News

Veröffentlichung des Lichtbilds einer erkennbar schwer kranken Person

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

UrhG § 78

Die Veröffentlichung des Lichtbilds einer erkennbar schwer kranken Person berührt deren höchstpersönlichen Lebensbereich, zu dem jedenfalls die Gesundheit, das Sexualleben und das Leben in und mit der Familie gehören. Dieser auch als Intimsphäre bezeichnete Bereich ist sogar bei Politikern und anderen allgemein bekannten Personen zu respektieren, er ist grundsätzlich jeder Erörterung in der Öffentlichkeit entzogen. Umso mehr muss das bei Personen gelten, die nicht in der Öffentlichkeit stehen. Die Veröffentlichung eines Lichtbilds, das eine erkennbar schwer kranke Person zeigt, ist daher in aller Regel nur mit deren Zustimmung zulässig.

Auch wenn eine erkennbar schwer kranke Person der - zeitlich beschränkten - Veröffentlichung eines Lichtbilds zugestimmt hat (hier: iZm der Werbung für einen Krebshilfeverein), deckt diese Zustimmung jedenfalls nicht die neuerliche Veröffentlichung des Lichtbilds in einem ganz anderen Zusammenhang, die zudem (hier) fünf Jahre später erfolgt (hier: Veröffentlichung in einem Zeitungsbericht über das angebliche Fehlverhalten einer Nationalratsabgeordneten als Vorstandsmitglied des Krebshilfevereins).

OGH 17. 2. 2015, 4 Ob 261/14g

Sachverhalt

Die Bekl berichtete 2014 in ihrem Printmedium und auf ihrer Website über das angebliche Fehlverhalten einer Nationalratsabgeordneten als Vorstandsmitglied eines Krebshilfevereins. Sie illustrierte den Artikel ua mit einem Lichtbild des minderjährigen Kl, das ihn im Alter von fünf Jahren erkennbar als Krebspatienten zeigte. Das Foto war 2009 mit Zustimmung seiner Eltern aufgenommen und in der Werbung für den Krebshilfeverein, ua auf Plakaten bis Ostern 2010, verwendet worden. Die Vorinstanzen untersagten der Bekl die Veröffentlichung des Lichtbilds und sprachen dem Kl 2.000 € Schadenersatz zu.

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde vom OGH zurückgewiesen.

Entscheidung

Im vorliegenden Fall haben die Eltern zwar der ursprünglichen - zeitlich beschränkten - Veröffentlichung aus nachvollziehbaren Motiven zugestimmt. Ob ihre Zustimmung wirksam war, war hier nicht zu beurteilen (vgl dazu Dokalik in FamZ 2006, 4 [6 f]). Jedenfalls deckt sie aber nicht die neuerliche Veröffentlichung des Lichtbilds in einem ganz anderen Zusammenhang, so der OGH. Mit der unter Umständen zulässigen Erörterung des „Outings“ einer bekannten Person (vgl 4 Ob 150/08z mwN) sei die hier zu beurteilende Situation nicht zu vergleichen, weil die ursprüngliche Veröffentlichung ausschließlich der Werbung für den Krebshilfeverein dienen sollte. Zudem waren seither fünf Jahre vergangen, sodass die Erinnerung daran längst verblasst war.

Die Bekl berief sich darauf, dass sie in Wahrheit nur einen Teil jenes Plakats gezeigt habe, für dessen Gestaltung das Lichtbild verwendet worden war. Nach Ansicht des OGH ändert dieser Umstand aber nichts an der schwerwiegenden Verletzung der Intimsphäre des Kl. Weshalb aus der Entscheidung 4 Ob 20/88 (SZ 61/58 = MR 1988, 52 [Walter] - Lachen ist gesund) Gegenteiliges abgeleitet werden sollte, war für den OGH nicht erkennbar. Zwar könnten danach Missdeutungen einer Bildnisveröffentlichung ausgeschlossen sein, wenn es sich um Lichtbilder von Personen handelt, die an allgemein zugänglichen Orten oder an Orten aktuellen Geschehens aufgenommen wurden, sofern ihre Abbildung vom Geschehen nicht zu trennen oder für dessen Darstellung erforderlich ist; dies aber nur unter der weiteren Voraussetzung, dass die Veröffentlichung der Lichtbilder der Darstellung dieser Orte oder des aktuellen Geschehens dient.

Hier sei aber keine dieser Voraussetzungen erfüllt. Zum einen gehe es nicht um die „Missdeutung“ eines Lichtbilds, sondern schlicht um einen Eingriff in die Privatsphäre des Kl. Zum anderen habe die Bekl gerade nicht über die konkrete Plakataktion berichtet, sondern das Lichtbild ausschließlich zur Erregung von Aufmerksamkeit für den gegen die Politikerin gerichteten Artikel verwendet. Zudem hätte auch bei einem Bericht über die Plakataktion eine Interessenabwägung vorgenommen werden müssen, die im Anlassfall - zumal die Bekl das Gesicht mit Bildbearbeitungssoftware leicht hätte unkenntlich machen können - zugunsten der Privatsphäre des Kl ausgefallen wäre.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19297 vom 13.04.2015