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Änderungen betreffend Arbeitszeit und Arbeitsruhe – Initiativantrag

Bearbeiter: Bettina Sabara

Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden sollen

Initiativantrag 14. 6. 2018, 303/A BlgNR 26. GP -> Gesetzwerdung bleibt abzuwarten

Überblick

Das Regierungsprogramm 2017-2022 enthält das Bekenntnis zu einer flexiblen Arbeitsgestaltung, die es ermöglichen soll, das Arbeitszeitvolumen besser an die Auftragslage anpassen zu können und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit zu gewährleisten. Wichtig ist dabei die Beibehaltung der gesetzlichen täglichen und wöchentlichen Normalarbeitszeit. Kollektivvertragliche Regelungen der Normalarbeitszeit sollen unberührt bleiben.

Im Zuge der Flexibilisierung und Entbürokratisierung der Arbeitszeitgesetze sollen ua folgende Maßnahmen mit 1. 1. 2019 in Kraft treten:

Erweiterung der Ausnahmen im Geltungsbereich

Die Arbeitszeit-RL der EU (RL 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung) ermöglicht in Art 17 Abs 1 Ausnahmen für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern, die von Österreich bisher nicht ausgeschöpft wurden. Daher sollen künftig neben den leitenden Angestellten auch

-sonstige Personen mit selbstständiger Entscheidungsbefugnis (§ 1 Abs 2 Z 8 AZG, § 1 Abs 2 Z 5 ARG) sowie
-Arbeitskräfte, die Familienangehörige iSd § 284c ABGB sind (§ 1 Abs 2 Z 7 AZG, § 1 Abs 2 Z 3 ARG)

vom Geltungsbereich des AZG und des ARG ausgenommen werden. Grundvoraussetzung für eine Ausnahme ist bei beiden neuen Ausnahmefällen, dass die Arbeitszeit

-nicht gemessen oder im Voraus festgesetzt oder
-von den Arbeitnehmern hinsichtlich Lage und Dauer selbst festgelegt wird.

Dies muss sich aus den besonderen Merkmalen der Tätigkeit ergeben. Wird die Arbeitszeit freiwillig nicht gemessen (so genannte Vertrauensarbeitszeit), liegt diese Voraussetzung daher nicht vor.

Die EU-Kommission hält weiters fest, dass die Voraussetzung nur vorliegt, wenn die gesamte Arbeitszeit (und nicht nur ein Teil) nicht gemessen werden kann (oder selbst festgelegt wird). Nach Ansicht der EU-Kommission (Amtsblatt C 165 vom 24. 5. 2017, S 45) könnten unter die Ausnahmeregelung bestimmte hochrangige Führungskräfte fallen, deren gesamte Arbeitszeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird, da sie nicht verpflichtet sind, zu festgesetzten Zeiten am Arbeitsplatz anwesend zu sein, sondern über ihre Arbeitszeiteinteilung selbst entscheiden können.

Anhebung der Höchstgrenze der Arbeitszeit

Gemäß dem Regierungsprogramm wird die

-tägliche Höchstarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden und
-die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 50 auf 60 Stunden erhöht (§ 9 Abs 1 AZG).

In der Aufzählung der Ausnahmen von diesen Grenzen werden in § 9 Abs 2 und Abs 3 AZG alle Bestimmungen gestrichen, die keine Arbeitszeit von mehr als 12 bzw 60 Stunden zulassen.

Durchrechnung: Übertragung von Zeitguthaben

Die derzeit bestehende Möglichkeit von Kollektivverträgen, eine Übertragung von Zeitguthaben nur in den nächsten Durchrechnungszeitraum zuzulassen, soll insofern flexibilisiert werden, als die mehrmalige Übertragung von Zeitguthaben und Zeitschulden in die nächsten Durchrechnungszeiträume ermöglicht wird. (§ 4 Abs 7 AZG)

Gleitzeit

Bei Gleitzeit haben Arbeitnehmer die Möglichkeit, Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit selbst zu bestimmen. Aufgrund dieser höheren Zeitsouveränität werden die bestehenden Beschränkungen der täglichen Höchstarbeitszeit teilweise als unbefriedigend empfunden, weshalb nunmehr fünfmal pro Woche eine Verlängerung der Tagesarbeitszeit auf zwölf Stunden vorgesehen ist (§ 4b Abs 4 AZG). Wird tatsächlich an fünf Wochentagen jeweils zwölf Stunden gearbeitet, muss ein allfälliger sechster Arbeitstag arbeitsfrei sein, da die wöchentliche Höchstarbeitszeit bereits erreicht ist. Wird hingegen an fünf Wochentagen jeweils zehn Stunden gearbeitet, ist an einem allfälligen sechsten Arbeitstag keine Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit zulässig. Es gilt daher die Grenze von acht Stunden nach § 3 Abs 1 AZG. Nicht übertragbare Gleitstunden werden am Ende der Gleitzeitperiode wie bisher mit Zuschlag (Zeit oder Geld je nach Vereinbarung) vergütet.

Überstunden, Sonderüberstunden

Im Zusammenhang mit Überstunden sind folgende Änderungen geplant:

-Vereinbarte Überstunden (11. und 12. Stunde) sind zumindest mit den gesetzlichen Überstundenzuschlägen zu vergüten, sofern die jeweiligen Kollektivverträge oder Betriebsvereinbarungen keine günstigere Regelung vorsehen (gilt nicht bei Gleitzeitregelung). Ein Ausgleich in Zeit kann, aufgrund von kollektivvertraglichen Regelung oder Betriebsvereinbarungen, ebenfalls zulässig sein.
-Die derzeitige Regelung des zulässigen Überstundenkontingents (fünf Stunden pro Woche und darüber hinaus 60 Stunden pro Kalenderjahr) soll durch eine Beschränkung der wöchentlichen Überstundenanzahl auf 20 Stunden in § 7 Abs 1 AZG ersetzt werden. Der bisherige § 7 Abs 2 AZG kann entfallen. Weiters darf die durchschnittliche Wochenarbeitszeit innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 17 Wochen 48 Stunden nicht überschreiten, wobei die in § 9 Abs 4 AZG vorgesehenen kollektivvertraglichen Verlängerungsmöglichkeiten unberührt bleiben sollen.
-Durch die nunmehr allgemein zulässigen Höchstarbeitszeitgrenzen von zwölf Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche sind die Bestimmungen über die Sonderüberstunden nicht mehr notwendig, was zum Entfall des § 7 Abs 4 und Abs 4a AZG führt.
-Aufgrund der vorgesehenen Ausdehnung der Höchstgrenze der täglichen Arbeitszeit von derzeit zehn auf zwölf Stunden kann auch die bisherige Überstundenregelung für die 4-Tage-Woche in § 7 Abs 6 AZG entfallen.
-Arbeitnehmer können künftig Überstunden nach den § 7 und § 8 Abs 2 AZG aus überwiegenden persönlichen Interessen ablehnen, wenn durch diese Überstunden die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden übersteigt. Sie dürfen deswegen nicht benachteiligt werden, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und der Versetzung. In Betrieben mit Betriebsrat kann mittels fakultativer Betriebsvereinbarung eine nähere Konkretisierung der überwiegenden persönlichen Interessen erfolgen (neuer § 7 Abs 6 AZG).

Verkürzung der täglichen Ruhezeit im Tourismus

Derzeit kann der Kollektivvertrag im Bereich des Gastgewerbes nur für Vollzeitkräfte in Küche und Service von Saisonbetrieben verkürzte Ruhezeiten vorsehen. Diese Verkürzungen (von elf auf mindestens acht Stunden) sind nach Möglichkeit während der Saison, spätestens jedoch im Anschluss an die Saison, durch Verlängerung einer anderen täglichen Ruhezeit auszugleichen.

Nunmehr soll diese Möglichkeit gemäß § 12 Abs 2a AZG für alle Arbeitnehmer in Küche und Service (also auch von Teilzeitkräften und in Nichtsaisonbetrieben) zugelassen werden, wenn sie „geteilte Dienste“ leisten. Ein geteilter Dienst liegt vor, wenn die Tagesarbeitszeit durch eine Ruhepause von mindestens drei Stunden unterbrochen wird. Damit sollen die in der Branche üblichen Arbeitsspitzen in der Früh und am Abend besser abgedeckt werden können. Der Ausgleich für die Verkürzung der täglichen Ruhezeit soll schon innerhalb von vier Wochen durch Verlängerung einer anderen täglichen Ruhezeit erfolgen. Die bisherige Regelung für Saisonbetriebe bleibt aber unverändert.

Weiters soll das bisherige Ruhezeitkonto entfallen, was auch bei den Aufzeichnungspflichten zu berücksichtigen ist (§ 26 Abs 2a AZG).

Ausnahme von der Wochenend- und Feiertagsruhe

Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe sind derzeit, neben einzelnen gesetzlichen Regelungen, nur aufgrund von Verordnungen, Kollektivverträgen oder Bescheiden möglich und haben daher eine relativ lange Vorlaufzeit. Um es Betrieben zu ermöglichen, sehr kurzfristig auf einen vorübergehend auftretenden besonderen Arbeitsbedarf reagieren zu können, sollen durch einen neuen § 12b ARG künftig auch Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe durch Betriebsvereinbarung zugelassen werden, und zwar unabhängig davon, ob für den Betrieb Ausnahmen durch Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gelten.

Eine solche Ausnahme soll allerdings auf vier Wochenenden oder Feiertage pro Arbeitnehmer und Jahr beschränkt werden.

Um es aber auch Betrieben ohne Betriebsrat zu ermöglichen, solche Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe in Anspruch zu nehmen, soll Wochenend- und Feiertagsarbeit in diesen Fällen schriftlich mit den einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vereinbart werden können. Um den betroffenen Beschäftigten einen gewissen Schutz zu ermöglichen, soll ihnen sowohl ein Ablehnungsrecht als auch ein Benachteiligungsverbot eingeräumt werden, sofern diese Tätigkeiten in Form von Überstunden geleistet werden.

Änderung im ASVG

Im Regierungsprogramm ist unter dem Titel „Treffsicherheit und Transparenz im Sozialsystem“ vorgesehen, das im § 42b ASVG geregelte Risiko- und Auffalligkeitsanalyse-Tool der Krankenversicherungsträger auf den Dienstnehmerbereich zu erweitern. Dadurch sollen Missbrauchspotentiale in der Krankenversicherung erkannt und vermindert werden. Die Verarbeitung derartiger Daten gründet sich auf Art 9 Abs 2 lit g DSGVO (erhebliches öffentliches Interesse).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25568 vom 18.06.2018