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Verbraucherschutz: Alternative Streitbeilegung - BGBl

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten erlassen wird und das Konsumentenschutzgesetz, das Gebührengesetz 1957 und das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz geändert werden

BGBl I 2015/105, ausgegeben am 13. 8. 2015

Zur unverändert übernommenen RV siehe LN Rechtsnews 19694 vom 18. 6. 2015.

Umsetzung von EU-Recht

Die Regelungsinhalte der RL 2013/11/EU über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten werden durch die Schaffung des BG über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (Alternatives Streitbeilegungsgesetz - AStG) mit wenigen Ausnahmen in einer übersichtlichen Kodifikation umgesetzt. Die Ausnahmen beziehen sich auf systematisch sinnhafterweise im KSchG, GebG, VBKG anzusiedelnde Regelungen. Zugleich wird die VO (EU) 524/2013 über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten durchgeführt.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs

Anwendungsbereich

Das AStG regelt das Verfahren zur alternativen Beilegung von Streitigkeiten über Verpflichtungen aus einem entgeltlichen Vertrag zwischen einem in Österreich niedergelassenen Unternehmer und einem in Österreich oder in einem sonstigen EWR-Vertragsstaat wohnhaften Verbraucher (§ 1 KSchG) (tlw neu formuliert gegenüber dem ME).

Das AStG gilt nicht für

1.Streitigkeiten über Gesundheitsdienstleistungen, die von Angehörigen der Gesundheitsberufe gegenüber Patienten erbracht werden, um deren Gesundheitszustand zu beurteilen, zu erhalten oder wiederherzustellen, einschließlich der Verschreibung, Abgabe und Bereitstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten,
2.Streitigkeiten mit öffentlichen Anbietern von Weiter- oder Hochschulbildung,
3.nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und
4.Kaufverträge über unbewegliche Sachen.

Stellen zur alternativen Streitbeilegung

Stellen zur alternativen Streitbeilegung iSd AStG sind im Rahmen ihrer Zuständigkeit gem § 4 Abs 1 AStG

1.die Schlichtungsstelle der Energie-Control Austria,
2.die Telekom-Schlichtungsstelle der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH,
3.die Post-Schlichtungsstelle der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH,
4.die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte,
5.die Gemeinsame Schlichtungsstelle der Österreichischen Kreditwirtschaft,
6.der Internet Ombudsmann,
7.die Ombudsstelle Fertighaus und
8.die Schlichtung für Verbrauchergeschäfte (Auffangschlichtungsstelle für alle anderen Streitigkeiten).

Diese AS-Stellen haben das AS-Stellen-Zeichen zu führen, das aus dem Bundeswappen und der Wortfolge „Staatlich anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle“ besteht; es ist in der Anlage 1 festgelegt. Wer ein AS-Stellen-Zeichen führt, ohne dazu berechtigt zu sein, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3.000 € zu bestrafen.

Jede AS-Stelle hat Regeln festzulegen, nach denen Verfahren bei ihr zu führen sind. Diese Verfahrensregeln können ua einen „geringfügigen Beitrag“ zu den Verfahrenskosten vorsehen oder Konsequenzen für den Fall, dass eine Partei die Inhalte des Schlichtungsverfahrens an die Öffentlichkeit bringt oder eine mediale Berichterstattung darüber erwirkt.

Verfahren

Das Verfahren wird mit dem Einlangen der Beschwerde des Verbrauchers bei der (zuständigen) AS-Stelle eingeleitet. Gesetzlich oder durch Verfahrensregeln kann vorgesehen werden, dass die Behandlung einer Beschwerde abgelehnt wird, wenn der Verbraucher in der Beschwerde nicht glaubhaft macht, dass er eine Einigung mit dem Unternehmer versucht hat; dieser Versuch kann allerdings grds binnen einer von der AS-Stelle gesetzten angemessenen Frist nachweislich nachgeholt werden. In § 6 Abs 6 AStG sind weitere Ablehnungsgründe angeführt, die gesetzlich oder durch Verfahrensregeln vorgesehen werden können.

Die Teilnahme am Verfahren ist freiwillig. Die Parteien können von diesem in jedem Stadium Abstand nehmen. Über diese Möglichkeit sind die Parteien vor Durchführung des Verfahrens zu informieren. Für Unternehmer gilt dies nur, sofern nicht vertraglich oder gesetzlich etwas anderes vorgesehen ist.

Eine Vertretung oder Unterstützung der Parteien durch Rechtsanwälte oder Dritte ist in jedem Verfahrensstadium zulässig, aber nicht verpflichtend. Über diese Möglichkeit sind die Parteien vor Durchführung des Verfahrens zu informieren.

Zur Vertretung der Parteien sind auch Funktionäre und AN eines Verbandes gem § 29 Abs 1 KSchG sowie Interessenvertreter iSd § 37 Abs 3 Z 9 MRG berechtigt; die Funktionäre und AN bedürfen hiefür einer Befugnis des jeweiligen Verbandes.

Die Teilnahme am Verfahren ist für die Parteien kostenlos, sofern nicht gesetzlich oder in den jeweiligen Verfahrensregeln im Einklang mit § 6 Abs 5 AstG etwas anderes vorgesehen ist. Die Verfahrensregeln der jeweiligen AS-Stelle können nämlich vorsehen, dass Verbraucher bei Einleitung eines Verfahrens einen geringfügigen Beitrag zu den Verfahrenskosten zu leisten haben. Nach den EB zur RV ist „geringfügige Beiträge“ iSd Terminus „Schutzgebühr“ wie in der ADR-RL zu verstehen.

Die AS-Stelle hat die Parteien zu benachrichtigen, sobald ihr erstmals alle erforderlichen Informationen und Unterlagen zur Beschwerde vorliegen. Die Parteien sind berechtigt, innerhalb angemessener, von der AS-Stelle festzusetzender Frist zu Vorbringen der Gegenparteien sowie zu Befunden und Gutachten von Sachverständigen und zu anderen Beweisergebnissen Stellung zu nehmen.

Das Ergebnis des Verfahrens ist den Parteien binnen 90 Tagen nach Eingang der vollständigen Beschwerde schriftlich oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger unter Darlegung der Gründe mitzuteilen. Bei hochkomplexen Streitigkeiten kann die AS-Stelle die 90-tägige Frist verlängern. Darüber sind die Parteien zu informieren.

Das Verfahren ist nicht öffentlich. Sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, sind sie, die Schlichter und Mitarbeiter der Schlichtungsstelle zur Verschwiegenheit über alle Tatsachen verpflichtet, die ihnen im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens anvertraut oder sonst bekannt werden. Sie haben die im Rahmen des Schlichtungsverfahrens erstellten oder ihnen übergebenen Unterlagen vertraulich zu behandeln. Die Verfahrensregeln der jeweiligen AS-Stelle können diesbezüglich auch Konsequenzen vorsehen, wenn die Parteien und deren Vertreter während eines anhängigen Verfahrens oder danach die Streitsache oder die Inhalte des Schlichtungsverfahrens an die Öffentlichkeit bringen oder eine mediale Berichterstattung darüber erwirken.

Wird eine Lösung des Streitfalls auf andere Weise nicht erreicht, so kann der (mind auf drei Jahre zu bestellende) Schlichter den Parteien einen konkreten Vorschlag zu dessen Beilegung unterbreiten. Der Lösungsvorschlag hat sich im Rahmen der Gesetze zu bewegen. Den Parteien steht es frei, diesem Lösungsvorschlag zuzustimmen, wofür ihnen eine angemessene Überlegungsfrist einzuräumen ist.

Das Einbringen einer Beschwerde und die gehörige Fortsetzung eines Verfahrens vor einer zuständigen AS-Stelle hemmen Anfang und Fortlauf der Verjährung sowie sonstiger Fristen zur Geltendmachung der vom Verfahren betroffenen Rechte und Ansprüche.

Informationspflichten der Unternehmer

Das Gesetz enthält zudem ua Regelungen betr die Kooperation und den Informationsaustausch von AS-Stellen sowie die Informationsverpflichtungen für Unternehmer:

Ein Unternehmer hat die Verbraucher über die AS-Stelle oder die AS-Stellen in Kenntnis zu setzen, von der oder denen er erfasst wird, sofern er sich verpflichtet oder verpflichtet ist, diese Stellen zur Beilegung von Streitigkeiten mit Verbrauchern einzuschalten. Diese Information hat Angaben zur Website-Adresse der betreffenden AS-Stelle zu enthalten und ist vom Unternehmer - sofern vorhanden - auf seiner Website und gegebenenfalls in den AGB in klarer, verständlicher und leicht zugänglicher Weise anzuführen.

Können der Unternehmer und der Verbraucher in einer Streitigkeit keine Einigung erzielen, so hat der Unternehmer den Verbraucher auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger auf die für ihn zuständige AS-Stelle oder zuständigen AS-Stellen hinzuweisen und zugleich anzugeben, ob er an einem Verfahren teilnehmen wird.

Grenzübergreifende Streitigkeiten

Die VO (EU) 524/2013 über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (ODR-Verordnung) verpflichtet die Europäische Kommission zur Einrichtung einer Europäischen Plattform für Online-Streitbeilegung („OS-Plattform“), durch die insb im grenzüberschreitenden E-Commerce eine elektronisch basierte Streitbeilegung ermöglicht werden soll. Als Online-Streitbeilegungskontaktstelle („OS-Kontaktstelle“), die Verbrauchern bei grenzübergreifenden Streitigkeiten Unterstützung bietet, wird mit dem AStG das Europäische Verbraucherzentrum Österreich benannt; es soll die Verbraucher auch dabei unterstützen, die zuständige AS-Stelle ausfindig zu machen.

Nach Art 14 Abs 1 und 2 der ODR-Verordnung treffen Unternehmer, die im E-Commerce tätig sind, gewisse Informationspflichten die OS-Plattform betreffend. Verstößen gegen diese Verpflichtungen kann mit Unterlassungsklage nach § 28a KSchG begegnet werden.

Inkrafttreten

Die wesentlichen Regelungen des AStG, nämlich die §§ 5 bis 19, 21 bis 23 und 25 bis 30 AStG, sind erst mit 9. 1. 2016 anzuwenden; auch die Novellen von KSchG, GebG und VBKG treten mit 9. 1. 2016 in Kraft.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20049 vom 13.08.2015