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Montrealer Übereinkommen – Unfallsbegriff

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

MÜ: Art 17

Voraussetzung für die Haftung des Luftfrachtführers für einen Personenschaden ist nach Art 17 Abs 1 MÜ, dass sich der „Unfall, durch den der Tod oder die Körperverletzung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen ereignet hat“. Entscheidend ist daher nach dem Wortlaut des Übereinkommens das Vorliegen eines „Unfalls“, wobei weder das MÜ noch das ältere Warschauer Abkommen (WA) eine Definition dieses Begriffs enthalten. Im vorliegenden Fall (Verbrühung durch heißen Kaffee, weil während des Fluges der Kaffeebecher auf dem Ablagebrett des Vordersitzes aus ungeklärter Ursache ins Rutschen geraten und umgefallen war), erscheint es dem OGH fraglich, ob der Begriff des Unfalls und damit die Haftung auf Fälle einzuschränken ist, in denen sich ein für die Luftfahrt typisches Risiko verwirklicht hat. Er hat daher ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet.

OGH 26. 6. 2018, 2 Ob 79/18h

Entscheidung

Im vorliegenden Fall wurde die Kl am Körper verletzt, weil ein vor ihr abgestellter Becher mit heißem Kaffee während des Fluges aus nicht feststellbarer Ursache ins Rutschen kam. Darin liegt nach Ansicht des vorlegenden Gerichts jedenfalls ein auf äußerer Einwirkung beruhendes plötzliches Ereignis, durch das die Kl einen für sie unerwarteten Schaden erlitt. Das spricht für die Anwendbarkeit von Art 17 Abs 1 MÜ.

Strittig ist allerdings, ob der Begriff des Unfalls und damit die Haftung auf Fälle einzuschränken ist, in denen sich ein für die Luftfahrt typisches Risiko verwirklichte.

Nach Ansicht des OGH spricht Vieles dafür – ausgehend vom Wortlaut des Art 17 MÜnur das Vorliegen eines Unfalls zu verlangen und auf das (weitere) Erfordernis der Verwirklichung eines luftfahrttypischen Risikos zu verzichten. Als vermittelnde Lösung könnte allerdings auch erwogen werden, dass zwar an sich ein Unfall an Bord oder bei Benutzung der Ein- und Aussteigevorrichtungen die Haftung begründet, sich der Beförderer aber von dieser Haftung befreien kann, wenn er nachweist, dass im konkreten Fall kein Zusammenhang mit dem Betrieb oder der Beschaffenheit des Luftfahrzeugs besteht. Damit wären insb Fälle von der Haftung ausgenommen, in denen ein Unfall ausschließlich auf das Verhalten eines Dritten zurückzuführen ist, das nicht mit der Beschaffenheit und dem Betrieb des Luftfahrzeugs zusammenhängt. Im vorliegenden Fall führte diese Auffassung ebenfalls zur Haftung der Bekl, weil die Ursache des Unfalls nicht aufgeklärt werden konnte.

Jedenfalls liegt aber in Bezug auf die Auslegung von Art 17 MÜ kein acte clair vor.

Vorlagefrage

Handelt es sich um einen die Haftung des Luftfrachtführers begründenden „Unfall“ iSv Art 17 Abs 1 des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, das am 28. 5. 1999 in Montreal geschlossen, am 9. 12. 1999 von der Europäischen Gemeinschaft auf der Grundlage von Art 300 Abs 2 EG unterzeichnet und durch den Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. 4. 2001 in ihrem Namen genehmigt wurde (Montrealer Übereinkommen, MÜ), wenn ein Becher mit heißem Kaffee, der in einem in der Luft befindlichen Flugzeug auf dem Ablagebrett des Vordersitzes abgestellt ist, aus ungeklärter Ursache ins Rutschen gerät und umfällt, wodurch ein Fluggast Verbrühungen erleidet?

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25846 vom 14.08.2018