News

Diskriminierung: Posting eines Lokals „Wir sind wieder asylantenfrei“

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

EGVG 2008 Art III

Art III Abs 1 Z 3 EGVG verbietet die Diskriminierung ua aus Gründen der nationalen oder ethnischen Herkunft oder des religiösen Bekenntnisses. Eine demnach verpönte Diskriminierung kann sowohl darauf abstellen, dass die diskriminierte Person einer Ethnie, Nation oder Religion angehört, als auch, dass sie einer solchen Ethnie, Nation oder Religion nicht angehört. Es bestehen keine Bedenken dagegen, Diskriminierungen von Asylwerbern unter den Tatbestand des Art III Abs 1 Z 3 EGVG zu subsumieren (als Diskriminierung aufgrund nationaler Herkunft).

Eine Diskriminierung iSd Art III Abs 1 Z 3 EGVG liegt sowohl bei einer unmittelbaren Diskriminierung vor (also wenn die Person in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person), als auch bei einer mittelbaren Diskriminierung, wenn also dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren die betreffenden Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, sie sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich.

Das Posting auf einer öffentlich einsehbaren Facebook-Seite eines Lokals, in dem ausdrücklich die Rede davon ist, dass das Lokal „wieder asylantenfrei“ sei, stellt eine unmittelbare Diskriminierung iSd Art III Abs 1 Z 3 EGVG dar.

VwGH 24. 4. 2018, Ro 2017/03/0016

Entscheidung

Unmittelbare Diskriminierung

Die Revision war im vorliegenden Fall wegen des Fehlens von Rsp zum erweiterten Straftatbestand des Art III Abs 1 Z 3 EGVG idF BGBl I 2012/50 und BGBl I 2013/33 zulässig.

Der Tatvorwurf gegen die mitbeteiligte Partei bezog sich auf zwei Postings, ua auf der öffentlich einsehbaren Facebook-Seite ihres Lokals, die zur Kommunikation mit (potentiellen) Gästen genutzt wird (etwa für Veranstaltungsankündigungen, Hinweisen zu den Öffnungszeiten, zur Lage etc). Die „Mitteilung“ auf dieser Seite, das Lokal sei (wieder) „frei“ von Personen einer bestimmten ethnischen oder nationalen Herkunft, kann nach Ansicht des VwGH nicht anders verstanden werden, als dass diese Personen dort nicht erwünscht sind und gegebenenfalls damit rechnen müssten, nicht eingelassen zu werden (vgl zu historischen Beispielen etwa Bajohr, „Unser Hotel ist judenfrei“, Bäder-Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert (2003)); dies umso mehr, wenn zusätzlich der Umstand, dass das Lokal – zwischenzeitlich – nicht „frei“ von solcherart umschriebenen Personen gewesen sei, als „Problem“ benannt wird.

Damit liegt nach Ansicht des VwGH eine unmittelbare Diskriminierung vor, würden die betroffenen Personen doch in einer vergleichbaren Situation – beim Versuch, das Lokal zu betreten, um dort die angebotenen Leistungen in Anspruch zu nehmen – eine weniger günstige Behandlung erfahren als andere Personen.

Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Postings tatsächlich dahin zu verstehen waren, dass damit ein generelles Lokalverbot für Asylwerber verhängt werden sollte, weil Asylwerber aufgrund der Mitteilung an die potentiellen Gäste, das Lokal sei (wieder) „asylantenfrei“, jedenfalls mit einer ungünstigeren Behandlung rechnen mussten (vgl zur Diskriminierung im Arbeitsleben EuGH 10. 7. 2008, Feryn, C-54/07, Rechtsnews 5378 = RdW 2008/681).

Für ebenfalls nicht entscheidend hält der VwGH auch, ob eine bestimmte Person aus einem der verpönten Gründe des Art III Abs 1 Z 3 EGVG gehindert wurde, das Lokal zum Zweck der Konsumation zu betreten (wodurch der zweite Fall des Art III Abs 1 Z 3 EGVG verwirklicht würde: „...hindert, Orte zu betreten oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen“).

Keine „Doppelbestrafung“

Das VwG hat ausdrücklich die Frage offen gelassen, ob es allenfalls eine Verletzung des Art 4 7. ZPMRK darstellen könnte (also gegen das Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht gestellt), dass das Ermittlungsverfahren gegen die mitbeteiligte Partei wegen § 283 StGB (Verhetzung) gem § 190 Z 1 StPO eingestellt wurde, sie aber in der Folge wegen der Übertretung nach Art III Abs 1 Z 3 EGVG bestraft würde.

Nach Ansicht des VwGH steht das eingestellten Ermittlungsverfahrens wegen § 283 StGB einer Bestrafung der mitbeteiligten Partei nach Art III Abs 1 Z 3 EGVG nicht entgegen:

Für das fortzusetzende Verfahren verweist der VwGH diesbezüglich zunächst auf die Rsp des EGMR zu Art 4 des 7. ZPEMRK, wonach kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot vorliegt, wenn ein ausreichend enger Zusammenhang zwischen den Verfahren gegeben war, und zwar sowohl inhaltlich („in substance“) als auch zeitlich („in time“); bei einem solchen engen Zusammenhang würden die Verfahren als Einheit betrachtet und es könne nicht davon gesprochen werden, dass der Betroffene nach einer endgültigen Entscheidung wegen derselben Sache nochmals bestraft worden wäre (vgl zB die Zusammenfassung der Rsp in EGMR 15. 11. 2016 (Große Kammer), A und B/Norwegen, 24130/11, Rn 131 bis 134)

Von einem entsprechend engen zeitlichen Zusammenhang ist fallbezogen auch auszugehen: Nach den Verfahrensakten wurde das Strafverfahren aufgrund einer Anzeige am 15. 1. 2016 eingeleitet und das Verwaltungsstrafverfahren aufgrund einer Anzeige am 25. 1. 2016. Das Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft am 5. 2. 2016 eingestellt. Der Akt der Staatsanwaltschaft wurde im Verwaltungsstrafverfahren beigeschafft und das Straferkenntnis mit Datum vom 18. 7. 2016 erlassen.

Außerdem verfolgten die Verfahren unterschiedliche Zwecke (den Schutz vor Aufrufen zu Gewalt und Beschimpfung nach § 283 Abs 1 Z 1 und 2 StGB sowie den Schutz vor Diskriminierung nach Art III Abs 1 Z 3 EGVG), wobei unterschiedliche Aspekte eines Verhaltens beurteilt wurden. Schließlich ist es nach Ansicht des VwGH für die betroffene Person vorhersehbar, dass sie einer Verfolgung sowohl nach § 283 StGB als auch nach Art III Abs 1 Z 3 EGVG ausgesetzt sein könnte, wenn ihre öffentlichen Postings einerseits den Verdacht der Verhetzung begründen könnten, andererseits aber auch ein diskriminierendes Verhalten in ihrem Lokal in Aussicht stellen.

Nach den Verfahrensakten waren die Verfahren zudem so aufeinander abgestimmt, dass der Akt der Staatsanwaltschaft der Verwaltungsbehörde zur Verfügung stand, die in ihrer Verfahrensführung darauf Bedacht nehmen konnte.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25455 vom 24.05.2018