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Vorstandsmitglied: Deliktischer Schadenersatz - Verjährung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1295, § 1311, § 1489

AktG § 84

StGB § 153

Macht eine AG gegen ein Vorstandsmitglied einen deliktischen Schadenersatzanspruch nach dem ABGB geltend (hier: wegen Untreue des Vorstandsmitglieds nach § 153 StGB; § 1295 Abs 1, § 1311 Satz 2 Fall 2 ABGB iVm § 153 StGB), so richtet sich die Verjährung dieses deliktischen Anspruchs nach § 1489 ABGB und nicht nach § 84 Abs 6 AktG.

Soweit sich nichts anderes aus Sinn und Zweck der Norm ableiten lässt, verjährt innerhalb der kurzen Verjährungsfrist, die sich aus dem Vertragsrecht ergibt, nur der nach vertraglichen Grundsätzen zu beurteilende Ersatzanspruch, nach Ablauf dieser Frist kann jedoch noch der deliktische Schadenersatzanspruch geltend gemacht werden. Es wäre nämlich nicht einzusehen, warum ein deliktisch Handelnder deshalb begünstigt werden sollte, weil er zum Geschädigten in einem Vertragsverhältnis steht.

OGH 1. 9. 2015, 6 Ob 3/15g

Entscheidung

Der OGH hat zudem zusammengefasst ua ausgesprochen:

Bindungswirkung

Der erkennende Senat hält an der Entscheidung des verstärkten Senats zu 1 Ob 612/95 (SZ 68/195; RIS-Justiz RS0074219) fest, wonach sich niemand im nachfolgenden Rechtsstreit einer anderen Partei gegenüber darauf berufen kann, dass er eine Tat, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen habe, gleichviel ob der andere am Strafverfahren beteiligt war oder in welcher verfahrensrechtlichen Stellung er dort aufgetreten ist.

Solange das strafgerichtliche Erkenntnis nicht beseitigt ist, hat das Zivilgericht bindend davon auszugehen, dass der Verurteilte die im Strafurteil festgestellte Tat tatsächlich begangen hat. Dass der Bekl die Wiederaufnahme des Strafverfahrens beantragt hat, ist - weil sie nach der Aktenlage den Schuldspruch noch nicht beseitigt hat - demnach ohne Relevanz.

Verjährungsfrist

Nicht aufrecht hält der erkennende Senat die in der E 2 Ob 356/74 vertretene Auffassung (Verdrängung der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 1489 Satz 2 Fall 2 ABGB durch die fünfjährige Verjährung nach § 84 Abs 6 AktG), weil diese Ansicht zu einer ungerechtfertigten Privilegierung von Organmitgliedern führt.

Begeht ein Organmitglied strafrechtliche Untreue, verhält es sich besonders rechtswidrig. Strafrechtliche Untreue zu Lasten einer Kapitalgesellschaft können aber nicht nur ihre Organmitglieder begehen, sondern alle Personen, denen die Befugnis, über ihr Vermögen zu verfügen, durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder ein Rechtsgeschäft eingeräumt wurde, wobei es nicht erforderlich ist, dass die durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis dem Täter unmittelbar vom geschädigten Machtgeber eingeräumt wurde (RIS-Justiz RS0094677).

Entlastung durch Hauptversammlung

Nicht eingehen musste der OGH hier auf die strittigen Fragen, inwieweit die Entlastung der Gesellschaftsorgane durch die Hauptversammlung einen Verzicht auf Ersatzansprüche bedeuten könnte und ob die Gesellschaft wirksam auf einen Anspruch aus einer strafbaren Untreuehandlung verzichten kann:

Voraussetzung für einen konkludenten Verzicht auf Ersatzansprüche durch Hauptversammlungsbeschluss ist auch in diesem Fall, dass den Aktionären die Tatsachen, die die Ersatzpflicht begründen, zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bekannt sind oder bei sorgfältiger Prüfung der ihnen zugänglichen Unterlagen bekannt sein mussten (2 Ob 356/74; vgl Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht Rz 3/419).

Diese Voraussetzungen hat der Bekl aber nicht dargetan. Seinem Vorbringen lässt sich zum einen nicht hinreichend bestimmt entnehmen, dass der Minderheitsaktionär der Entlastung zustimmte. Zum anderen wurde nicht konkret behauptet, dass beiden Aktionären die Tatsachen, die die Untreuehandlung des Bekl begründeten, bekannt waren oder aufgrund welcher ihnen zugänglicher Unterlagen diese hätten bekannt sein müssen. Das Wissen um Verluste genügt für sich allein nicht. Es ist bloß die Kenntnis einer eingetretenen Vermögensminderung.

Hinweis: Einen Verzicht der Gesellschaft auf Ersatzansprüche gegen die entlasteten Verwaltungsorgane hat der OGH in der E 2 Ob 356/74 einer von allen Aktionären beschlossenen Entlastung zuerkannt, und zwar mit der Begründung, dass diesfalls der Schutzzweck des § 84 Abs 4 Satz 3 AktG - Schutz der Minderheitsaktionäre - nicht Platz greift (zust Frotz, FS Wagner 153; C. Nowotny in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG § 84 Rz 33; Kastner/Doralt/Nowotny, Gesellschaftsrecht5 239; aA Strasser in Jabornegg/Strasser5, AktG §§ 77 - 84 Rz 112 mwN).

Mitverschulden anderer Vorstandsmitglieder

Dass andere Organwalter an der Handlung des Bekl mitwirkten, führt nicht dazu, dass der Bekl dem Schadenersatzanspruch der Gesellschaft das Verschulden anderer Vorstandsmitglieder als Mitverschulden (§ 1304 ABGB) entgegenhalten könnte. Dies widerspräche dem Sinn der in § 84 Abs 2 AktG und der für vorsätzliche Schädigung in § 1302 ABGB normierten Solidarhaftung der Täter (Reich-Rohrwig in Straube, GmbHG § 25 Rz 184).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20750 vom 11.12.2015