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VfGH: Gentechnische Analysen in der Privatversicherung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

B-VG Art 7

DSG § 1

EMRK Art 8

GTG: § 65, § 67

StGG Art 2

VersVG § 11a

§ 67 GTG normiert ein Verbot der Erhebung und Verwendung von „Ergebnissen genetischer Analysen“ durch den Versicherer. § 65 Abs 1 GTG unterscheidet vier Typen genetischer Analysen (s.u.). Da sich die Untersuchungsergebnisse des Typs 1 (Aussagen über konkrete somatische Veränderung von Chromosomen, Genen oder DNA-Abschnitten iZm bestehenden Krankheiten und Therapien) nicht wesentlich von jenen „konventioneller“ Untersuchungen unterscheiden, hält der VfGH die Anordnung des § 67 GTG („Ergebnisse genetischer Analysen“) betr Versicherer zwar hinsichtlich genetischer Analysen des Typs 2, 3, und 4 für sachlich gerechtfertigt, nicht jedoch im Hinblick auf genetische Analysen des Typs 1:

Für den VfGH ist nicht zu erkennen, inwiefern die Verpflichtung des Versicherungswerbers zur Preisgabe der Ergebnisse einer genetischen Analyse des Typs 1 (iSd § 65 Abs 1 Z 1 GTG) das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Privatheit gem Art 8 EMRK oder auf Datenschutz gem § 1 DSG 2000 verletzen könnte. Durch das ausnahmslose Verbot des § 67 GTG iVm § 11a VersVG wird somit eine Ungleichbehandlung von Ergebnissen konventioneller Untersuchungen und von genetischen Analysen des Typs 1 bewirkt, die sachlich nicht gerechtfertigt ist.

Wegen dieses Verstoßes gegen den Gleichheitssatz hat der VfGH daher die Wortfolgen „und Versicherern“ und „oder Versicherungsnehmern oder Versicherungswerbern“ in § 67 GTG (idgF BGBl I 2005/127) sowie den letzte Satz in § 11a Abs 1 VersVG (idgF BGBl I 2012/34) mit Ablauf des 31. 12. 2016 als verfassungswidrig aufgehoben.

VfGH 8. 10. 2015, G 20/2015, G 281/2015

Anmerkung:

Das Verbot des § 67 GTG betrifft nicht nur Versicherer, sondern auch Arbeitgeber; auch diese dürfen danach Ergebnisse von genetischen Analysen von ihren Arbeitnehmern oder von Arbeitsuchenden nicht erheben, verlangen, annehmen oder sonst verwerten. Dieses Verbot besteht auch nach der Aufhebung weiter und ist ja auch insofern anders zu sehen, als Arbeitgeber auch die Ergebnisse „konventioneller“ Untersuchungen grundsätzlich nicht einsehen oder verwenden dürfen.

§ 65 Abs 1 GTG sieht folgende vier Typen genetischer Analysen vor:

„1.Typ 1 dient der Feststellung einer bestehenden Erkrankung, der Vorbereitung einer Therapie oder Kontrolle eines Therapieverlaufs und basiert auf Aussagen über konkrete somatische Veränderung von Anzahl, Struktur, Sequenz oder deren konkrete chemische Modifikationen von Chromosomen, Genen oder DNA-Abschnitten
2.Typ 2 dient der Feststellung einer bestehenden Erkrankung, welche auf einer Keimbahnmutation beruht
3.Typ 3 dient der Feststellung einer Prädisposition für eine Krankheit, insbesondere der Veranlagung für eine möglicherweise zukünftig ausbrechende genetisch bedingte Erkrankung oder Feststellung eines Überträgerstatus, für welche nach dem Stand von Wissenschaft und Technik Prophylaxe oder Therapie möglich sind
4.Typ 4 dient der Feststellung einer Prädisposition für eine Krankheit, insb der Veranlagung für eine möglicherweise zukünftig ausbrechende genetisch bedingte Erkrankung oder Feststellung eines Überträgerstatus, für welche nach dem Stand von Wissenschaft und Technik keine Prophylaxe oder Therapie möglich sind.

Typ 2 steht zwar auch iZm einer bestehenden Erkrankung, im Gegensatz zu somatischen Mutationen (Typ 1) werden Mutationen von Zellen der Keimbahn aber an Nachkommen vererbt. Der VfGH hält das Verbot der Verwendung von genetischen Analysen des Typs 2 aber va wegen der besonderen Bedeutung von Informationen über die genetische Disposition Dritter für gerechtfertigt.

Hinweis:

Der Volltext der Entscheidung ist derzeit auf der Homepage des VfGH (www.vfgh.gv.at) unter „Aktuelle Informationen“ abrufbar.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20477 vom 30.10.2015