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Verlinkung auf Web-Radio mit Umgehen der Preroll-Werbung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

UrhG § 76a

Die Verlinkung auf das Programm eines Web-Radios macht den verlinkten Inhalt für ein neues Publikum zugänglich und verletzt das ausschließliche Senderecht des Web-Radio-Anbieters nach § 76a UrhG (Recht der öffentlichen Wiedergabe), wenn dadurch Bedingungen umgangen werden, die bei einem Zugriff über die Website des Rechteinhabers zu erfüllen wären (bzw bei einem Zugriff über von ihm zur Verfügung gestellte Apps). Ob es sich bei diesen umgangenen Bedingungen um die Zahlung eines Entgelts oder das Abwarten einer Preroll-Werbung handelt, ist gleichgültig.

OGH 23. 2. 2016, 4 Ob 249/15v

Sachverhalt

Die Kl betreibt ein österreichisches Privatradio, das sie terrestrisch ausstrahlt und im Internet im Weg des Streaming abrufbar macht. Dort bietet sie zudem weitere Programme („channels“) mit unterschiedlichen Inhalten an. Bei Zugang zu den Programmen über die Startseite der Kl oder über „Apps“, die von ihr zur Verfügung gestellt werden, erscheint vor Beginn des jeweiligen Streams ein Werbespot („Preroll-Werbung“), mit dem die Kl Einnahmen erzielt.

Die Bekl stellt auf einer Internetplattform eine Vielzahl von Links zu frei zugänglichen Streams von Digitalradioanbietern zur Verfügung. Diese Links zielen direkt auf den jeweiligen Stream, wodurch für den Nutzer die Preroll-Werbung der Kl nicht sichtbar wird. Nach Anklicken eines Links, aber vor Hörbarwerden des gewählten Programms, schaltet die Bekl ebenfalls einen Werbespot, mit dem sie selbst Einnahmen erzielt. Das geschieht auch beim Anklicken von Links, die zu den Angeboten der Kl führen. Die Kl hat dieser Verlinkung ausdrücklich widersprochen und Unterlassungsklage erhoben.

Der OGH untersagt der Bekl, Radioprogramme der Kl über Links abrufbar zu machen, wenn dadurch eine von der Kl geschaltete Preroll-Werbung umgangen wird.

Entscheidung

In seinen Entscheidungsgründen bejaht der OGH zunächst die strittige Frage, ob auch der Betreiber eines Webradios als Rundfunkunternehmer iSv § 76a Abs 1 UrhG anzusehen ist und das in dieser Bestimmung geregelte Senderecht auch das drahtgebundene Senden über Kabelnetze oder das Internet erfasst.

In einem zweiten Schritt bejaht er weiters, dass auch das Verlinken als „Senden“ iSd § 76a Abs 1 UrhG zu verstehen ist.

Webradio

Zunächst stellt der OGH klar, dass § 76a Abs 1 UrhG nicht nur das drahtlose, sondern auch das drahtgebundene Weitersenden (Kabelweitersendung) der Programme eines Webradios erfasst: Auch wenn § 76a Abs 1 UrhG als ausschließliches Recht des Sendeunternehmers normiert, die Sendung gleichzeitig „über eine andere Sendeanlage“ zu senden, erfasse diese Regelung grundsätzlich auch das Weitersenden über kabelgebundene Anlagen; ein Grund für eine Unterscheidung zwischen diesen zwei wirtschaftlich gleichwertigen Nutzungsformen sei nicht erkennbar.

Verlinken

Im zweiten Schritt prüft der OGH die Qualifizierung des Verlinkens als „Senden“ iSv § 76a UrhG, das aufgrund der konkreten Gestaltung der Website der Klägerin in ihre ausschließlichen Rechte gem § 76a UrhG eingreift:

In Bezug auf die Zulässigkeit der Verlinkung sei das Weitersenden einer laufenden Sendung gleich zu behandeln wie das Zurverfügungstellen einer Aufzeichnung davon, so der OGH. Beide Nutzungsarten habe der Gesetzgeber in § 76a Abs 1 UrhG dem Sendeunternehmer vorbehalten; dass er diese Rechte unterschiedlich ausgestalten wollte, sei nicht erkennbar.

Weiters erinnert der OGH daran, dass das in § 76a Abs 1 UrhG vorgesehene Recht des öffentlichen Zurverfügungstellens einer Aufzeichnung auf Art 3 Abs 2 lit d InfoRL beruht und das Verlinken nach Ansicht des EuGH im urheberrechtlichen Zusammenhang grundsätzlich ein Akt der Wiedergabe ist (vgl dazu die E C-466/12, Svensson, LN Rechtsnews 16738 vom 14. 2. 2014 = RdW 2014/140). Eine öffentliche Wiedergabe iSv Art 3 Abs 1 InfoRL liegt nach der Rsp des EuGH jedoch nur vor, wenn das Werk dadurch einem „neuen Publikum“ zugänglich gemacht wird, was nicht zutrifft, wenn die Verlinkung zu einem Werk erfolgt, das auf einer anderen Website frei zugänglich ist. Nicht frei zugänglich ist das Werk nach der EuGH-Rsp dann, wenn es auf der verlinkten Website überhaupt nicht mehr oder nur für einen beschränkten Benutzerkreis (zB Abonnenten) zur Verfügung steht; aus solchen Zugangsbeschränkungen sei zu schließen, dass der Urheber das Werk nicht für alle Internetnutzer zugänglich machen will.

Dass im vorliegende Fall eine - dem kl Sendeunternehmen vorbehaltene - öffentliche Wiedergabe in diesem Sinn vorliegt, weil das Werk auf der verlinkten Website der Kl „nicht frei zugänglich“ ist, begründet der OGH (anders als das BerufungsG, der BGH in einem obiter dictum und Teile des Schrifttums) im Wesentlichen damit, dass der EuGH - mit dem Hinweis auf „beschränkende Maßnahmen“ - auf die faktische Zugänglichkeit der Inhalte abstelle (C-466/12, Svensson, Rz 30).

Nach Ansicht des OGH führte ein bloßes „Verlinkungsverbot“ des Sendeunternehmens noch nicht zur Unzulässigkeit der Verlinkung, die konkrete Ausgestaltung der Website der Kl und ihrer Zugangssoftware („Apps“) erfüllte aber hier im Ergebnis die Vorgaben des EuGH: Die Streams sind nämlich erst nach Abspielen der von der Kl geschalteten Preroll-Werbung zugänglich, während der unmittelbare Zugriff auf die Streams dort faktisch nicht möglich ist. Diese Gestaltung hält der OGH dem vom EuGH ausdrücklich genannten Fall gleich, dass der Zugriff „Abonnenten“ vorbehalten ist (C-466/12, Svensson, Rz 31). Denn in beiden Fällen gehe es um die Finanzierung des Sendeunternehmens: In einem Fall durch ein von den Nutzern gezahltes Entgelt, im anderen durch Einnahmen aufgrund einer Werbung, die unmittelbar mit dem Aufruf der geschützten Inhalte verbunden ist und vom Nutzer beim Zugriff über die Website nicht umgangen werden kann. Beiden Fällen sei gemeinsam, dass der Zugriff auf die Inhalte aufgrund der Gestaltung der Website von Bedingungen abhängt, die der Nutzer zuvor im wirtschaftlichen Interesse des Betreibers erfüllen muss: Er muss entweder zahlen oder die Werbung ertragen. Ein Grund, zwischen diesen Gestaltungen der wirtschaftlichen Verwertung eigener Leistungen zu unterscheiden, ist für den OGH im gegebenen Zusammenhang nicht erkennbar.

Der OGH verwirft weiters den Einwand, dass Nutzer auch ohne den von der Bekl zur Verfügung gestellten Link unmittelbar - also ebenfalls ohne vorgeschaltete Preroll-Werbung - auf die Streams der Kl zugreifen können, wenn sie die richtige URL in die Adresszeile des Browsers eingeben: Auch wenn die Streams der Kl auch ohne Verwendung der Links der Bekl erreicht werden könnten, sei daraus noch nicht abzuleiten, dass die Verlinkung diese Streams keinem „neuen Publikum“ zugänglich macht und daher nicht in das Senderecht der Kl eingreift. Denn legte man die Entscheidungen des EuGH in diesem Sinn aus, wäre jede (erfolgreiche) Verlinkung zulässig, weil das Anklicken eines Links immer durch die Eingabe der Adresse in der Adresszeile des Browsers ersetzt werden könnte. Hätte der EuGH dieses Ergebnis gewollt, hätte er seine Entscheidungen zweifellos in diesem Sinn formuliert.

Ergebnis

Im Ergebnis hält der OGH daher fest, dass „die Verlinkung auf das Programm eines Web-Radios dann zur Zugänglichkeit des verlinkten Inhalts für ein neues Publikum führt und daher unter das Senderecht nach § 76a UrhG fällt, wenn dadurch Bedingungen - etwa die Zahlung eines Entgelts oder das Abwarten einer vom Rechteinhaber geschalteten Preroll-Werbung - umgangen werden, die bei einem Zugriff über die Website des Rechteinhabers oder über von ihm zur Verfügung gestellte Zugangssoftware (Apps) zu erfüllen wären. Dass diese Inhalte theoretisch auch ohne die Verwendung des Links unter Umgehung dieser Bedingungen erreicht werden könnten, reicht für sich allein nicht aus, um die Zulässigkeit der Verlinkung zu begründen.“

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21358 vom 30.03.2016