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VfGH: Nichtraucherschutz in Gastronomiebetrieben

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

TNRSG: § 13, § 13a

Gastronomiebetrieben steht es abhängig von der räumlichen Beschaffenheit des Geschäftslokales gem § 13a TNRSG offen, das Rauchen in (bestimmten) Räumen zur Verabreichung von Speisen oder Getränken zu gestatten. Dies entweder, wenn der zur Verabreichung von Speisen oder Getränken einzig zur Verfügung stehende Raum eine Grundfläche von weniger als 50 m² aufweist (§ 13a Abs 3 Z 1 TNRSG) oder wenn dieser Raum eine Grundfläche zwischen 50 m² und 80 m² aufweist, eine räumliche Teilung zur Schaffung eines geeigneten Raucher- und Nichtraucherraumes aber unzulässig ist (§ 13a Abs 3 Z 2 TNRSG). Den übrigen Gastronomiebetrieben steht es gem § 13 Abs 2 TNRSG frei, neben einem vom Rauchverbot umfassten Hauptraum zur Verabreichung von Speisen oder Getränken einen geeigneten Raum zur Verabreichung von Speisen oder Getränken für rauchende Gäste zu bezeichnen.

Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten.

VfGH 18. 6. 2019, G 150-151/2018, G 155/2018

Ausgangslage

Der VfGH hat den Antrag der Wr LReg zum Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw Nichtraucherschutzgesetz – TNRSG in der seit 1. 5. 2018 geltenden Fassung abgewiesen.

Die Wr LReg hatte die Aufhebung von Bestimmungen des TNRSG beantragt, die für „Räume der Gastronomie“ eine Ausnahme vom allgemeinen Rauchverbot an öffentlichen Orten vorsehen. Der Antrag wurde damit begründet, dass diese Bestimmungen gegen mehrere Grundrechte verstoßen würden, so ua gegen den Gleichheitsgrundsatz. Im Besonderen machte die Wr LReg eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern verschiedener Betriebe sowie eine Verletzung des Vertrauensschutzes der Gastronomen geltend.

Einen weiteren, von zwei Gastronomiebetrieben und zwei Nichtrauchern (Vater und Tochter) gemeinsam eingebrachten Antrag hat der VfGH als unzulässig zurückgewiesen, weil er zu eng gefasst war.

Entscheidung

Arbeitnehmerschutz

Der Gesetzgeber ist durch den Gleichheitsgrundsatz nicht gehalten, das Rauchen in Gastronomiebetrieben ausnahmslos zu verbieten. Der dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen zukommende Gestaltungsspielraum ermöglicht ihm, bei seiner Regelung zum Schutz der Arbeitnehmer in Gastronomiebetrieben vor den Beeinträchtigungen durch das Passivrauchen auch Interessen zu berücksichtigen, die gegenteilig zu diesem Schutzanliegen sind. Die angefochtenen Regelungen des § 13a TNRSG nehmen diese Abwägung nicht in unverhältnismäßiger Weise vor.

Angesichts der vom Gesetzgeber vorgesehenen Arbeitnehmerschutzbestimmungen (vgl insb § 13a TNRSG und § 30 ASchG) ist es im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes nicht unsachlich, wenn Arbeitnehmer, abhängig von der Art des Betriebes und der zu verrichtenden Tätigkeit, jeweils in unterschiedlichem Maße mit dem Beruf einhergehenden Beeinträchtigungen durch das Passivrauchen (je nach Entscheidung des Gastronomiebetreibers) ausgesetzt werden können. Ein grundsätzlicher Anspruch von Arbeitnehmern in Gastronomiebetrieben auf ein Rauchverbot am Arbeitsplatz lässt sich vor dem Hintergrund des Antragsvorbringens aus dem Gleichheitsgrundsatz nicht ableiten. Insoweit liegt auch die von der antragstellenden Landesregierung behauptete gleichheitswidrige Ungleichbehandlung innerhalb der Personengruppe der Arbeitnehmer in Gastronomiebetrieben nicht vor.

Differenzierung zwischen öffentlichen Orten

Es ist dem Gesetzgeber aus Sicht des Gleichheitsgrundsatzes nicht entgegenzutreten, wenn er öffentliche Räume, deren ausschließlicher Zweck die Verabreichung von Speisen und Getränken an Gäste ist, im Hinblick auf den Konsum von Tabakwaren anders regelt als öffentliche Räume, die vorwiegend anderen (öffentlichen) Zwecken (etwa Veranstaltungen, Schulungen, Vereinstätigkeiten oder der Beförderung) dienen.

Eine gleichheitswidrige Differenzierung liegt auch im Hinblick auf Hotels nicht vor: Der VfGH geht – im Einklang mit der Interpretation der Bundesregierung – davon aus, dass die Ausnahmeregelung des § 13a TNRSG auch für Restaurants in Hotelbetrieben gilt.

Die angefochtenen Regelungen bewirken auch keine gleichheitswidrige Ungleichbehandlung zwischen Gastronomiebetrieben:

Der Gesetzgeber regelt die Möglichkeit für Gastronomiebetriebe, Gästen das Rauchen in Räumen zur Verabreichung von Speisen oder Getränken zu gestatten, im Hinblick auf die unterschiedliche Beschaffenheit der zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten unterschiedlich. Es ist aus Sicht des Gleichheitsgrundsatzes nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber Geschäftslokale von Gastronomiebetrieben mit einer Fläche bis zu 50 m² – bzw bis zu 80 m² im Falle bau-, feuer- oder denkmalschutzrechtlicher Beschränkungen – vom Rauchverbot ausnimmt und (nur) Gastronomiebetrieben mit höherer räumlicher Kapazität eine Pflicht des Bestandes eines rauchfreien Hauptraumes auferlegt. Die besondere Ausnahmeregelung des § 13a Abs 3 Z 1 und Z 2 TNRSG für Gastronomiebetriebe mit lediglich einem Raum zur Verabreichung von Speisen oder Getränken an Gäste bis zu 50 m² (bzw 80 m² bei bau-, feuer- oder denkmalschutzrechtlichen Beschränkungen) trägt in sachlich nicht zu beanstandender Weise dem Umstand Rechnung, dass diese Gastronomiebetriebe andernfalls durch die fehlende (räumliche oder rechtliche) Möglichkeit, geeignete Raucherräume neben einem Hauptraum einzurichten, im Wettbewerb mit größeren Gastronomiebetrieben schlechter gestellt wären. Eine unsachliche Differenzierung zwischen Gastronomiebetrieben mit einer kleinen und jenen mit einer großen Fläche liegt nicht vor (vgl dazu bereits VfSlg 19.541/2011).

Vertrauensschutz

Der VfGH kann nicht erkennen, dass durch die Novelle BGBl I 2018/13 ein Verstoß gegen den Vertrauensschutz bewirkt wurde:

Es ist zwar nicht auszuschließen, dass sich Gastronomiebetreiber mit Blick auf das mit Bundesgesetz BGBl I 2018/13 (zunächst) vorgesehene absolute Rauchverbot in der Gastronomie veranlasst sahen, diese Rechtslage bei Entscheidungen etwa zur (räumlichen) Gestaltung des Geschäftslokals miteinzubeziehen. Es kann jedoch nicht davon gesprochen werden, dass die mit Bundesgesetz BGBl I 2015/101 eingeführten Regelungen gezielt zu aus Sicht des Vertrauensschutzes erheblichen Investitionen bewegen oder solche Investitionen bewirken wollten. Der Gesetzgeber hat durch die Beibehaltung der Ausnahmeregelungen für Gastronomiebetriebe gem § 13a TNRSG den Gleichheitsgrundsatz auch aus dem Blickwinkel des Vertrauensschutzes nicht verletzt.

EMRK

Nach Auffassung des VfGH ist ein ausnahmsloses Rauchverbot in der Gastronomie auch im Hinblick auf Art 2 EMRK und Art 8 EMRK nicht geboten:

Es kommt nämlich den Mitgliedstaaten der EMRK bei der (jeweiligen) Bewertung der gesellschaftlichen Entwicklung dahin, in welchem Ausmaß der Konsum von Tabakwaren als sozialadäquat toleriert wird, (noch) ein Beurteilungsspielraum ("margin of appreciation") zu. Vor diesem Hintergrund verstoßen die angefochtenen Bestimmungen nicht gegen Art 2 oder Art 8 EMRK.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27461 vom 19.06.2019