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VfGH: Sonntagsöffnung - Beschränkung nicht verfassungswidrig

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

B-VG: Art 7, Art 140

ÖffnZeitG 2003: § 3, § 4, § 5

StGG Art 5

1. ZPEMRK Art 1

Der VfGH hat einen weiteren Individualantrag auf Aufhebung der Regelungen über das Verbot des Offenhaltens von Verkaufsstellen an Samstagen nach 18 Uhr und an Sonntagen und Feiertagen abgewiesen.

Nach Ansicht des VfGH sind die vom Gesetzgeber normierten Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot, Verkaufsstellen an Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen und an Montagen bis 6 Uhr offen zu halten, sachlich gerechtfertigt.

Das Gewicht der mit den Ladenschlussregelungen verfolgten Interessen ist größer als die Schwere des dadurch bewirkten Grundrechtseingriffs. Der Eingriff bildet eine verhältnismäßige Beschränkung des Grundrechts auf Unversehrtheit des Eigentums; diese Beschränkung überschreitet nicht die Grenzen des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers.

VfGH 3. 3. 2015, G 107/2013

Entscheidung

Der Antrag, § 3 zweiter Satz, § 4 Abs 1 und § 5 Abs 1 ÖffnZeitG 2003 als verfassungswidrig aufzuheben, wurde vom VfGH abgewiesen.

Öffentliches Interesse an einem Ruhetag

In seiner Begründung iZm mit einer möglichen Verletzung des Grundrechts auf Unversehrtheit des Eigentums wies der VfGH ua darauf hin, dass der gesellschaftliche Wandel der vergangenen beiden Jahrzehnte nichts am öffentlichen Interesse an der (weitgehenden) Synchronisation mit dem Grundsatz der Wochenendruhe geändert hat. In allen europäischen Gesellschaften gibt es einen Ruhetag in der Woche, mag dieser aus religiösen Gründen, aus Gründen der Erholung für die arbeitende Bevölkerung oder aus anderen sozial- und familienpolitischen Gründen angeordnet sein und mag die Ruhe in unterschiedlichem Maße eingehalten werden, so der VfGH. Wenn der Gesetzgeber auch mit den Mitteln des Gewerberechts zur Wahrung und Erhaltung der Wochenendruhe beitragen möchte, so verfolge er daher jedenfalls ein im öffentlichen Interesse gelegenes Ziel.

Ladenschlussregelungen wie die angefochtenen sind nach Ansicht des VfGH dem Grundsatz nach geeignet, diese Ziele zu erreichen. Die Beschränkung der Ladenöffnungszeiten während des Wochenendes allgemein und im Besonderen des Sonntags stelle ein an sich geeignetes Mittel zur Erreichung der genannten Ziele dar (vgl auch VfSlg 11.558/1987, 12.094/1990, 12.492/1990, 13.318/1992 und 19.639/2012).

Unternehmerische Freiheit

Eine Prüfung der angefochtenen Bestimmungen unter dem Blickwinkel des Vorbringens im Hinblick auf das „Grundrecht der unternehmerischen Freiheit“ am Maßstab der Bestimmungen der GRC (Art 16 GRC) kam mangels Anwendbarkeit dieser Garantie nicht in Betracht.

Sofern die antragstellenden Gesellschaften sich aber mit ihrem Vorbringen auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung iSd Art 6 StGG berufen sollten, stünde - wie der VfGH ausführte - einer Prüfung der angefochtenen Bestimmungen am Maßstab dieses Grundrechts nicht nur das Prozesshindernis der res iudicata, sondern auch das Fehlen der Darlegung von Bedenken im Einzelnen (§ 62 Abs 1 VfGG) entgegen.

Des Weiteren vermeinten die antragstellenden Gesellschaften, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht nur im Widerspruch zu Art 16 GRC, sondern auch zu einer Reihe von Bestimmungen des EUV und des AEUV stehe; der Antrag finde daher “eine zusätzlich Stütze im Gebot unionsrechtskonformer Interpretation“.

Dem hielt der VfGH entgegen, dass das Unionsrecht - mit Ausnahme der Bestimmungen der GRC - nach der stRsp des VfGH kein Prüfungsmaßstab im verfassungsgerichtlichen Verfahren. Allfällige Anträge, die angefochtenen Bestimmungen aufgrund eines Verstoßes gegen Unionsrecht aufzuheben oder diese für „rechtsungültig“ zu erklären, wären wegen Nichtzuständigkeit des VfGH als unzulässig zurückzuweisen (vgl zB VfGH 26. 6. 2000, G 40/00).

Hinweis:

Vgl zum Verbot der Sonntagsöffnung auch VfGH 14. 6. 2012, G 66/11, LN Rechtsnews 13386 vom 12. 7. 2012 = RdW 2012/512.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19316 vom 16.04.2015