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Kreditaufnahme zum Erhalt des Wohnhauses im Konkurs des Ehemannes

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 879, § 934

KSchG: § 25c, § 25d

Die Bekl nahm bei der Kl einen Kredit auf, um im Konkursverfahren über das Vermögen ihres Ehemannes die Liegenschaft mit dem Wohnhaus zu erwerben und damit das Heim für die Familie zu bewahren. Gegen den vertragliche Anspruch der kl Kreditgeberin auf Rückzahlung der Kredite wandte die Bekl im vorliegenden Verfahren fehlende Information nach § 25c KSchG ein, richterliche Mäßigung nach § 25d KSchG, Sittenwidrigkeit nach § 879 ABGB (einschließlich Wucher) und Verkürzung über die Hälfte nach § 934 ABGB.

Interzession iSd §§ 25c und 25d KSchG verneint der OGH, weil die Kreditnehmerin wusste, dass über das Vermögen ihres Ehemanns der Konkurs eröffnet worden war und dieser zur Rückzahlung der Schulden keine nennenswerten Beträge beisteuern kann. Damit war für sie offenkundig, dass ein Regressanspruch nicht durchsetzbar sein wird.

Da die Kreditnehmerin materiell eine eigene Schuld eingegangen ist, kommt auch die Anwendung der Kriterien nicht in Betracht, die zur Prüfung von Angehörigenbürgschaften aus § 879 Abs 1 ABGB abgeleitet wurden.

Eine Sittenwidrigkeit konnte dennoch wegen fehlender Feststellungen noch nicht ausgeschlossen werden: Zwar hatte die bekl Kreditnehmerin nicht vorgebracht, dass die übernommene Leistungsverpflichtung alternativlos gewesen wäre, insb dass ihr keine andere Bank den vom Insolvenzverwalter verlangten Kaufpreis finanziert hätte. Auch bei Fehlen einer der Voraussetzungen des Wuchertatbestands kann ein Geschäft nach § 879 Abs 1 ABGB aber nichtig sein, wenn ein zusätzliches Element der Sittenwidrigkeit hinzukommt, das dem fehlenden Tatbestandsmerkmal gleichwertig ist und den individuellen Fall prägt (hier: Kreditgewährung nur unter der Bedingung, dass die Bekl die Schulden des Ehemannes bei der Kl begleicht).

OGH 20. 12. 2017, 8 Ob 126/17p

Entscheidung

Für ein Sittenwidrigkeitsverdikt könnte hier nach Ansicht des OGH ins Treffen geführt werden, dass sich für die Kl hinsichtlich ihrer – möglicherweise nur teilweise besicherten – Forderungen gegen den Ehemann der Bekl (zumindest dem Anschein nach) bereits das Insolvenzrisiko verwirklicht hatte. Obwohl die Kl wusste, dass es der Bekl nur darum ging, das Haus als Heim der Familie zu bewahren, und dass deren Willensfreiheit dadurch verdünnt war, übertrug sie ihr Insolvenzrisiko auf die Bekl, indem sie sich von dieser die Schulden des Ehemanns bezahlen ließ, obwohl die Bekl bedingt durch die Insolvenz ihres Ehemanns keine Aussicht hatte, von diesem später für die Begleichung seiner Schulden (nach § 1042 ABGB) mit Erfolg Ersatz zu fordern. Die Finanzierung des Liegenschaftskaufs hatte die Kl explizit von der Bereitschaft der Bekl zur Übernahme der Schulden des Ehemanns abhängig gemacht, sodass hier ein Synallagma bestand.

Ob ein Sittenwidrigkeitsverdikt berechtigt ist, kann aber noch nicht abschließend beurteilt werden, weil wesentliche Aspekte des Sachverhalts im Dunkeln liegen; insb fehlen Feststellungen zu den Vereinbarungen zwischen Kl und Bekl im Zeitraum zwischen einer „Grundsatzvereinbarung“ im Jahr 2001, dem Abschluss des Kaufvertrags im Jahr 2003 (zu einem nominellen Kaufpreis von € 300.000) und der Zuzählung der Kredite zwecks Glattstellung der Schulden des Ehemanns im Jahr 2006 sowie zum Verkehrswert der Liegenschaft in den Jahren 2001, 2003 und 2006 und zur Höhe der Schulden des Ehemanns bei der Kl zu den genannten Zeiten.

Dazu weist der OGH darauf hin, dass die Verkehrswerte der Liegenschaft zu den verschiedenen Zeitpunkten und der jeweilige Schuldenstand relevant sind, weil sich aus einer Gegenüberstellung ergibt, mit welchem Geldzufluss – und damit mit welchem Ausfall – die Kl im Falle eines Verkaufs oder einer Versteigerung der Liegenschaft zum jeweiligen Zeitpunkt zu rechnen hatte. Soweit die Kl abgesichert war, kann nicht gesagt werden, sie hätte ein bereits zu ihrem Nachteil verwirklichtes Insolvenzrisiko „einfach der Bekl umgehängt“. Ein solcher allenfalls Sittenwidrigkeit indizierender Vorwurf würde eine (beträchtliche) Sicherungslücke verlangen.

Im Hinblick auf die fehlenden Feststellungen ist auch noch keine Beurteilung des Falls nach § 934 ABGB möglich (Verkürzung über die Hälfte). Hinsichtlich letzterer Vorschrift wäre zudem zu beachten, dass sich nach stRsp das Wertmissverhältnis nach dem Zeitpunkt des geschlossenen Geschäfts bestimmt (RIS-Justiz RS0018871).

Sowohl für eine Verkürzung über die Hälfte nach § 934 ABGB (vgl RIS-Justiz RS0108170) als auch für eine Sittenwidrigkeit nach § 879 ABGB (vgl RIS-Justiz RS0048300) trifft nach den allgemeinen Regeln die Bekl die Behauptungs- und Beweislast.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25285 vom 18.04.2018