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Wochengeld: Maßgeblicher Beobachtungszeitraum für die Höhe

Bearbeiter: Bettina Sabara / Bearbeiter: Barbara Tuma

ASVG § 162 Abs 3 letzter Satz

Der Anspruch auf Wochengeld setzt zwar grundsätzlich eine aufrechte Pflichtversicherung in der Krankenversicherung voraus, besteht aber gemäß § 122 Abs 3 Satz 1 ASVG auch dann, wenn der Versicherungsfall der Mutterschaft zwar nach dem Ende der Pflichtversicherung eintritt, die 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalls aber bei noch aufrechter Pflichtversicherung begonnen und die Pflichtversicherung mindestens 13 Wochen bzw 3 Kalendermonate ununterbrochen bestanden hat („Schutzfristfall“). Steht eine Versicherte während ihrer Schwangerschaft teils neben-, teils nacheinander in mehreren Beschäftigungsverhältnissen, die aber alle vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft enden, so ist - wenn ein Schutzfristfall des § 122 Abs 3 ASVG vorliegt und daher Anspruch auf das Wochengeld dem Grunde nach besteht - hinsichtlich der Höhe des Wochengeldes aufgrund dessen Einkommensersatzfunktion auf das Ende des letzten Dienstverhältnisses vor Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft abzustellen.

Der Beobachtungszeitraum von 3 Kalendermonaten für die Höhe des Wochengeldes ist daher vom letzten Beschäftigungsverhältnis zurückzurechnen und ist dabei der gesamte erzielte durchschnittliche Arbeitsverdienst in diesem Zeitraum maßgeblich, unabhängig davon, ob dieser in einem oder mehreren Beschäftigungsverhältnissen erzielt wurde.

OGH 15. 3. 2016, 10 ObS 22/16g

Entscheidung

Zunächst stellt der OGH klar, dass § 122 ASVG die Anspruchsberechtigung dem Grunde nach normiert, während Höhe und Ausmaß des Wochengeldes in §§ 162 ff ASVG geregelt werden. Alternativ zur Grundregel des § 162 Abs 3 Satz 1 ASVG (Bemessung nach den letzten 13 Wochen bzw 3 Kalendermonaten vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft) sieht dabei § 162 Abs 3 letzter Satz ASVG in den „Schutzfristfällen“ des § 122 Abs 3 Satz 1 ASVG zwei weitere Möglichkeiten für die Berechnung der Höhe des Wochengeldes vor (die letzten 13 Wochen bzw 3 Kalendermonate „vor dem Ende der Pflichtversicherung“ oder „vor dem Ende des Dienstverhältnisses“); von diesen drei möglichen Bemessungsgrundlagen ist für die Berechnung der Höhe des Wochengeldes die für die Versicherte jeweils günstigste heranzuziehen (vgl OGH 5. 12. 2006, 10 ObS 189/06a, ARD 5773/7/2007).

Einkommensersatzfunktion des Wochengeldes

Im vorliegenden Fall stützte sich die Klägerin va darauf, dass es in ihrem Fall für die Berechnung des Wochengeldes auf das Ende jenes Dienstverhältnisses ankomme, in das der Beginn der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalls fällt. Dafür bietet aber nach Ansicht des OGH auch § 162 Abs 3 letzter Satz ASVG weder nach dem Wortlaut noch nach seiner Systematik eine Grundlage.

Der von der Klägerin gewünschten Auslegung steht nach Ansicht des OGH va die Einkommensersatzfunktion des Wochengeldes entgegen:

Das Wochengeld gebührt nach der Konzeption des Gesetzgebers gerade für Zeiten des generellen und individuellen Beschäftigungsverbots und soll - möglichst nahtlos an das bis zum Beginn des Beschäftigungsverbots bezahlte Entgelt aus dem Dienstverhältnis anschließend - den Einkommensausfall der Versicherten ausgleichen. Gleichzeitig mit dem Beginn des Wochengeldanspruchs wird der Dienstgeber von der Entgeltfortzahlungspflicht befreit, womit auch die Pflichtversicherung endet. Auch bei mehreren, aufeinander folgenden oder einander überschneidenden Dienstverhältnissen innerhalb des Beobachtungszeitraums ist nach dieser gesetzgeberischen Absicht daher auf das Ende des letzten dieser Dienstverhältnisse - das regelmäßig auch mit dem ebenfalls in § 162 Abs 3 letzter Satz ASVG genannten Ende der Pflichtversicherung zusammenfallen wird - abzustellen.

Ende des Gesamtzeitraums maßgeblich

Weiters hält der OGH fest, dass weder § 162 Abs 3 Satz 1 noch Abs 3 letzter Satz ASVG danach unterscheiden, ob der im Beobachtungszeitraum erzielte Arbeitsverdienst nur in einem oder in mehreren Beschäftigungsverhältnissen erzielt wurde. Für die Auslegung des § 162 Abs 3 letzter Satz ASVG sei zu beachten, dass immer der im gesamten Beobachtungszeitraum erzielte durchschnittliche Arbeitsverdienst der Versicherten in die Berechnung des Wochengeldes einfließt (vgl OGH 1. 2. 2011, 10 ObS 179/10m, ARD 6134/6/2011). Dies habe gerade auch im Fall mehrerer im Beobachtungszeitraum liegender Dienstverhältnisse mit unterschiedlich hohen Bezügen zu geschehen. Der Gesetzgeber nehme dabei - ungeachtet der zeitlichen Lage dieser Dienstverhältnisse - in Kauf, dass die Versicherte trotz des Wochengeldes einen Verdienstausfall erleiden kann (vgl OGH 19. 10. 2010, 10 ObS 16/10s, ARD 6134/5/2011).

Gerade aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in § 162 Abs 3 ASVG generell auf einen für die Berechnung des Wochengeldes maßgeblichen Gesamtzeitraum abstellt, folgt nach Ansicht des OGH, dass er auch in den für die Schutzfristfälle relevanten Alternativen des § 162 Abs 3 letzter Satz ASVG auf das Ende dieses Gesamtzeitraums abstellt, von dem aus sich dessen Beginn errechnet. Mit den Alternativen „Ende der Pflichtversicherung“ und „Ende des Dienstverhältnisses“ sei daher nach Wortlaut und Systematik dieser Bestimmung jeweils das Ende des Gesamtzeitraums gemeint, nicht aber dazwischen liegende Zeitpunkte, wie etwa das Ende eines von mehreren im Beobachtungszeitraum liegenden Dienstverhältnissen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21423 vom 11.04.2016