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Verfall einer Sache nach StPO - Rechtsschutz für Gläubiger?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

StPO: § 64, § 444

Die Formulierung in § 64 Abs 1 StPO ist allgemein gehalten und beantwortet für sich allein die Frage nicht, welche Rechtsstellung die Personen haben müssen, die vom Verfall einer Sache „bedroht“ sind („Haftungsbeteiligte“). Die nähere Konkretisierung bzw Beschränkung des nach dem klaren Willen des Gesetzgebers erfassten Personenkreises ergibt sich aus § 444 Abs 2 StPO, wonach „Haftungsbeteiligte“ unter bestimmten Umständen die Möglichkeit haben, ihre Ansprüche „auf den Gegenstand“ (oder dessen Erlös) gegen den Bund im Zivilrechtsweg geltend zu machen. Daraus ist zu schließen, dass die Personen geschützt werden sollen, die entweder ein dingliches Recht an der (für verfallen erklärten) Sache haben oder denen obligatorische Rechte auf die Sache zustehen.

Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, jeden (Geld-)Gläubiger des Angeklagten als „Haftungsbeteiligten“ in den Schutz der einschlägigen prozessrechtlichen Normen aufzunehmen, hätte er zweifellos eine andere Formulierung als die in § 444 Abs 2 StPO verwendet. Dies wird auch durch die Gesetzesgeschichte bestätigt.

OGH 18. 6. 2015, 1 Ob 69/15a

Sachverhalt

Ein späterer Klient des Kl wurde im Jahr 1998 von einem US-amerikanischen Gericht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei zugleich ausgesprochen wurde, dass Vermögenswerte des Verurteilten im Ausmaß von 100.000.000 US-Dollar an den Staat fallen sollen. Auf dieser Grundlage wurde eine Verfallsanordnung betr das Vermögen des Klienten auf einem Wertpapierdepot bei einer österreichischen Bank erlassen, die im Juni 2004 in Rechtskraft erwuchs. Das LG für Strafsachen Wien, das die genannten Vermögenswerte mit einstweiliger Verfügung gesichert hatte, sprach mit Beschluss vom 4. 6. 2008 aus, dass die Vollstreckung der US-amerikanischen Verfallsanordnung übernommen werde und die Vermögenswerte der Republik Österreich zufielen. Gegen diesen Beschluss erhob der Kl namens des Klienten Beschwerden, denen nicht Folge gegeben wurde.

Nachdem das Mandatsverhältnis beendet worden war, machte der Kl seine Honoraransprüche bei Gericht geltend, worauf ihm rechtskräftig mehr als 690.000 € samt Zinsen sowie rund 10.000 € an Kosten zugesprochen wurden.

Er erhob nun gegen die Republik Österreich (Bekl) eine (Teil-)Forderung iHv 35.000 € samt Zinsen geltend und brachte dazu im Wesentlichen vor, er sei als Haftungsbeteiligter iSd § 64 Abs 1 StPO zu qualifizieren und gem § 444 Abs 2 StPO berechtigt, seine Rechte an dem für verfallen erklärten Vermögen seines ehemaligen Klienten im Zivilrechtsweg geltend zu machen.

Die Bekl wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass der Kl mit der Erbringung anwaltlicher Leistungen zwar Honoraransprüche gegen seinen Mandaten erworben habe, nicht aber Rechte an bestimmten Vermögenswerten, nicht einmal das Recht, aus bestimmten Vermögenswerten befriedigt zu werden.

Die Klage wurde in allen drei Instanzen abgewiesen.

Entscheidung

Entgegen dem Revisionswerber vertritt der OGH die Auffassung, dass die dargestellten strafprozessrechtlichen Normen weder mit dem verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsschutz kollidieren noch von einem bedenklichen Eingriff in fremde Forderungsrechte ausgegangen werden kann, sodass sich besondere Fragen einer verfassungskonformen Auslegung nicht stellen.

In diesem Zusammenhang hält der OGH in seiner Begründung ua fest: „Wer sich darauf einlässt, gegenüber einem Vertragspartner ungesicherte Forderungen zu begründen, muss eben damit rechnen, dass sich sein Vermögen bis zur Fälligkeit bzw bis zur Möglichkeit der Zwangsvollstreckung auf verschiedenste Weise verringert, wobei dies auch durch gesetzmäßige staatliche Eingriffe erfolgen kann.“

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20125 vom 31.08.2015