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Mehrfacher Versicherungsbetrug – Gewerbsmäßigkeit?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

StGB: § 70, § 71, § 146

Nach § 70 Abs 1 Z 1 StGB begeht eine Tat gewerbsmäßig, „wer sie in der Absicht ausführt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, und unter Einsatz besonderer Fähigkeiten oder Mittel handelt, die eine wiederkehrende Begehung nahelegen“.

Fähigkeiten oder Mittel legen eine wiederkehrende Begehung nahe, wenn sie von der Professionalität des Täters zeugen. Sie sind „besonders“, wenn ihr Beherrschen oder ihr Mitführen situationsbezogen ungewöhnlich und durch die geübte oder wohlüberlegte Herangehensweise des Täters zu erklären ist. In diesem Sinn kann auch ein leicht erhältliches oder allgemein gebräuchliches Werkzeug darunter fallen, wenn es in der konkreten Situation normalerweise nicht mitgeführt wird.

Als „Mittel“ kommen nicht nur körperliche Gegenstände in Betracht, sondern etwa auch – bei der organisierten Schwarzarbeit nach § 153e StGB häufig eingesetzte – Scheinfirmen oder Strohmänner, die regelmäßig überwiegend zum Zweck der Begehung solcher Straftaten eingerichtet oder bestellt werden.

Im vorliegenden Fall eines (Versicherungs-)Betrugs wurde der Handels- und Servicebetrieb keineswegs primär zur fortgesetzten Delinquenz gegründet. Dass bei der wahrheitswidrigen Versicherungsmeldung eines hohen Schadens infolge Diebstahls der dort gelagerten oder feilgebotenen Waren („HIFI-Artikel“) die Bezugsnahme auf den Betrieb den Eintritt des behaupteten hohen Schadens (erst) plausibel erscheinen lässt, zeugt aber weder von einer besonderen Professionalität der Täter, noch ist eine solche Vorgangsweise situationsbezogen ungewöhnlich und (nur) durch eine wohlüberlegte Herangehensweise zu erklären. Einem Handeln unter Einsatz „besonderen Mitteln“ iSd § 70 Abs 1 Z 1 StGB ist sie daher nicht gleichzusetzen.

OGH 10. 4. 2018, 14 Os 3/18z

Entscheidung

Vorliegend wird dem Bf vorgeworfen, er habe in mehreren Fällen Versicherungsunternehmen – teils unter Benützung von Scheinrechnungen – jeweils darüber getäuscht, dass bei einem Einbruch hochpreisige HIFI Geräte gestohlen wurden, die der L***** GmbH gehörten, von dieser bezogen oder geliefert worden waren. Dieses Unternehmen, ein Handels- und Servicebetrieb, wurde 2010 keineswegs primär zur fortgesetzten Delinquenz gegründet und ist tatsächlich im Geschäftszweig Unterhaltungselektronik operativ tätig.

Die bloße Bezugnahme auf einen solchen Handels- und Servicebetrieb oder dessen Waren („HIFI-Artikel“), die im Rahmen des üblichen Geschäftsbetriebs in Verwendung stehen, gelagert oder feilgeboten werden, bei der Meldung des Eintritts eines versicherten Risikos an die Versicherung, lässt die wahrheitswidrigen Behauptungen, insb den Eintritt eines hohen Schadens, zwar (erst) plausibel erscheinen, zeugt aber – bei insoweit gebotener isolierter Betrachtung der einzelnen Taten (vgl dazu gleich unten) – weder von einer besonderen Professionalität der Täter, noch ist eine solche Vorgangsweise situationsbezogen ungewöhnlich und (nur) durch eine wohlüberlegte Herangehensweise zu erklären, womit sie einem Handeln unter Einsatz von „besonderen Mitteln“ iSd § 70 Abs 1 Z 1 StGB nicht gleichzusetzen ist.

Daran ändert auch die zweimalige Verwendung von Scheinrechnungen der L***** GmbH nichts, weil deren Benützung – mag ihre Beschaffung im vorliegenden Fall auch durch den Geschäftsführer des Unternehmens erleichtert worden sein – bei der Begehung eines Betrugs zur Steigerung dessen Erfolgsaussichten gleichfalls nicht als untypisch anzusehen ist und daher eine wiederkehrende Begehung gleichartiger strafbarer Handlungen nicht nahelegt.

Dass die Angeklagten derartige Betrugshandlungen wiederholt setzten und dabei verschiedene Versicherungsunternehmen täuschten, ist zwar für die Prüfung des Vorliegens der subjektiven Tatseite relevant (§ 70 Abs 1 erster Absatz, Abs 2 StGB), hat aber – anders als beim hier nicht in Rede stehenden Fall des § 70 Abs 1 Z 3 StGB – bei der Beurteilung der Voraussetzungen des § 70 Abs 1 Z 1 StGB außer Betracht zu bleiben, weil diese bezogen auf einen konkreten Einzelfall vorliegen müssen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25617 vom 29.06.2018