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Vorwurf des „Kaufs“ eines Verbands

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1330

EMRK: Art 10

Auch Kritik, die durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung weithin privilegiert ist, findet ihre Grenze in einem Vorwurf einer vorsätzlichen strafbaren Handlung, der durch entsprechendes Tatsachensubstrat nicht gedeckt ist. Bei Rechtsfolgenbehauptungen (hier: „fast kriminelle Handlung“) wird jedoch danach differenziert, ob diese einfach aus dem Gesetz abzulesen sind oder auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung beruhen: Je eingehender die Grundlagen dieses Erkenntnisprozesses dargestellt werden und je deutlicher zum Ausdruck kommt, dass eine subjektive Überzeugung im geistigen Meinungsstreit vertreten wird, umso eher liegt ein reines Werturteil vor. Um Werturteile handelt es sich beispielsweise bei Äußerungen, ein bestimmtes Verhalten sei „wettbewerbswidrig“, jemanden treffe ein „Mitverschulden“ oder eine Klausel in einem Vertragswerk sei „standeswidrig“.

Im vorliegenden Fall strebt die Kl, gestützt auf § 1330 ABGB, Unterlassung und Widerruf der Behauptung an, sie habe im Rahmen einer außerordentlichen Generalversammlung eines bestimmten Verbands die Abstimmung über zwei Bewerber als Vorstand des Verbands durch eine „fast kriminelle Handlung“ verhindert, indem sie den „Verband gekauft“ habe. Dass die Kl dem Verband ein Einstandsgeschenk in Höhe von dreimal 60.000 € gemacht hatte, hat sie im gesamten Verfahren nicht bestritten. Dass es sich bei der (allfälligen) Schlussfolgerung des Bekl, die Kl habe dadurch den Verband „gekauft“, um ein (nicht exzessives) Werturteil handelte, stellt keine zu berichtigende Auffassung des BerufungsG dar. Auch der Vorwurf einer „fast“ kriminellen Handlung ist nicht vergleichbar mit dem Vorwurf, ein „enthirnter Psychopath“ zu sein (6 Ob 244/16z, Rechtsnews 23148 = RdW 2017/198), und damit kein beleidigendes Werturteil ohne jegliches Tatsachensubstrat.

OGH 28. 2. 2018, 6 Ob 243/17d

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25383 vom 07.05.2018