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Arbeitszeitpaket 2018 – BGBl

Bearbeiter: Bettina Sabara

Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden

BGBl I 2018/53, ausgegeben am 14. 8. 2018

Zum tlw abgeänderten Initiativantrag 303/A BlgNR 26. GP siehe ARD 6603/13/2018

Das Regierungsprogramm 2017-2022 enthält ua das Bekenntnis zu einer flexiblen Arbeitsgestaltung. Hinsichtlich der vorliegenden Änderungen betont der Gesetzgeber die Beibehaltung der gesetzlichen täglichen und wöchentlichen Normalarbeitszeit. Kollektivvertragliche Regelungen der Normalarbeitszeit sollen unberührt bleiben.

Gegenüber dem Initiativantrag 303/A BlgNR 26. GP, ARD 6476/18/2015, wurden im Plenum des Nationalrates noch Abänderungen und Druckfehlerberichtigungen beschlossen. Im Folgenden werden die nun beschlossenen wichtigsten Maßnahmen unter Berücksichtigung der Änderungen im Nationalrat noch einmal zusammengefasst. Die Änderungen treten bereits mit 1. 9. 2018 in Kraft und nicht erst – wie im Initiativantrag noch vorgesehen – am 1. 1. 2019.

Erweiterung der Ausnahmen vom AZG

Die Arbeitszeit-RL der EU (RL 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung) ermöglicht in Art 17 Abs 1 Ausnahmen für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern, die von Österreich bisher nicht ausgeschöpft wurden. Daher sind künftig neben den leitenden Angestellten vom Geltungsbereich des AZG und des ARG auch ausgenommen:

-sonstige Arbeitnehmer, denen maßgebliche selbstständige Entscheidungsbefugnis übertragen ist (§ 1 Abs 2 Z 8 AZG, § 1 Abs 2 Z 5 ARG) sowie
-Arbeitskräfte, die nahe Angehörige des Arbeitgebers sind (Eltern, volljährige Kinder, im gemeinsamen Haushalt lebende Ehepartner, eingetragene Partner sowie Lebensgefährten, wenn seit mindestens drei Jahren ein gemeinsamer Haushalt besteht; § 1 Abs 2 Z 7 AZG, § 1 Abs 2 Z 3 ARG).

Grundvoraussetzung für eine Ausnahme ist bei beiden neuen Ausnahmefällen, dass die Arbeitszeit aufgrund der besonderen Merkmale der Tätigkeit

-nicht gemessen oder im Voraus festgelegt wird, oder
-von den Arbeitnehmern hinsichtlich Lage und Dauer selbst festgelegt werden kann.

Dies muss sich aus den besonderen Merkmalen der Tätigkeit ergeben. Wird die Arbeitszeit freiwillig nicht gemessen (so genannte Vertrauensarbeitszeit), liegt diese Voraussetzung daher nicht vor.

In diesem Zusammenhang verweist der Gesetzgeber auf die EU-Kommission, die festhält, dass die Voraussetzung nur vorliegt, wenn die gesamte Arbeitszeit (und nicht nur ein Teil) nicht gemessen werden kann (oder selbst festgelegt wird). Nach Ansicht der EU-Kommission (ABl C 165 vom 24. 5. 2017, S 45) könnten unter die Ausnahmeregelung bestimmte hochrangige Führungskräfte fallen, deren gesamte Arbeitszeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird, da sie nicht verpflichtet sind, zu festgesetzten Zeiten am Arbeitsplatz anwesend zu sein, sondern über ihre Arbeitszeiteinteilung selbst entscheiden können.

Anhebung der Höchstgrenze der Arbeitszeit

Gemäß dem Regierungsprogramm wird

-die tägliche Höchstarbeitszeit von 10 auf 12 Stunden und
-die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 50 auf 60 Stunden erhöht (§ 9 Abs 1 AZG).

In der Aufzählung der Ausnahmen von diesen Grenzen werden in § 9 Abs 2 und Abs 3 AZG alle Bestimmungen gestrichen, die keine Arbeitszeit von mehr als 12 bzw 60 Stunden zulassen.

Durchrechnung: Übertragung von Zeitguthaben

Die derzeit bestehende Möglichkeit von Kollektivverträgen, eine Übertragung von Zeitguthaben nur in den nächsten Durchrechnungszeitraum zuzulassen, wird insofern flexibilisiert, als nunmehr die mehrmalige Übertragung von Zeitguthaben und Zeitschulden in die nächsten Durchrechnungszeiträume ermöglicht wird. (§ 4 Abs 7 AZG)

Gleitzeit

Bei Gleitzeit haben Arbeitnehmer die Möglichkeit, Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit selbst zu bestimmen. Aufgrund dieser höheren Zeitsouveränität werden die bestehenden Beschränkungen der täglichen Höchstarbeitszeit teilweise als unbefriedigend empfunden.

§ 4b Abs 4 AZG nF regelt im ersten Satz – so wie bisher – dass, die tägliche Normalarbeitszeit zehn Stunden nicht überschreiten darf. Im zweiten Satz des § 4b Abs 4 AZG nF heißt es nun aber, dass eine Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit auf bis zu 12 Stunden zulässig ist, wenn die Gleitzeitvereinbarung vorsieht, dass ein Zeitguthaben ganztägig verbraucht werden kann und ein Verbrauch in Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ruhezeit nicht ausgeschlossen ist. Gleitzeitvereinbarungen müssen also künftig vorsehen, dass Arbeitnehmer mit langen Tagesarbeitszeiten einen entsprechenden Ausgleich durch längere zusammenhängende Freizeit erhalten. Da dies auch in Zusammenhang mit der wöchentlichen Ruhezeit möglich sein muss, ist auch bei Gleitzeit in mehreren Wochen eine 4-Tage-Woche möglich.

Eine Verlängerung der Normalarbeitszeit kann bei Gleitzeit nur vorliegen, wenn die Arbeitszeitausdehnung auf Initiative bzw im Interesse des Arbeitnehmers erfolgt. Liegt jedoch eine Arbeitgeberanordnung vor, ordnet also der Arbeitgeber Arbeitsstunden an, die über die tägliche Normalarbeitszeit von acht Stunden oder die wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden hinausgehen, handelt es sich um Überstunden wegen erhöhten Arbeitsbedarfs nach § 7 AZG, für die ein entsprechender Zuschlag gebührt.

In den Übergangsbestimmungen in § 32c Abs 10 AZG heißt es, dass bestehende Gleitzeitvereinbarungen aufrecht bleiben. Eine Begrenzung der täglichen Normalarbeitszeit mit 10 Stunden in einer Gleitzeitvereinbarung wird daher nicht automatisch auf 12 Stunden erhöht, dafür ist eine Änderung der Betriebsvereinbarung notwendig. Regelungen in Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen, die für die Arbeitnehmer günstigere Bestimmungen vorsehen, werden durch die gesetzlichen Änderungen nicht berührt.

Überstunden, Sonderüberstunden

Im Zusammenhang mit Überstunden kommt es zu folgenden Änderungen:

-Vereinbarte Überstunden (11. und 12. Stunde) sind zumindest mit den gesetzlichen Überstundenzuschlägen zu vergüten, sofern die jeweiligen Kollektivverträge oder Betriebsvereinbarungen keine günstigere Regelung vorsehen (gilt nicht bei Gleitzeitregelung). Ein Ausgleich in Zeit kann, aufgrund von kollektivvertraglichen Regelung oder Betriebsvereinbarungen, ebenfalls zulässig sein.
-Die bisherige Regelung des zulässigen Überstundenkontingents (fünf Stunden pro Woche und darüber hinaus 60 Stunden pro Kalenderjahr) wird durch eine Beschränkung der wöchentlichen Überstundenanzahl auf 20 Stunden in § 7 Abs 1 AZG ersetzt. Der bisherige § 7 Abs 2 AZG entfällt. Weiters darf die durchschnittliche Wochenarbeitszeit innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 17 Wochen 48 Stunden nicht überschreiten, wobei die in § 9 Abs 4 AZG vorgesehenen kollektivvertraglichen Verlängerungsmöglichkeiten unberührt bleiben.
-Durch die nunmehr allgemein zulässigen Höchstarbeitszeitgrenzen von 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche sind die Bestimmungen über die Sonderüberstunden nicht mehr notwendig, was zum Entfall des § 7 Abs 4 und Abs 4a AZG führt.
-Aufgrund der vorgesehenen Ausdehnung der Höchstgrenze der täglichen Arbeitszeit von derzeit 10 auf 12 Stunden entfällt auch die bislang in § 7 Abs 6 AZG vorgesehene Überstundenregelung für die 4-Tage-Woche.
-Arbeitnehmern steht es künftig frei, Überstunden nach § 7 und § 8 Abs 1 und Abs 2 AZG ohne Angabe von Gründen abzulehnen, wenn durch diese Überstunden die Tagesarbeitszeit von 10 Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird. Arbeitnehmer können also Überstunden im Einzelfall verweigern. Sie dürfen deswegen nicht benachteiligt werden, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und der Versetzung. Kündigungen aufgrund der Ablehnung im Einzelfall können beim ASG innerhalb einer Frist von zwei Wochen angefochten werden (neuer § 7 Abs 6 AZG). Eine Entlassung wegen Inanspruchnahme dieser Rechte wäre jedenfalls ungerechtfertigt und kann auch ohne gesetzliche Anordnung angefochten werden.
-Den Arbeitnehmern wird in einem neuen § 10 Abs 4 AZG ein Wahlrecht eingeräumt, ob Überstunden über einer Tagesarbeitszeit von 10 Stunden und einer Wochenarbeitszeit von 50 Stunden durch Überstundenzuschlag oder Zeitausgleich abgegolten werden. Dieses Wahlrecht ist möglichst frühzeitig, spätestens jedoch am Ende des jeweiligen Abrechnungszeitraums auszuüben, um die Lohnabrechnung nicht unnötig zu erschweren. Entscheiden sich Arbeitnehmer für Zeitausgleich und wird der Zeitpunkt des Ausgleichs nicht vereinbart, hat der Zeitausgleich nach § 19f Abs 2 Z 2 AZG binnen 6 Monaten zu erfolgen. Geschieht dies nicht, können die Arbeitnehmer nach § 19f Abs 3 AZG entweder den Ausgleichszeitpunkt mit einer Vorankündigungsfrist selbst bestimmen oder die Abgeltung in Geld verlangen.
Hinweis: Für Überstunden bis zu einer Tagesarbeitszeit von 10 Stunden und einer Wochenarbeitszeit von 50  Stunden gilt weiterhin die Regelung des § 6 Abs 2 AZG, wonach Überstunden nur zulässig sind, wenn berücksichtigungswürdige Interessen der Arbeitnehmer nicht entgegenstehen.

Verkürzung der täglichen Ruhezeit im Tourismus

Derzeit kann der Kollektivvertrag im Bereich des Gastgewerbes nur für Vollzeitkräfte in Küche und Service von Saisonbetrieben verkürzte Ruhezeiten vorsehen. Diese Verkürzungen (von elf auf mindestens acht Stunden) sind nach Möglichkeit während der Saison, spätestens jedoch im Anschluss an die Saison, durch Verlängerung einer anderen täglichen Ruhezeit auszugleichen.

Nunmehr wird diese Möglichkeit gemäß § 12 Abs 2a AZG für alle Arbeitnehmer in Küche und Service (also auch von Teilzeitkräften und in Nichtsaisonbetrieben) zugelassen, wenn sie „geteilte Dienste“ leisten. Ein geteilter Dienst liegt vor, wenn die Tagesarbeitszeit durch eine Ruhepause von mindestens drei Stunden unterbrochen wird. Damit sollen die in der Branche üblichen Arbeitsspitzen in der Früh und am Abend besser abgedeckt werden können. Der Ausgleich für die Verkürzung der täglichen Ruhezeit soll schon innerhalb von vier Wochen durch Verlängerung einer anderen täglichen Ruhezeit erfolgen. Die bisherige Regelung für Saisonbetriebe bleibt aber unverändert.

Weiters entfällt das bisherige Ruhezeitkonto, was auch bei den Aufzeichnungspflichten zu berücksichtigen ist (§ 26 Abs 2a AZG).

Ausnahme von der Wochenend- und Feiertagsruhe

Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe waren bislang, neben einzelnen gesetzlichen Regelungen, nur aufgrund von Verordnungen, Kollektivverträgen oder Bescheiden möglich und haben daher eine relativ lange Vorlaufzeit. Um es Betrieben zu ermöglichen, sehr kurzfristig auf einen vorübergehend auftretenden besonderen Arbeitsbedarf reagieren zu können, sind nun durch einen neuen § 12b ARG auch Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe durch Betriebsvereinbarung zugelassen und zwar unabhängig davon, ob für den Betrieb Ausnahmen durch Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gelten.

Eine solche Ausnahme ist allerdings auf vier Wochenenden oder Feiertage pro Arbeitnehmer und Jahr beschränkt.

Um es aber auch Betrieben ohne Betriebsrat zu ermöglichen, solche Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe in Anspruch zu nehmen, kann Wochenend- und Feiertagsarbeit in diesen Fällen schriftlich mit den einzelnen Arbeitnehmern vereinbart werden. Um den betroffenen Beschäftigten einen gewissen Schutz zu ermöglichen, wird ihnen ein Ablehnungsrecht ohne Angabe von Gründen eingeräumt, sofern diese Tätigkeiten am Wochenende und an Feiertagen in Form von Überstunden geleistet werden. Sie dürfen deswegen auch nicht benachteiligt werden, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und der Versetzung. Werden Arbeitnehmer deswegen gekündigt, können sie die Kündigung innerhalb einer Frist von zwei Wochen bei Gericht anfechten.

Änderung im ASVG

Im Regierungsprogramm ist unter dem Titel „Treffsicherheit und Transparenz im Sozialsystem“ vorgesehen, die Risiko- und Auffälligkeitsanalysen der Krankenversicherungsträger (§ 42b ASVG) auf den Dienstnehmerbereich zu erweitern. Dadurch sollen Missbrauchspotentiale in der Krankenversicherung erkannt und vermindert werden. Die Verarbeitung derartiger Daten gründet sich auf Art 9 Abs 2 lit g DSGVO (erhebliches öffentliches Interesse).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25863 vom 16.08.2018