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Voraussetzungen für Nottestament

Bearbeiter: Wolfgang Kolmasch

ABGB § 597

Um wirksam ein Nottestament iSd § 597 ABGB errichten zu können, muss die unmittelbare Gefahr des Todes oder des Verlustes der Testierfähigkeit nicht unbedingt tatsächlich bestehen; es genügt, dass der letztwillig Verfügende subjektiv davon ausgeht, sofern sein Eindruck aufgrund objektiver Umstände allgemein nachvollziehbar ist.

Weitere Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Nottestaments ist die Unmöglichkeit, in anderer Weise zu testieren. Dies ist allein anhand der persönlichen Handlungsmöglichkeiten des letztwillig Verfügenden zu beurteilen. Dass er Dritte um Hilfe ersuchen hätte können, ist unerheblich.

Die Behauptungs- und Beweislast für die Wirksamkeitsvoraussetzungen trifft jene Person, die ihre erbrechtlichen Ansprüche auf das Nottestament stützt.

OGH 17. 3. 2016, 2 Ob 86/15h

Sachverhalt

Der Erblasser – ein Arzt – verstarb im Alter von 62 Jahren nach einer Notoperation und einem 14-tägigen Aufenthalt in einer Intensivstation. Bei ihm wurde eine Form von Blutkrebs diagnostiziert. Nach einer Phase akuter Lebensgefahr stabilisierte sich sein Zustand vorübergehend, wobei eine plötzliche Verschlechterung jederzeit möglich war und wenige Tage vor seinem Tod auch tatsächlich eintrat. Während seiner Wachphasen war der Erblasser geistig voll orientiert und ansprechbar. Er empfing mehrmals am Tag Besuche. Seinen Gesundheitszustand beurteilte er selbst als kritisch, weshalb er wiederholt die Vermutung äußerte, dass er die Station nicht lebend verlassen wird.

Vier Tage nach der Operation bat er seine Lebensgefährtin (eine Richterin), herauszufinden, wie er seine letztwillige Verfügung ändern kann. Er war nicht mehr in der Lage, selbst einen längeren Text zu schreiben, hätte aber ein fremdhändiges Testament noch unterfertigen können. Seine Lebensgefährtin wies ihn am nächsten Tag auf die Möglichkeit eines mündlichen Testaments vor zwei Zeugen (also die Form des mündlichen Nottestaments) hin. Der Erblasser setzte zunächst keine weiteren Schritte, sondern wartete auf eine günstige Gelegenheit, die sich am folgenden Tag bot, als ihn zwei Personen gleichzeitig besuchten. Er erklärte vor diesen beiden Personen als Zeugen, dass er seinen Neffen und seine Nichte als Alleinerben einsetzt und ein früheres Vermächtnis zugunsten seines Bruders widerruft.

Im vorliegenden, vom Bruder des Erblassers eingeleiteten Verfahren ist strittig, ob diese Verfügung als Nottestament wirksam ist. Der Kläger machte geltend, dass mangels akuter Lebensgefahr im Errichtungszeitpunkt keine Notsituation vorlag und es dem Erblasser möglich gewesen wäre, einen Notar zur Errichtung eines notariellen Testaments oder einen dritten Zeugen zur Errichtung eines fremdhändigen Testaments herbeizurufen.

Entscheidung

Der OGH bejahte die Notsituation, weil dafür seiner Ansicht nach die allgemein nachvollziehbare subjektive Einschätzung des Erblassers ausreicht, hielt jedoch weitere Feststellungen zur Möglichkeit ordentlicher Testamentsformen für erforderlich. Bei der Beurteilung komme es nicht auf die Hilfsbereitschaft von Dritten, sondern lediglich auf die eigenen Handlungsmöglichkeiten des Erblassers an. Ein notarielles Testament scheide als Alternative aus, weil der Erblasser nicht mehr selbst in der Lage war, einen Notar zu sich zu rufen. Dass er Besucher um Hilfe bitten hätte können, sei unerheblich.

Nicht ausgeschlossen erscheine jedoch die Alternative eines fremdhändigen Testaments, bei der der Erblasser einen weiteren Zeugen organisieren und seinen Willen diktieren hätte müssen. Ob ihm dies vor der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes tatsächlich noch möglich gewesen wäre, muss im Verfahren, das vor dem Erstgericht fortgesetzt wird, noch geklärt werden. Ist dies der Fall, ist das Nottestament nach Ansicht des OGH unwirksam. Dass der Erblasser aufgrund der Auskunft seiner Lebensgefährtin auf die Gültigkeit seiner Verfügung vertraute und sein letzter Wille dadurch vereitelt wird, könne daran nichts ändern.

Anmerkung

Zu den Voraussetzungen für die Errichtung eines Nottestaments siehe auch 3 Ob 174/11a = Zak 2012/19, 15; 1 Ob 102/11y = Zak 2011/617, 333; 4 Ob 27/07k = Zak 2007/380, 215.

Mit der Erbrechtsreform, die am 1. 1. 2017 in Kraft tritt (siehe Zak 2015/457, 250), wird bereits im Gesetzestext klargestellt, dass für das Nottestament der Eindruck einer Notsituation ausreicht, sofern er durch objektive Umstände begründet ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21597 vom 06.05.2016