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EuGH: Gleichgeschlechtliche Ehe – abgeleitetes Aufenthaltsrecht

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AEUV Art 21

RL 2004/38/EG: Art 2, Art 7

Der Begriff „Ehegatte“ iSd RL 2004/38/EG [über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten ...] ist geschlechtsneutral und kann somit den Ehegatten desselben Geschlechts wie der betreffende Unionsbürger einschließen.

Den Mitgliedstaaten steht es zwar frei, für Personen gleichen Geschlechts die Ehe vorzusehen oder nicht vorzusehen. Hat sich jedoch ein Unionsbürger im Rahmen seines Rechts auf Freizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten, dort ein Familienleben mit einem gleichgeschlechtlichen Drittstaatsangehörigen entwickelt oder gefestigt und diesen Drittstaatsangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat rechtmäßig geheiratet, darf der Heimatstaat des Unionsbürgers dem Drittstaatsangehörigen das daraus abgeleitete Aufenthaltsrecht nicht mit der Begründung verweigern, dass das Recht dieses Mitgliedstaats die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht vorsieht.

Die Pflicht eines Mitgliedstaats, eine solche Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts allein zum Zweck der Gewährung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts anzuerkennen, beeinträchtigt nicht das Institut der Ehe und bedeutet auch nicht, dass dieser Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht das Institut der Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts vorsehen müsste. Vielmehr ist sie auf die Verpflichtung beschränkt, solche in einem anderen Mitgliedstaat nach dessen Recht geschlossene Ehen anzuerkennen, und zwar allein zum Zweck der Ausübung der Rechte, die diesen Personen aus dem Unionsrecht erwachsen. Somit widerspricht eine solche Pflicht zur Anerkennung allein zum Zweck der Gewährung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts zugunsten eines Drittstaatsangehörigen weder der nationalen Identität noch der öffentlichen Ordnung des betreffenden Mitgliedstaats.

EuGH 5. 6. 2018, C-673/16, Coman ua

Zu einem rumänischen Vorabentscheidungsersuchen.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

1.In einem Fall, in dem ein Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, indem er sich gem den Voraussetzungen des Art 7 Abs 1 der RL 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. 4. 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der VO (EWG) 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG in einen anderen Mitgliedstaat als den, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begeben und sich dort tatsächlich aufgehalten hat, und im Zuge dessen ein Familienleben mit einem gleichgeschlechtlichen Drittstaatsangehörigen entwickelt oder gefestigt hat, den er im Aufnahmemitgliedstaat rechtmäßig geheiratet hat, ist Art 21 Abs 1 AEUV dahin auszulegen, dass er es den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, verwehrt, dem Drittstaatsangehörigen ein Recht zum Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats mit der Begründung zu verweigern, dass das Recht dieses Mitgliedstaats die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht vorsieht.
2.Art 21 Abs 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ein Drittstaatsangehöriger, der dasselbe Geschlecht hat wie der Unionsbürger, den er in einem Mitgliedstaat nach dessen Recht geheiratet hat, über ein Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verfügt, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt. Dieses abgeleitete Aufenthaltsrecht darf keinen strengeren Voraussetzungen als den in Art 7 der RL 2004/38 vorgesehenen unterworfen werden.
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25514 vom 06.06.2018