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Vorwurf der präventiven Vorbereitung einer Wahlanfechtung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1330

EMRK: Art 10

StGG: Art 13

1. Der Vorwurf der Manipulation einer Wahl (in einem Medium) ist nicht nur kreditschädigend, sondern stellt auch eine Ehrenbeleidigung (§ 1330 Abs 1 ABGB) dar, beeinträchtigt er doch (zumindest auch) die soziale Wertschätzung von Politikern und einer politischen Partei erheblich, wenn ihnen die Vorbereitung einer Wahlanfechtung auf Bundesebene durch bewusste Instruktion „ihrer Beisitzer“ zu „Verletzungen der Wahlordnung“ unterstellt wird. Der insoweit völlig unbelegte Vorwurf einer Wahlmanipulation ist dem demokratischen Diskurs nicht förderlich, sondern in hohem Maße abträglich. Durch den Mangel eines konkreten Tatsachensubstrats für den Vorwurf einer aktiven Wahlmanipulation unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von jenen, in denen sich dieser Vorwurf bei Vorliegen tatsächlicher Wahlmängel gegen Personen richtete, die für die Durchführung der Wahl verantwortlich waren.

2. Nicht als tatbildlich iSd § 1330 ABGB war im vorliegenden Fall hingegen der Vorwurf der präventiven Vorbereitung einer Wahlanfechtung zu qualifizieren. Die Verbreitung der Tatsache, dass jemand seine Interessen besonders sorgfältig verfolgt, indem er im Rahmen eines intensiven Konkurrenzkampfes schon möglichst frühzeitig auch Schriftsätze für ein allfälliges gerichtliches Vorgehen gegen rechtswidriges Verhalten vorbereitet, kann im Allgemeinen weder als Ehrenbeleidigung iSd § 1330 Abs 1 ABGB noch als Kreditschädigung iSd § 1330 Abs 2 ABGB angesehen werden. Und auch unter Berücksichtigung der besonderen politischen Dimension dieses Vorwurfs war hier schon im Hinblick auf die Zugehörigkeit des Vorwurfs durch ein Medium zum Kernbereich des politischen Prozesses, die Möglichkeit, diesem in eben dieser Form entgegenzutreten, und die geringe Intensität des Eingriffs in konkrete individuelle Persönlichkeitsrechte nach der stRsp im Zweifel bei der Gesamtabwägung der Freiheit der Meinungsäußerung von Medien der Vorzug zu geben.

OGH 17. 1. 2018, 6 Ob 162/17t

Entscheidung

Zum Vorwurf der präventiven Vorbereitung einer Wahlanfechtung hält der OGH in seinen Entscheidungsgründen ua fest, dass die Verbreitung der Tatsache, dass jemand seine Interessen besonders sorgfältig verfolgt, indem er schon möglichst frühzeitig auch Schriftsätze für ein allfälliges gerichtliches Vorgehen gegen rechtswidriges Verhalten vorbereitet (Judikatur aufbereitet, Texte vorbereitet etc), im Rahmen eines intensiven Konkurrenzkampfes vor einem besonders entscheidenden, in seinem Ausgang und seiner Gestaltung sehr ungewissen Abschnitt im Allgemeinen weder als die Ehre beleidigend iSd § 1330 Abs 1 ABGB noch den „Kredit“ schädigend iSd § 1330 Abs 2 ABGB angesehen werden kann. Letzteres könnte hier nun dann bejaht werden, wenn man die besondere politische Dimension dieses Vorwurfs miteinbezieht, wobei sich selbst da die Frage stellt, ob es tatsächlich verpönt ist, für den Fall der Rechtswidrigkeit einer Wahl den Rechtsweg zu beschreiten und dies im Hinblick auf die Kürze der Anfechtungsfrist und den Umfang der dabei zu behandelnden Frage auch schon vorzubereiten.

Bei der Frage, wie eine solche Vorbereitung der Rechtsdurchsetzung politisch bewertet wird, handelt es sich zudem um einen Kernbereich des politischen Prozesses, in dem es nicht unmittelbar um den privaten Bereich der betroffenen Personen geht. Schon im Hinblick auf die Zugehörigkeit des Vorwurfs einer präventiven Vorbereitung einer Wahlanfechtung durch ein Medium zum Kernbereich des politischen Prozesses und die Möglichkeit, diesem in eben dieser Form entgegenzutreten, einerseits und der geringen Intensität des Eingriffs in konkrete individuelle Persönlichkeitsrechte andererseits – der Wertschätzung der einzelnen Menschen (insbesondere in ihren Parteien) wird eine Vorbereitung der Bekämpfung rechtswidrigen Verhaltens im Interesse ihrer Partei kaum abträglich sein – gebietet es hier die stRsp, wonach im Rahmen des politischen Prozesses im Zweifel bei der Gesamtabwägung der Freiheit der Meinungsäußerung von Medien der Vorzug zu geben ist, diesen Vorwurf nicht als tatbildlich iSd § 1330 ABGB zu qualifizieren.

Auch bei Zugrundelegung der gebotenen ganzheitlichen Betrachtungsweise durfte das BerufungsG den Vorwurf der Vorbereitung der Wahlanfechtung, mag er auch unter derselben Überschrift und in engem räumlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit dem verpönten Vorwurf der bewussten Wahlmanipulation erhoben worden sein, als selbstständigen Vorwurf ansehen, der einer selbstständigen rechtlichen Beurteilung zugänglich ist, zumal die Untersagung der beiden Vorwürfe auch in gesonderten Punkten des Klagebegehrens begehrt und darüber auch – von den kl P nicht beanstandet – jeweils gesondert entschieden wurde.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 24993 vom 20.02.2018