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Europäischer Haftbefehl – Grundsatz der Spezialität

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

EU-JZG: § 2, § 20, § 31, § 38

Wurde eine Person aufgrund des Europäischen Haftbefehls einer österreichischen Justizbehörde an Österreich übergeben, darf sie gem § 31 Abs 1 EU-JZG ohne die Zustimmung dieses Staats (Vollstreckungsstaat) wegen einer anderen Handlung, auf die sich der Europäische Haftbefehl nicht erstreckt hat, nicht verfolgt, verurteilt oder einer Freiheitsstrafe unterworfen werden und auch nicht auf Grund eines weiteren Europäischen Haftbefehls an einen anderen Mitgliedstaat übergeben werden.

Die betroffene Person kann zwar grds gem § 31 Abs 2 Z 5 EU-JZG auf die Einhaltung dieses Grundsatzes der Spezialität (ausdrücklich) verzichten und in der Folge an einen anderen Mitgliedstaat übergeben werden. Wurde sie jedoch – wie hier – von einem Drittstaat (§ 2 Z 9 EU-JZG) nach Österreich ausgeliefert, bleibt die Verpflichtung der Republik Österreich zur Beachtung des Grundsatzes der Spezialität nach § 38 Abs 2 EU-JZG auch bei anstehender Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gegen diese Person unberührt. Das zuständige Gericht hat in einer solchen Konstellation jene Unterlagen, die zur Erwirkung der Zustimmung des Drittstaats zur Übergabe der betroffenen Person erforderlich sind, unverzüglich dem BMJ vorzulegen (§ 38 Abs 2 zweiter Satz EU-JZG).

OGH 10. 4. 2018, 11 Os 26/18k

Sachverhalt

Der kosovarische Staatsangehörige S***** war aufgrund eines Auslieferungsersuchens des BMJ am 24. 5. 2017 unter dem Vorbehalt der Spezialität von Albanien nach Österreich ausgeliefert und in der Folge vom LG für Strafsachen Wien zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Beim LG für Strafsachen Wien ist gegen S***** ein Verfahren zur Auslieferung an die schweizerische Eidgenossenschaft zum Zweck des (restlichen) Vollzugs einer 2008 über ihn verhängten Freiheitsstrafe anhängig, sowie ein weiteres Verfahren zur Übergabe an die Bundesrepublik Deutschland aufgrund eines Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Aachen. In diesem Verfahren ordnete das LG für Strafsachen Wien mit Beschluss vom 10. 11. 2017 aufgrund einer Einverständniserklärung des S***** gem § 20 Abs 2 EU-JZG die vereinfachte Übergabe an die deutschen Behörden an und stellte fest, dass eine Spezialitätswirkung nicht besteht. Die Übergabe wurde gemäß § 25 Abs 1 Z 6 EU-JZG zufolge Vollzugs der österreichischen Freiheitsstrafe aufgeschoben.

Über Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur sprach der OGH aus, dass dieser Beschluss vom 10. 11. 2017 mit dem Gesetz nicht im Einklang steht.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25450 vom 23.05.2018