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Verbandsklage: Gutschein-Plattform - Rücktritt und Umtausch

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

FAGG: § 11, § 18

KSchG: § 28, § 29, § 30

KSchG idF vor BGBl I 2014/33: § 5c, § 5e

1. § 5e Abs 1 KSchG idF vor BGBl I 2014/33 und nunmehr § 11 Abs 1 FAGG leg(t)en fest, dass der Verbraucher grundsätzlich von jedem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag innerhalb von 7 Tagen (KSchG) bzw 14 Tagen (FAGG) zurücktreten konnte/kann. Diese Bestimmungen enthielten/enthalten keine Ausnahmen für Fälle, in denen ein Gutschein verkauft wird.

Bei Dienstleistungen war gem § 5f Abs 1 Z 1 KSchG und ist nunmehr gem § 18 Abs 1 Z 1 FAGG zwar ein Entfall des Rücktrittsrechts unter bestimmten Voraussetzungen möglich; selbst wenn aber - wie hier - „mehrheitlich“ Gutscheine für Dienstleistungen iSd § 5f Abs 1 Z 1 KSchG bzw § 18 Abs 1 Z 1 FAGG verkauft werden, widerspricht der allgemeine Ausschluss des Rücktrittsrechts in den AGB dem Wortlaut der §§ 5e, 5f KSchG bzw § 11 Abs 1, § 18 Abs 1 Z 1 FAGG.

2. § 5c Abs 4 Z 1 und 2 KSchG idF vor BGBl I 2014/33 bzw § 18 Abs 1 Z 10 FAGG bestand/besteht bei „Hauslieferungen“ (Hauszustellung von Speisen und Getränken) und Freizeit-Dienstleistungen zwar grds kein Rücktrittsrecht. Da damit aber im Wesentlichen (nur) verhindert werden soll, dass der Unternehmer Kapazitäten vorhalten muss, die er bei einem Rücktritt möglicherweise nicht mehr anderweitig nutzen kann, sieht der OGH keine sachliche Rechtfertigung dafür, wegen des fehlenden Rücktrittsrechts auch ein Umtauschrecht hinsichtlich derartiger Gutscheine auszuschließen.

OGH 21. 12. 2015, 6 Ob 169/15v

Ausgangslage

In der vorliegenden Verbandsklage hatte sich der OGH mit den AGB einer Online-Gutscheinplattform zu befassen. Die Bekl vertreibt über ihre Plattform www.g*****.at rabattierte Gutscheine für Leistungen oder für Waren anderer Unternehmen (Partner). Herausgeber der Gutscheine und Schuldner der Leistungen oder Waren sind allein die jeweils angegebenen Partner, die diese Leistungen auf der Grundlage ihrer jeweiligen allgemeinen Geschäftsbedingungen erbringen. Die Bekl selbst schuldet nur, dass der Gutschein einen Anspruch auf die Leistungserbringung durch den Partner gewährt. Die von der Bekl verkauften Gutscheine sind entweder auf eine konkrete Leistung (Erlebnisgutschein), eine konkrete Ware (Warengutschein) oder einen bestimmten Leistungs- und/oder Warenwert (Wertgutschein) gerichtet.

Wenn das Partnerunternehmen den Gutschein aus irgendeinem Grund nicht akzeptiert, hat der Verbraucher die Möglichkeit, dies gegenüber der Bekl geltend zu machen; wenn hingegen die gelieferte Ware etwa nicht der Beschreibung entspricht oder die Dienstleistung nur mangelhaft erbracht wird, so muss der Verbraucher sich mit dem Partnerunternehmen auseinandersetzen. Vor diesem Hintergrund waren die hier inkriminierten Klauseln der Bekl in ihren AGB zu beurteilen.

Entscheidung

Nicht strittig war im Revisionsverfahren, dass die Berechtigung des Unterlassungsbegehrens sowohl an den Bestimmungen des KSchG idF vor dem FAGG als auch an jenen des FAGG zu messen sind; dazu verweist der OGH auf die Rsp zu Unterlassungsansprüchen bei einem Lauterkeitsverstoß (vgl RIS-Justiz RS0123158 [T2]), die „auch auf 'Klauselverfahren' übertragbar“ ist, bzw zur Möglichkeit eines Entfalls einer Parallelprüfung nach altem Recht (4 Ob 76/12y, ecolex 2012, 993 [Tonninger]).

AGB - ausgeschlossener Rücktritt

Eine AGB-Klausel der Bekl besagte, dass nach Einlösung des Gutscheins beim Partnerunternehmen ein Widerruf, also eine Rückgabe des Gutscheins an die Bekl gegen Erstattung des Kaufpreises, nicht mehr möglich ist.

Dazu sprach der OGH aus, dass § 5e Abs 1 KSchG und nunmehr § 11 Abs 1 FAGG festleg(t)en, dass der Verbraucher grundsätzlich von jedem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag innerhalb von 7 Tagen (KSchG) bzw 14 Tagen (FAGG) zurücktreten konnte/kann. Diese Bestimmungen enthielten/enthalten keine Ausnahmen für Fälle, in denen ein Gutschein verkauft wird, so der OGH.

Bei Dienstleistungen war gem § 5f Abs 1 Z 1 KSchG und ist nunmehr gem § 18 Abs 1 Z 1 FAGG ein Entfall des Rücktrittsrechts unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Da der Gutscheinverkauf durch die Bekl nicht stets als eine solche Dienstleistung zu qualifizieren, sondern dessen Einordnung danach vorzunehmen ist, ob das Geschäft, auf das sich der Gutschein bezieht, ein Kauf- oder Dienstleistungsvertrag ist (Dienst/Scheibenpflug, JurPC Web-Dok 147/2012 Abs 86-91), beanstandete der OGH auch das Argument des BerufungsG nicht, wonach der allgemeine Ausschluss des Rücktrittsrechts dem Wortlaut der §§ 5e, 5f KSchG bzw § 11 Abs 1, § 18 Abs 1 Z 1 FAGG widerspreche; auch die Bekl begründete den Ausschluss des Rücktritts nur damit, dass „mehrheitlich“ eine Dienstleistung iSd § 5f Abs 1 Z 1 KSchG bzw § 18 Abs 1 Z 1 FAGG vorliege.

AGB - ausgeschlossener Umtausch

Mit einer weiteren Klausel wurde zwar das Umtauschrecht bezüglich abgelaufener Gutscheine eingeräumt (vgl dazu 7 Ob 22/12d = LN Rechtsnews 13554 vom 10. 8. 2012 = RdW 2012/552), allerdings auch ein Umtausch für Gutscheine ausgeschlossen, die „vom Widerruf ausgeschlossen“ sind; damit wurde ein Umtausch nicht nur für Gutscheine nach deren Einlösung beim Partnerunternehmen ausgeschlossen (so), sondern auch für Gutscheine für „Hauslieferungen“ (Zustellung von Speisen und Getränken) und Freizeit-Dienstleistungen.

Auch wenn nach § 5c Abs 4 Z 1 und 2 KSchG bzw § 18 Abs 1 Z 10 FAGG bei Hauslieferungen und Freizeit-Dienstleistungen kein Rücktrittsrecht bestand/besteht („sofern jeweils für die Vertragserfüllung durch den Unternehmer ein bestimmter Zeitpunkt oder Zeitraum vertraglich vorgesehen ist“; Anm d Red), gab/gibt es nach Ansicht des OGH aber keine sachliche Rechtfertigung dafür, deshalb auch ein Umtauschrecht hinsichtlich derartiger Gutscheine auszuschließen:

Der Ausschluss des Rücktrittsrechts gründet sich nach dem Erwägungsgrund 49 der Verbraucherrechte-RL 2011/83/EU darauf, dass der Unternehmer bei Freizeit-Dienstleistungen und Hauslieferungen gewisse Kapazitäten vorhalten müsse, die er bei einem Rücktritt möglicherweise nicht mehr anderweitig nutzen könnte (vgl Schwarzenegger in Schwimann/Kodek, ABGB Bd 5a [2015] § 18 FAGG Rz 10). Erwirbt der Verbraucher jedoch einen Gutschein bei der Bekl etwa für eine Theatervorstellung (Freizeit-Dienstleistung; vgl Hammerl in Kosesnik-Wehrle, KSchG und FAGG [2015] § 18 FAGG Rz 28; Schwarzenegger aaO) und löst er diesen nicht ein, tritt im Ergebnis jene Situation ein, die nach der Entscheidung 7 Ob 22/12d verhindert werden soll: Die Bekl erhält das volle Entgelt für den Gutschein, dieser verfällt unter Umständen bereits nach kurzer Zeit, und der Verbraucher erhält keinen Ersatz dafür (auch nicht in Form eines Umtauschs).

Urteilsveröffentlichung

Die angeordnete Veröffentlichung in der Samstagsausgabe der „Kronen Zeitung“ und auf der Homepage der Bekl hält der OGH nicht für überschießend:

Eine Aufklärung des Publikums kann durch die Urteilsveröffentlichung wohl gerade auf der Homepage des bekl Unternehmens am besten erreicht werden. Auch die Veröffentlichung in der „Samstags-Krone“ entspricht stRsp. Dass die Bekl gewissermaßen „nur in der Online-Welt aktiv ist“, schließt nicht zwingend ein Bedürfnis nach einer allgemeinen Aufklärung des Publikums mithilfe einer Tageszeitung aus.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21155 vom 22.02.2016