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Vereinbarung betr Übertragung von Zolldokumenten

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

ABGB § 879

VO (EG) 1301/2006: Art 1, Art 2, Art 5, Art 6

Die VO (EG) 1301/2006 enthält gemeinsame Regeln für die Verwaltung von Einfuhrzollkontingenten für landwirtschaftliche Erzeugnisse im Rahmen einer Einfuhrlizenzregelung. Voraussetzung für das Erlangen von Einfuhrlizenzen für eine zollbegünstigte Einfuhr ist, dass in den beiden vorangehenden Jahren bereits bestimmte Mengen (Referenzmengen) an bestimmten Erzeugnissen (hier: Geflügel) importiert wurden. Kann ein Importeur diese Referenzmenge nicht nachweisen und vereinbart er daher mit einem anderen Importeur, dass dieser seine Zolldokumenten überträgt und zugleich auf einen eigenen Antrag auf die Erteilung von Einfuhrlizenzen (im Umfang dieses Kontingents) verzichtet, so ist diese Vereinbarung nicht nichtig. Es liegt weder ein rechtsmissbräuchliches Geschäft zu dem Zweck vor, aus dem Unionsrecht Vorteile zu ziehen, noch erfordert der Zweck der Verordnung eine Nichtigkeitssanktion.

OGH 30. 7. 2015, 10 Ob 70/14p

Entscheidung

Zwar verlangt Art 6 VO (EG) 1301/2006 als Nachweis für den Handel mit Drittländern Zolldokumente, aus denen hervorgeht, dass der Antragsteller der Empfänger ist. Unabhängig davon ist es - so der OGH - die offenbar gängige Praxis der mit der Vergabe von Einfuhrlizenzen beauftragten Behörden, auch Zolldokumente als Nachweis zu akzeptieren, die andere Personen als den Antragsteller als Empfänger ausweisen, sofern diese auf einen eigenen Antrag auf Erteilung von Einfuhrlizenzen (im Umfang dieses Kontingents) verzichten. Auch wenn diese Vorgangsweise mit der VO (EG) 1301/2006 nicht in Einklang stehen sollte, läge dann eine Verletzung der europarechtlichen Normen in der Erteilung der Lizenz, nicht aber in der Übertragung der Zolldokumente von einem Importeur auf einen anderen. Gegen Art 3 VO (EG) 1301/2006 verstößt die Vorlage derartiger Zolldokumente nicht, weil es sich nicht um falsche Angaben gegenüber der lizenzausstellenden Behörde handelt, so der OGH.

Durch die Vereinbarung der Übertragung von Zolldokumenten zugleich mit der Verpflichtung, auf eine eigene Antragstellung zu verzichten, wird daher nach Ansicht des OGH weder ein der VO widersprechender Status des Antragstellers geschaffen, noch eine Täuschung der die Lizenz ausstellenden Behörde bezweckt, die eigenständig aufgrund der ihr gegenüber gemachten (richtigen) Angaben die Voraussetzungen für die Vergabe der Lizenzen zu prüfen hat. Ein rechtsmissbräuchliches Geschäft zum Zweck, aus dem Unionsrecht Vorteile zu ziehen, liegt daher nicht vor.

Auch der Zweck der VO erfordert nach Auffassung des OGH keine Nichtigkeitssanktion. Gemäß Erwägungsgrund 6 der VO (EG) 616/2007 ist „einerseits dem Versorgungsbedarf des Gemeinschaftsmarkts und dem Erfordernis der Erhaltung des Gleichgewichts auf dem Gemeinschaftsmarkt Rechnung zu tragen und andererseits jegliche Diskriminierung zwischen den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern zu verhindern“. Eine darüber hinausgehende Zielsetzung einer breiten Streuung der Importeure, gegen die gerade die Erhöhung der Mindestimportmenge sprechen würde, ergibt sich daraus nicht, so der OGH. Von einer Nichtigkeit der Vereinbarung ist daher nicht auszugehen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20359 vom 08.10.2015