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Berufung – Bezeichnungspflicht

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

StPO: § 294, § 464, § 467

Grundsätzlich hat der Berufungswerber entweder bei der Anmeldung der Berufung oder in der Berufungsschrift ausdrücklich zu erklären, durch welchen Ausspruch (§ 464 StPO) er sich beschwert erachtet. § 467 Abs 2 StPO enthält für das bezirksgerichtliche Verfahren (gegenüber § 294 Abs 2 vierter Satz StPO) eine Erleichterung nur dahin, als er bei mehreren Strafen oder Unrechtsfolgen insoweit keine nähere Präzisierung verlangt.

Ob dieser Bezeichnungspflicht entsprochen wurde, ist – insb bei schriftlich unausgeführt gebliebenen Berufungen – anhand einer Auslegung der Erklärung der Rechtsmittelanmeldung in ihrem Sinnzusammenhang (unter Berücksichtigung des Prozessverhaltens des Berufungswerbers) zu ermitteln. Bei Angeklagten, die nicht durch einen Verteidiger vertreten sind, legt die Rsp dabei insofern einen großzügigen Maßstab an, als – insb dann, wenn sich der Angeklagte (wie hier) nicht geständig verantwortet und einen Freispruch beantragt hat – eine Berufungsanmeldung ohne Einschränkung auf bestimmte Berufungspunkte regelmäßig als Urteilsanfechtung (zumindest) wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe gewertet wird.

OGH 13. 2. 2018, 14 Os 119/17g

Sachverhalt

Der – nicht durch einen Verteidiger vertretene – Angeklagte wurde mit Urteil des BG vom 28. 4. 2016 des Vergehens der Körperverletzung schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe verurteilt.

Mit Eingabe vom 29. 4. 2016 meldete er „gegen das“ am Vortag „verkündete Gerichtsurteil das Rechtsmittel der Berufung“ an. Eine Ausführung der Gründe seiner Berufung überreichte er in weiterer Folge nicht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 24. 2. 2017 wies das BerufungsG die Berufung als unzulässig zurück: Der Angeklagte habe der Bezeichnungspflicht nach § 467 Abs 2 StPO nicht entsprochen. Seine Prozesserklärung (anlässlich der Berufungsanmeldung) lasse – „ungeachtet seines ... Begehrens um Freispruch“ – keine Deutung „als Bezeichnung des Berufungspunktes gem § 464 Z 2 erster Fall StPO“ zu, komme „es doch laufend vor, dass auf Freispruch antragende Angeklagte nach Verkündung der wesentlichen Entscheidungsgründe“ und „Bedenkzeit“ den „Schuldspruch akzeptieren und (nur) Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe ... ergreifen“.

Entscheidung

Über Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes hält der OGH fest, dass dieser Beschluss mit dem Gesetz nicht in Einklang steht und §§ 467 Abs 2 und 470 Z 1 StPO verletzt:

Die Erwägungen des BerufungsG für die Nichtannahme eines hinreichend deutlichen Anfechtungswillens erweisen sich angesichts fehlender Einschränkung der Anmeldung als spekulativ und lassen deren Erklärungszusammenhang weitgehend unberücksichtigt, weshalb die Zurückweisungsentscheidung schon infolge fehlerhafter Begründung der Sachverhaltsgrundlage §§ 467 Abs 2 und 470 Z 1 StPO verletzt.

Da nicht auszuschließen ist, dass diese Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten wirkt, hob der OGH den Beschluss des BerufungsG im Umfang der Zurückweisung der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe auf und trug dem BerufungsG insoweit die meritorische Entscheidung über die Berufung des Angeklagten auf.

Eine meritorische Entscheidung über die Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe kommt hingegen mangels deren deutlicher und bestimmter Bezeichnung nicht in Betracht, sodass der angefochtenen Beschluss insoweit nicht aufzuheben war.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25219 vom 04.04.2018