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Verdeckte Ausschüttungen: Kein Primat der KESt-Direktvorschreibung

Bearbeiter: Sabine Sadlo

EStG § 95 Abs 4 Z 1

Bei Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung (hier: nach Überzeugung der Abgabenbehörde sind die bei einer Außenprüfung festgestellten Mehrgewinne der GmbH, die in ihrem Betriebsvermögen keinen Niederschlag gefunden haben, an den Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer geflossen) sind die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Direktvorschreibung der KESt an den Empfänger der Kapitalerträge gegeben, dh aber nicht, dass die KESt zwingend vorrangig dem Gesellschafter vorzuschreiben ist. Es liegt vielmehr im Ermessen der Abgabenbehörde, ob die Haftung gegenüber der gewinnausschüttenden Körperschaft geltend gemacht wird oder eine Vorschreibung an den empfangenden Anteilsinhaber erfolgt.

VwGH 28. 5. 2015, Ro 2014/15/0046

Sachverhalt

Bei einer GmbH (= Mitbeteiligte) wurden im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung Mängel der Kassabuchführung festgestellt und Bruttoumsatzzurechnungen vorgenommen. Das Finanzamt ging davon aus, dass diese im Wege von Sicherheitszuschlägen festgestellten Mehrgewinne („Schwarzgeschäfte“) dem Gesellschafter-Geschäftsführer (10 %) aus dem Vermögen der Gesellschaft zugewendet worden seien (das Verhalten des Geschäftsführers sei der Mitbeteiligten grundsätzlich zuzurechnen), und zog die GmbH zur Haftung für Kapitalertragsteuer (KESt) heran.

Abweichend dazu vertrat das BFG die Ansicht, dass nicht schon die Zuwendung der Vorteile aus den Mehrgewinnen an den Gesellschafter und Geschäftsführer, sondern erst der Verzicht auf eine Rückforderung als verdeckte Ausschüttung zu werten sei.

Vom VwGH hatte daher im Zuge der Amtsrevision zu prüfen, ob das Finanzamt die mitbeteiligte GmbH nach § 95 Abs 2 und Abs 3 EStG zur Haftung für die aus den verdeckten Ausschüttungen resultierende KESt heranziehen durfte oder nicht.

Keine Nachrangigkeit der Haftung der ausschüttenden GmbH

Im Geltungsbereich des EStG 1972 war es nach Lehre und Rechtsprechung unbestritten, dass es im Auswahlermessen der Abgabenbehörde lag, ob dem Abzugsverpflichteten oder dem Steuerschuldner (Empfänger der Ausschüttung) die KESt vorgeschrieben wird. Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum EStG 1988 geht klar die Absicht des Gesetzgebers hervor, die Rechtslage in Bezug auf die Erhebung der KESt grundsätzlich nicht zu verändern.

Sowohl für das EStG 1972 als auch für das EStG 1988 gilt, dass die KESt grundsätzlich vom Schuldner der Kapitalerträge abzuführen ist. Nur ausnahmsweise wird der Empfänger der Kapitalerträge in Anspruch genommen. Sind die Voraussetzungen des § 95 Abs 5 (nunmehr Abs 4) EStG erfüllt, liegt es im Ermessen der Abgabenbehörde, ob die Haftung beim Schuldner der Kapitalerträge geltend gemacht wird oder der Steuerschuldner unmittelbar in Anspruch genommen wird. Dabei wird es vor allem dann zu einer Vorschreibung an den Steuerschuldner kommen, wenn es der abzugspflichtigen Gesellschaft trotz sorgfältiger Prüfung nicht erkennbar war, dass eine steuerpflichtige Ausschüttung vorliegt (Anm d Red: weiters kann wohl bei der Ermessensübung für die Direktvorschreibung etwa auf den Umstand Bedacht genommen werden, dass die Haftungsinanspruchnahme erfolglos geblieben ist).

§ 95 Abs 5 (nunmehr Abs 4) EStG in der für die Streitjahre (2006 bis 2009) geltenden Fassung regelt die Fälle der direkten Inanspruchnahme des Steuerschuldners (Empfänger der Kapitalerträge) für die KESt. Bei Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung sind die Voraussetzungen des § 95 Abs 5 (nunmehr Abs 4) EStG gegeben (vgl VwGH 29. 3. 2012, 2008/15/0170, und VwGH 31. 5. 2011, 2008/15/0153). Solcherart liegt es im Ermessen, ob die Haftung gegenüber der gewinnausschüttenden Körperschaft geltend gemacht wird oder eine Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge erfolgt.

Abgabenrechtliche Haftungen setzen nach stRsp den Bestand einer Abgabenschuld voraus, nicht aber, dass diese Schuld dem Abgabenschuldner gegenüber bereits geltend gemacht wurde. Es stößt daher grundsätzlich auf keine Bedenken, die ausschüttende GmbH zur Haftung für die KESt aus verdeckten Ausschüttungen heranzuziehen. (Erkenntnis aufgehoben)

Anmerkung:

Die bisherige Entscheidungslinie des BFG zur Frage der Direktvorschreibung der KESt an den Gesellschafter war nicht einhellig:

1.zuletzt wurde die Zulässigkeit der primären Inanspruchnahme der ausschüttenden Körperschaft im Haftungsweg bestätigt,
2.zuvor allerdings die primäre Inanspruchnahme des Anteilseigners gefordert.

Anlässlich der BFG-Rsp zu 2. hat das BMF - in Abkehr von der langjährigen Verwaltungspraxis - vorerst ebenfalls den Weg eingeschlagen, dass bei verdeckten Ausschüttungen die KESt zwingend vorrangig dem Empfänger der Kapitalerträge vorzuschreiben ist und sich daher eine Ermessensprüfung für dessen unmittelbare Inanspruchnahme erübrigt (zur BMF-Info vom 30. 3. 2015, BMF-010200/0015-VI/1/2015, LN Rechtsnews 19225 vom 31. 3. 2015, siehe auch Renner in ÖStZ 2015/333).

Eben dieser Judikaturentwicklung hat sich jedoch der VwGH im vorliegenden Fall nicht angeschlossen, sondern die finanzamtliche Vorgehensweise bei „Altfällen“, in denen die KESt überwiegend nicht dem Eigenschuldner, sondern ausschließlich der ausschüttenden Körperschaft per Haftungsbescheid vorgeschrieben wurde, als zulässig beurteilt.

Eine legistische Lösung in diese Richtung wird künftig das Steuerreformgesetz 2015/2016 bringen: Mit einer Änderung des § 95 Abs 4 Z 1 EStG soll die Direktvorschreibung nicht mehr in das Ermessen der Abgabenbehörde gelegt werden. Die gesetzliche Verankerung von Voraussetzungen für die subsidiär vorzunehmende Direktvorschreibung beim Empfänger der Kapitalerträge (= nicht durchsetzbare bzw nur erschwert durchsetzbare Haftung) soll - wie in der Vergangenheit - wieder dazu führen, dass primär der Abzugsverpflichtete mittels Haftung in Anspruch zu nehmen ist. (Sabine Sadlo)

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19795 vom 02.07.2015