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VfGH: Prüfung des WiEReG betr öffentliche Einsicht

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

DSG: § 1

EMRK: Art 8

GRC: Art 7, Art 8

WiEReG: § 10, § 10a

Gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 lit b B-VG wird die Verfassungsmäßigkeit des § 10 WiEReG idF BGBl I 2019/62 und des § 10a WiEReGidF BGBl I 2018/62 von Amts wegen geprüft.

Der VfGH hegt – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der E EuGH 22. 11. 2022, C-37/20 und C-601/20, WM ua, RdW 2022/656 – das vorläufige Bedenken, dass § 10 und § 10a WiEReG betr die Möglichkeit der öffentlichen Einsicht in das Wirtschaftliche Eigentümer Register für jedermann bzw betr die Einschränkung der Einsicht bei Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Datenschutz gem § 1 DSG und auf Achtung des Privatlebens gem Art 8 EMRK sowie gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte gem Art 7 und Art 8 GRC verstoßen könnten. Hinsichtlich der öffentlichen Einsicht in das Register gem § 10 WiEReG vermag der VfGH nach seiner vorläufigen Auffassung nicht zu erkennen, dass eine umfassende Einsicht (in sämtliche Daten in diesem Register) durch jedermann erforderlich wäre, um die Ziele zu erreichen, die mit der Schaffung des Registers verfolgt wurden (insb Verhinderung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung). Da die Bestimmung zur Zielerreichung nicht erforderlich zu sein scheint, könnte sie aus diesem Grund gegen § 1 DSG und Art 8 EMRK verstoßen. Auch dürften keine hinreichenden Garantien bestehen, die es betroffenen Personen ermöglichen, ihre personenbezogenen Daten gegen Missbrauchsrisiken zu schützen.

Der VfGH zieht sowohl § 10 als auch § 10a WiEReG in Prüfung, weil diese seiner Ansicht nach in einem Zusammenhang stehen. Es wird im Gesetzesprüfungsverfahren auch zu klären sein, ob die vorläufig angenommene Verfassungswidrigkeit beide oder nur eine der beiden in Prüfung gezogenen Bestimmungen betrifft.

VfGH 16. 6. 2023, E 3129/2022 (G 265/2023)

Hinweis:

In der Rs C-37/20 und C-601/20 hat der EuGH (iZm der 4. und 5. Geldwäsche-RL) ausgesprochen, dass die Zugänglichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer in allen Fällen und für alle Mitglieder der Öffentlichkeit einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte gem Art 7 und 8 GRC darstellt, der weder auf das absolut Erforderliche beschränkt ist, noch in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel steht.

In der Folge wurde in Österreich beim Register die Anwendung „Öffentliche Einsicht“ offline genommen (siehe dazu auch die Fachlichen News 2022/02 des BMF als Registerbehörde = Rechtsnews 33335) und das WiEReG durch BGBl I 2023/97 abgeändert. § 10 WiEReG sieht nun ab 1. 9. 2023 die Einsicht bei Vorliegen eines berechtigten Interesses vor.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34369 vom 10.08.2023