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Korrektur einer rechtlichen Fehlbeurteilung – Vorsteuerberichtigung?

Bearbeiter: Birgit Bleyer / Bearbeiter: Barbara Tuma

UStG: § 12

Eine bloße geänderte rechtliche Beurteilung eines unveränderten Sachverhalts durch die Abgabenbehörde nach einer ursprünglichen rechtlichen Fehlbeurteilung der Vorsteuerabzugsberechtigung stellt keine Änderung der Verhältnisse dar, die zu einer Vorsteuerberichtigung in den Folgejahren nach § 12 Abs 10 bis Abs 11 UStG 1994 führen kann. In einem solchen Fall sind nämlich die für den Vorsteuerabzug grundsätzlich maßgeblichen Verhältnisse iSd § 12 Abs 3 UStG 1994 im Zeitpunkt der Leistung sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht gerade unverändert geblieben, weshalb kein Raum für eine Vorsteuerberichtigung bleibt.

Kann daher – hier im Falle einer als Liebhaberei einzustufenden Vermietung – ein (bereits ursprünglich unrichtiger) Vorsteuerabzug aus verfahrensrechtlichen Gründen (hier: Festsetzungsverjährung) nicht mehr für das Veranlagungsjahr des Vorsteuerabzugs berichtigt werden, scheidet auch eine Vorsteuerberichtigung in den Folgejahren aus.

VwGH 18. 12. 2017, Ra 2016/15/0084

Sachverhalt

Die Gesellschafter der mitbeteiligten Partei sind deutsche Staatsbürger, die in Deutschland eine Gärtnerei betreiben. Sie erwarben im Jahr 2006 in Österreich ein Baugrundstück und errichteten darauf ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung, Carport und Schuppen.

Die Mitbeteiligte teilte dem zuständigen Finanzamt mit, Einkünfte aus einer Vermietung des Objekts erzielen zu wollen, verzichtete gem § 6 Abs 3 UStG 1994 auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer und beantragte die Vergabe einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. In der Folge erklärte sie ua in den Jahren 2006 bis 2010 negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. In der Umsatzsteuererklärung 2006 beantragte die Mitbeteiligte Vorsteuern iHv € 26.403,25 und der erklärungsgemäße Umsatzsteuerbescheid 2006 erwuchs letztlich in Rechtskraft.

Gegenstand des angefochtenen Erkenntnisses des BFG sind ua die Umsatzsteuerbescheide betreffend 2007 bis 2010. Für diese Jahre ging das Finanzamt offensichtlich vom Vorliegen von Liebhaberei aus und nahm hinsichtlich der Umsatzsteuer 2007 eine Vorsteuerberichtigung gem § 12 Abs 11 UStG 1994 iHv € 26.403,25 vor.

Nach Auseinandersetzung mit den Prognoserechnungen hielt das BFG fest, dass das Finanzamt die Vermietungstätigkeit einkommensteuerlich zu Recht als Liebhaberei beurteilt habe. Da mit Ablauf des Jahres 2012 jedoch hinsichtlich der Umsatzsteuer 2006 die Festsetzungsverjährung eingetreten sei, könne die Vorsteuer aus den Gebäudeanschaffungskosten betr das Jahr 2006 nicht korrigiert werden. Eine Korrektur der Vorsteuer könne daher auch nicht im Folgejahr durch eine Vorsteuerberichtigung gem § 12 Abs 11 UStG 1994 nachgeholt werden. Auch eine Berichtigung gem § 12 Abs 10 UStG 1994 sei im gegenständlichen Fall nicht zulässig; der Übergang von einer unternehmerischen Tätigkeit zur Liebhaberei sei kein Anwendungsfall des § 12 Abs 10 UStG 1994.

Dagegen wendet sich die vorliegende Amtsrevision.

Entscheidung

Keine Änderung der Verhältnisse

In seinen Entscheidungsgründen hält der VwGH fest, dass es im gegenständlichen Fall dahingestellt bleiben kann, ob die konkrete Betätigung der mitbeteiligten Partei im Jahr 2006 und in den Streitjahren überhaupt nie als wirtschaftliche Tätigkeit zu beurteilen war oder ob eine unternehmerische Betätigung vorlag, die auf (unecht) steuerbefreite Umsätze abzielte:

-Lag niemals eine unternehmerische Betätigung vor, kann auch keine Änderung der Verhältnisse iSd § 12 Abs 10 oder Abs 11, jeweils iVm § 12 Abs 3 UStG 1994 eingetreten sein. Eine Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs 10 und 11 UStG 1994 setzt von Anfang an eine unternehmerische Tätigkeit und eine entsprechende Zuordnung der Vorleistung zum Unternehmensbereich voraus (vgl Schuchter/Kollmann, in Melhardt/Tumpel, UStG2 § 12 Rz 427).
-Lag hingegen eine unternehmerische Betätigung vor, die zu unecht befreiten Umsätzen führte, weil umsatzsteuerliche Liebhaberei bei Vermietung von privat nutzbarem Wohnraum iSd § 1 Abs 2 LVO 1993 vor dem Hintergrund des Unionsrechts als Umsatzsteuerbefreiung (mit Vorsteuerausschluss) anzusehen ist (vgl etwa VwGH 30. 4. 2015, Ra 2014/15/0015, ÖStZB 2015/140, mwN), ist es ebenfalls in den Streitjahren nicht zu einer Änderung der Verhältnisse iSd § 12 Abs 3 UStG 1994 gekommen, die für den Vorsteuerabzug maßgeblich waren (vgl Ruppe/Achatz, UStG4, § 12 RN 293),.

Beispiele für Änderung der Verhältnisse

Eine solche Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse kann einerseits in tatsächlichen Änderungen etwa hinsichtlich des Verwendungszwecks eines Gegenstandes bestehen (vgl die Beispiele bei Ruppe/Achatz, UStG4 § 12 RN 302 sowie Schuchter/Kollmann, in Melhardt/Tumpel, UStG2 § 12 Rz 433).

Sie kann aber andererseits auch in einer Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Rechtslage bestehen (vgl VwGH 2. 7. 2002, 2001/14/0153, ÖStZB 2002/706, zur Einführung einer unechten Steuerbefreiung; ebenso EuGH 29. 4. 2004, C-487/01, Gemeente Leusden, ÖStZB 2005/20, RN 53).

Keine Vorsteuerberichtigung

Die Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs 10 bis Abs 11 UStG 1994 dient nicht der (teilweisen) Korrektur fehlerhafter Entscheidungen betreffend die ursprüngliche Vorsteuerabzugsberechtigung, die aufgrund rechtskräftiger Veranlagung verfahrensrechtlich unabänderlich geworden sind und hinsichtlich derer gerade keine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse eingetreten ist.

Da das BFG somit im Ergebnis zu Recht eine Vorsteuerberichtigung im Streitjahr verweigert hat, war die Revision gem § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 24940 vom 09.02.2018