 2 Z 5 PRG ist zwar nicht abzuleiten, dass der Reisende auf seine Rügeobliegenheit nach § 11 Abs 2 PRG unter exakter Wiedergabe des Gesetzestextes hingewiesen werden muss. Wenn sich aber die Bekl hier an den Wortlaut des § 11 Abs 2 PRG anlehnt („Der Reisende hat gemäß § 11 Abs 2 PRG dem Reiseveranstalter jede Vertragswidrigkeit, die er während der Durchführung der Pauschalreise wahrnimmt, unverzüglich mitzuteilen.“), darf sie die Rechtslage nicht unvollständig darstellen. Dies ist in dieser Klausel aber der Fall, weil dem Verbraucher die nicht unwesentliche Information vorenthalten wird, dass die Unverzüglichkeit der Rüge nach § 11 Abs 2 PRG „unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände“ zu beurteilen ist (zB der zeitlichen Einschränkungen durch das Reiseprogramm und der Erreichbarkeit des Adressaten). Dass jeder Verbraucher die Möglichkeit hat (mit oder ohne einen vom AGB-Verfasser zur Verfügung gestellten Link) in das entsprechende Gesetz Einsicht zu nehmen, macht die Klausel nicht transparent.
-Weitere Klauseln waren unzulässig, weil sie auf unzulässige Bestimmungen im AGB-Klauselwerk verweisen.

Urteilsveröffentlichung

Unter Zugrundelegung der Rsp kann den Vorinstanzen nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts der bundesweiten Tätigkeit der Bekl und der Feststellung, wonach die Bekl die Reisen gegenüber (zukünftigen, und somit notorisch zumindest zum Teil noch minderjährigen) Maturantinnen und Maturanten sowie deren Eltern bewirbt, die bundesweite Veröffentlichung in einem Printmedium für angemessen betrachtet haben (vgl auch 3 Ob 32/23m Rz 26 mwN zur Rsp iZm bundesweiten Printmedienveröffentlichungen, Zak 2023/307).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34674 vom 30.10.2023