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Jugendstraftat – Aberkennung des subsidiären Schutzes?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AsylG 2005: § 9

JGG: § 5

1. Nach dem Rechtsfolgenausschluss des § 5 Z 10 JGG treten bei Ahndung von Jugendstraftaten „in gesetzlichen Bestimmungen vorgesehene Rechtsfolgen“ nicht ein. Dieser Rechtsfolgenausschluss greift dort ein, wo aufgrund gesetzlicher Anordnung ex lege (mit Rechtskraft des Urteils) für den Bereich des Verwaltungsrechts Rechtsfolgen einer strafrechtlichen Verurteilung eintreten; aus kompetenzrechtlichen Gründen gilt dies jedenfalls für jene gesetzlich angeordneten Rechtsfolgen, die sich in Bundesgesetzen finden. Nach unstrittigem allgemeinen Verständnis bezieht sich § 5 Z 10 JGG somit jedenfalls auf Fälle, in denen eine bundesgesetzlich angeordnete Rechtsfolge der Verurteilung eintreten würde, ohne dass es einer Anordnung durch die Verwaltungsbehörde bedürfte.

Nichts anderes kann aber gelten, wenn sich die Rechtsfolge zwar erst aufgrund einer Entscheidung der Verwaltungsbehörde realisiert, diese Entscheidung als Folge der strafrechtlichen Verurteilung vom Gesetz aber zur Gänze determiniert ist und der Behörde keinen eigenen Entscheidungsspielraum belässt – und zwar weder hinsichtlich der Frage, ob die Entscheidung getroffen wird, noch wie sie inhaltlich auszufallen hat. Sehen die gesetzlichen Vorschriften nämlich vor, dass allein die strafrechtliche Verurteilung zwingend zu einer bestimmten Reaktion der Verwaltungsbehörde führen muss, ohne dass dieser bei ihrem Vorgehen ein eigenes Prüfkalkül zukäme, handelt es sich im Ergebnis auch um eine gesetzliche Rechtsfolge der Verurteilung iSd § 5 Z 10 JGG. Mangels einer anderslautenden spezielleren gesetzlichen Anordnung kommt auch in solchen Fällen der Rechtsfolgenausschluss des § 5 Z 10 JGG zum Tragen.

2. § 5 Z 10 JGG hindert eine Verwaltungsbehörde nicht, die Verurteilung wegen einer Jugendstraftat in ihrem Verfahren zu berücksichtigen, wenn die einschlägigen Normen des Verwaltungsrechts dies im Speziellen anordnen oder die Bedachtnahme auf die strafrechtliche Verurteilung als Teil einer Gesamtbeurteilung des Verhaltens dieser Person im Rahmen einer Gefährdungsprognose erfolgt.

Nach § 9 Abs 2 Z 3 AsylG 2005 „ist“ der Status des subsidiär Schutzberechtigten „abzuerkennen“, wenn „der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist“. Die Aberkennung hat aufgrund der gesetzlichen Anordnung zwingend und ohne eigenes Prüfkalkül der Asylbehörde stattzufinden und ist aus diesem Grund als „Rechtsfolge“ iSd § 5 Z 10 JGG anzusehen. Ist die Verurteilung wegen eines Verbrechens nach § 17 StGB wegen einer Jugendstraftat erfolgt, kann eine Aberkennung des subsidiären Schutzstatus somit nicht auf § 9 Abs 2 Z 3 AsylG 2005 gestützt werden.

Der Aberkennungstatbestand des § 9 Abs 2 Z 2 AsylG 2005 stellt jedoch darauf ab, dass „der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt“. Die Asylbehörde hat diesbezüglich eine Gefährdungsprognose vorzunehmen und es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Aberkennung des subsidiären Schutzstatus bloß eine „Rechtsfolge“ iSd § 5 Z 10 JGG wäre.

VwGH 23. 1. 2018, Ra 2017/18/0246

Entscheidung

Hinsichtlich des Rechtsfolgenausschlusses nach § 5 Z 10 JGG zieht der VwGH in seinen Entscheidungsgründen va seine Rsp zum Staatsbürgerschaftsrecht heran, so etwa VwGH 26. 1. 2012, 2012/01/0001, ZfV 2013/688 (zu  10 Abs 1 StbG – keine Verleihung der Staatsbürgerschaft, auch wenn die Verurteilung wegen einer Jugendstraftat erfolgt ist).

Auch in den E VwGH 20. 10. 1999, 99/01/0228, ZfV 2002/223, oder VwGH 8. 3. 2005, 2004/01/0421, wurde – wenn auch nur implizit – erkannt, dass der Rechtsfolgenausschluss des § 5 Z 10 JGG die Verwaltungsbehörde nicht daran hindert, auch Verurteilungen wegen Jugendstraftaten in ihre Überlegungen einzubeziehen, wenn die Behörde nach den einschlägigen materiellen Verwaltungsvorschriften eine Gefährdungsprognose in Bezug auf die betroffene Person zu erstellen hat.

Gleiches ergibt sich aus der Rsp des VwGH zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen Fremde. Auch hier können Jugendstraftaten des Fremden im Rahmen der Gesamtabwägung der Interessen nach Art 8 EMRK oder bei einer Gefährdungsprognose Beachtung finden (vgl etwa VwGH 31. 1. 2013, 2012/23/0004, ua).

Im vorliegenden Verfahren hat das BFA seine Aberkennungsentscheidung auf § 9 Abs 2 Z 2 und Z 3 AsylG 2005 gegründet. Das BVwG hat eine Prüfung der Voraussetzungen der Z 2 aber unterlassen und sich nur auf den Aberkennungstatbestand der Z 3 gestützt. Der VwGH hat das angefochtene Erkenntnis daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25008 vom 23.02.2018