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Kontrahierungszwang bei privater Taxizone

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

ABGB: § 861, § 879

Kontrahierungszwang besteht überall dort, wo die faktische Übermacht eines Beteiligten bei bloßer formaler Parität diesem die Möglichkeit der Fremdbestimmung über andere gibt. Kontrahierungszwang besteht auch bei nicht lebensnotwendigen Gütern und trifft nicht nur Gebietskörperschaften oder die öffentliche Hand. Vielmehr kommt es auf eine Monopol- oder marktbeherrschende Stellung bei den konkret angebotenen Leistungen gegenüber jenen potenziellen Interessenten (Abnehmern) an, an die sich das Angebot richtet und die auf die angebotenen Leistungen angewiesen sind. Kontrahierungszwang besteht auch in einer zum Abschluss des Vertrags spiegelbildlichen Situation, also bei der Vertragsauflösung. In solchen Fällen muss auch für die Auflösung des Vertrags ein sachlicher Grund vorliegen.

Lagert der Monopolist (hier der Betreiber und Verwalter einer beschränkt zugänglichen Taxizone auf dem Privatgrund eines Zivilflughafens) den (hier) Betrieb und die Verwaltung der Taxizone an ein anderes Unternehmen aus, tritt dieses andere Unternehmen in die Monopolstellung ein und muss aufgrund der Monopolstellung dem Kontrahierungszwang Rechnung tragen; es darf daher den Gestattungsvertrag (der den Taxilenkern die Nutzung der Taxizone ermöglicht) nur auflösen, wenn ein sachlich gerechtfertiger Grund vorliegt.

OGH 20. 2. 2018, 4 Ob 13/18t

Sachverhalt

Die Betreiberin eines Zivilflughafens hat vor dem Abfertigungsgebäude auf ihrem Privatgrund eine Taxizone eingerichtet, einen abgeschrankten, überdachten Bereich mit zwei Fahrspuren. Die Flughafengesellschaft befindet sich zu 75 % im Eigentum eines Landes und zu 5 % im Eigentum einer Stadt. Betrieb und Verwaltung der Taxizone übertrug sie an die C***** GmbH übertragen, an der sie zu 85 % beteiligt ist. Diese Gesellschaft wiederum übertrug die Bewirtschaftung der Taxizone auf Basis eines Unterbestandvertrags an die Bekl. Im Unterbestandvertrag verpflichtete sich die Bekl, grds allen Taxilenkern, die die gesetzlichen Bestimmungen einhalten, die Nutzung der Taxizone nach Abschluss einer gesonderten Gestattungsvereinbarung zu ermöglichen. Von einem Widerruf einer Gestattungsvereinbarung aus einem sachlich gerechtfertigten Grund muss die Bekl die C***** GmbH unverzüglich in Kenntnis setzen, damit die Geldwertkarte des betroffenen Taxilenkers gesperrt wird, die für die Einfahrt in die Taxizone erforderlich ist. Für die Nutzung der Taxizone ist ein angemessener Infrastrukturbeitrag zu leisten, den die Bekl mit 1 € brutto pro Zufahrt in die Taxizone festgelegt hat.

Auch der Kl hat mit der Bekl eine (standardisierte) Gestattungsvereinbarung abgeschlossen.

Am Morgen des 8. 1. 2017 waren die Fahrspuren in der Taxizone mit Schneematsch bedeckt. Der Kl war darüber verärgert und beschwerte sich beim zuständigen Mitarbeiter der Betreiberin der Taxizone über die mangelhafte Räumung. Die Bekl widerrief daraufhin mit Schreiben vom 11. 1. 2017 die Zufahrtsberechtigung des Kl mit sofortiger Wirkung und die C***** GmbH sperrte seine Geldwertkarte.

Der Kl erhob ein Unterlassungsbegehren, das in seinem Kern darauf abzielt, dass ihn die Bekl nicht ohne gerechtfertigten Grund an der Zufahrt zur Taxizone hindern dürfe.

Die Bekl hielt dem entgegen, dass die Zufahrtsberechtigung zur Taxizone aufgrund der Gestattungsvereinbarung als Prekarium ausgestaltet und daher jederzeit widerrufbar sei. Als wichtigen Grund für den Widerruf nannte sie, dass der Kl Mitarbeiter beschimpft und mit dem „Herunterreißen des Schrankens“ gedroht habe.

Dem Unterlassungsbegehren wurde in allen drei Instanzen stattgegeben.

Entscheidung

Da potenziellen Vertragspartnern von Monopolisten oder marktbeherrschenden Unternehmen im Allgemeinen die Möglichkeit fehlt, einzelne Vertragsbestimmungen in Wahrung ihrer Interessenlage auszuhandeln, steht der Kontrahierungszwang einer (vereinbarten) ordentlichen Kündigung entgegen, nicht aber der Auflösung des Vertrags aus einem wichtigen Grund. Auch das außerordentliche Kündigungsrecht darf aber nicht in unsachlicher Weise ausgeübt werden, bedarf also der sachlichen Rechtfertigung (1 Ob 88/12s, EvBl 2012/159 = Rechtsnews 13763 = RdW 2012/628).

Dem Argument, dass es sich bei der Gestattungsvereinbarung um ein Prekarium handle, hält der OGH entgegen, dass der Kontrahierungszwang einer Qualifikation als Prekarium entgegensteht. Das wesentliche Element der Bittleihe ist – abgesehen von der Unentgeltlichkeit – die jederzeitige Widerruflichkeit durch den Verleiher. Dieser kann die Sache daher nach Willkür zurückfordern. Da im Fall eines Kontrahierungszwangs eine grundlose Vertragsauflösung nicht in Betracht kommt, kann es sich bei einer Gebrauchsüberlassung oder einer Gestattungsvereinbarung auch nicht um ein Prekarium handeln (6 Ob 191/05i, RdW 2006/130).

Entgegen der Ansicht der Bekl ist es auch unerheblich, ob eine gesetzliche Pflicht zum Anbieten von Versorgungsleistungen besteht. Es kommt auch nicht auf einen Kernversorgungsbereich mit öffentlichen Aufgaben an. Entscheidend ist auch nicht, ob es sich bei der hier fraglichen Taxizone um eine freiwillig eingerichtete Fläche handelt. Auch der E 1 Ob 524/94 kann keine allgemeine Aussage dahin entnommen werden, dass für einen Flughafenbetreiber nicht einmal im Primärbereich („Aviation-Bereich“) durchgehend ein Kontrahierungszwang zu bejahen sei.

Im Anlassfall ist zu berücksichtigen, dass die Taxizone auf Privatgrund der Flughafengesellschaft errichtet und mit einer Schrankenanlage versehen ist. Ohne aufrechte Gestattungsvereinbarung und funktionsfähige Geldwertkarte kann in die Taxizone nicht eingefahren werden und können die Fluggäste nicht aufgenommen werden. Davon ausgehend hegt der OGH keine Bedenken gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die C***** GmbH aufgrund ihrer Monopolstellung ein Kontrahierungszwang treffe und sie bei Auslagerung des Betriebs und der Verwaltung der Taxizone an ein anderes Unternehmen, dieses andere Unternehmen in die Monopolstellung eintrete und dem Kontrahierungszwang Rechnung tragen müsse. Den Einwand der Bekl, der Unterbestandvertrag wirke nur inter partes, hält der OGH für nicht zielführend, weil er die ihr überbundene Pflicht zur Gleichbehandlung außer Acht lässt.

Ob der Widerruf der Zufahrtsberechtigung des Kl wirksam ist, hängt vom Vorliegen eines sachlichen Grundes ab. Bei dieser Beurteilung ist anhand einer sorgfältigen Abwägung der einander widerstreitenden Interessen zu prüfen, ob ein ausreichend wichtiger und objektiv nachvollziehbarer Grund für die Auflösung der Gestattungsvereinbarung besteht (4 Ob 205/12v, RdW 2013/588; 1 Ob 39/17t, Zak 2017/366). Der Schlussfolgerung des BerufungsG, dass der von der Bekl ins Treffen geführte Vorfall vom 8. 1. 2017 keinen sachlichen Grund für den Widerruf der Zufahrtsberechtigung des Kl bildet, tritt die Bekl in der Revision nicht entgegen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25176 vom 27.03.2018