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Versicherungsverband: Befriedigung auch juristischer Personen?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

KFG 1967: § 62 Abs 1

§ 62 Abs 1 KFG 1967 regelt die Haftung des Verbandes der Versicherungsunternehmen Österreichs (VVO) für einen Unfall, der durch ein ausländisches Fahrzeug im Inland verursacht wurde. Auch juristische Personen (hier: Leasinggeber und Kaskoversicherer des Geschädigten) sind berechtigt, gegenüber der Entschädigungsstelle Ansprüche des Geschädigten gegen den Unfallverursacher oder dessen Versicherer geltend zu machen, die auf sie übergegangen sind (Abgehen von OGH 28. 9. 2011, 7 Ob 48/11a, RdW 2011/715).

OGH 25. 5. 2016, 2 Ob 65/16x

Entscheidung

In der E 7 Ob 48/11a, LN Rechtsnews 12008 vom 14. 11. 2011 = RdW 2011/715, gelangte der OGH - nach Darstellung wesentlicher Grundsätze des Grüne-Karte-Systems sowie der 4. und der 6. KH-RL (RL 2000/26/EG [4. KH-RL]; RL 2009/103/EG [6. KH-RL]) - zu der Auffassung, dass § 62 Abs 1 KFG im Sinne des ErwGr 27 der 4. KH-RL ausgelegt werden müsse und juristische Personen demnach nicht berechtigt seien, gegenüber der Entschädigungsstelle Ansprüche des Geschädigten gegen den Unfallverursacher oder dessen Versicherer geltend zu machen, die auf sie übergegangen sind. Der klagende Kaskoversicherer könne sich auch nicht auf ein Direktklagerecht nach § 26 KHVG berufen, weil auf Seiten des Anspruchsgegners kein Haftpflichtversicherungsverhältnis bestehe. Der Kaskoversicherer sei kein Unfallopfer und daher vom Schutzzweck der (Ausnahme-)Bestimmungen nicht umfasst (vgl auch 2 Ob 35/15h, LN Rechtsnews 20606 vom 19. 11. 2015).

Die E 7 Ob 48/11a wurde im Schrifttum kritisch aufgenommen, wobei die Kritik sowohl gegen die Begründung, aber auch das Ergebnis gerichtet war (so va W. Reisinger in seiner Glosse, ZVR 2012/105, 196 [198 f]; vgl auch Ch. uber, Glosse zu 2 Ob 76/12h, ZVR 2014/9, 27 [30]; ders in ZVR 2013/6, 21 [22 f]; Thiede in Zak 2014/202, 103 [107]).

Der OGH schließt sich nunmehr dieser Kritik an, weil die E 7 Ob 48/11a die Unterscheidung zwischen einem Inlandsunfall mit ausländischer Beteiligung und einem Auslandsunfall eines Inländers nicht beachtet.

Hier liegt (und lag auch im Fall 7 Ob 48/11a) ein Inlandsunfall mit ausländischer Beteiligung vor. In diesem Fall kommen - so der OGH - aber die genannten Richtlinien (RL 2000/26/EG [4. KH-RL]; RL 2009/103/EG [6. KH-RL]) nicht zum Tragen (vgl auch 2 Ob 227/15v, LN Rechtsnews 21300 vom 17. 3. 2016).

Der OGH kam daher zum Ergebnis, dass die kl P (Leasinggeber und Kaskoversicherer des Geschädigten) berechtigt ist, den unfallkausalen Schaden einzuklagen. Sie ist auch aktivlegitimiert, und zwar entweder aufgrund von Zahlungen an den Leasingnehmer aus der Kaskoversicherung oder (jedenfalls) aus der festgestellten rechtsgeschäftlichen Zession.

Da die Vorinstanzen keine Feststellungen zum Unfallhergang und zu den eingetretenen Schäden getroffen haben, ließ sich die Berechtigung der Klageforderung weder dem Grunde noch der Höhe nach beurteilen und die Zurückverweisung in die erste Instanz war daher unumgänglich.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22184 vom 22.08.2016