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E–Mail an Ärztekammer betr privates Fehlverhalten eines Arztes

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1330

Nach § 1330 Abs 2 Satz 3 ABGB besteht keine Haftung für eine nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilung, deren Unwahrheit der Mitteilende nicht kennt, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte.

Vor diesem Hintergrund sind Straf- und Disziplinaranzeigen an die zuständigen Stellen (hier: Ärztekammer) grundsätzlich gerechtfertigt. Auch privates Fehlverhalten eines Arztes kann für dessen Disziplinarbehörde relevant sein: Dabei ist für die Wahrung des Standesansehens von Bedeutung, dass aus dem Verhalten des Arztes Rückschlüsse auf seine berufliche Tätigkeit oder die berufliche Tätigkeit der in Österreich tätigen Ärzte gezogen werden könnten. Damit kann aber ein berechtigtes Interesse der Ärztekammer auch betr behauptete Verfehlungen eines Arztes außerhalb der Ausübung seines Berufs nicht zweifelhaft sein.

Bei der Beurteilung des vertraulichen Charakters einer Mitteilung kommt es auch auf die erkennbare Absicht des Mitteilenden an. Die Weiterleitung des Schreibens der Bekl (E-Mail) durch die Ärztekammer an den Kl, damit dieser sich dazu äußern kann, und die Kenntnisnahme des Schreibens durch dessen Mitarbeiterin (Sprechstundenhilfe) begründet noch keine Verantwortung der Bekl, zumal sonst derartige Eingaben kaum jemals privilegiert wären: Es ist naheliegend, dass eine Behörde, bei der ein Sachverhalt angezeigt wird, den Angezeigten zu einer Stellungnahme auffordert, und die Zugänglichkeit der weitergeleiteten E-Mail für die Sprechstundenhilfe des Kl steht der Nichtöffentlichkeit nicht entgegen, weil aufgrund ihrer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht mit einer Weitergabe an außenstehende Personen nicht zu rechnen ist. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass nach der Rsp die Gefahr eines Eintritts von Schäden iSd § 1330 Abs 2 ABGB nicht gegeben ist, wenn eine Mitteilung an eine Vertrauensperson des Beleidigten gelangte (etwa seine Chefsekretärin, welche die Erlaubnis hatte, Privatschreiben zu öffnen).

Ein privilegiertes Prozessvorbringen liegt auch dann vor, wenn eine Prozesspartei einen Freund bittet, einen Schriftsatz Korrektur zu lesen, den sie bei Gericht als Vorbringen erstatten will. Nichts anderes kann aber gelten, wenn die Bekl die Nebenintervenientin (ihre Nichte) bat, das E-Mail an die Ärztekammer zu formulieren.

OGH 28. 6. 2018, 6 Ob 88/18m

Entscheidung

Die Mitteilung der Bekl an die Ärztekammer betreffend den Kl enthielt konkrete Vorwürfe etwa dahin, dieser mische sich in die Familie der Bekl ein, er übe Druck aus und dergleichen. Ein solches Vorbringen enthält ausreichend Substrat, um ein Tätigwerden der Ärztekammer als Standesbehörde/Disziplinarbehörde auszulösen. Eine besondere Sorgfaltspflicht des Anzeigers dahin, die Verdachtsgründe auf ihre Stichhältigkeit zu prüfen und das Für und Wider selbst abzuwägen, besteht nicht. Dies würde dem öffentlichen Interesse widersprechen, den Behörden Kenntnis von Handlungen zu verschaffen. Es genügt daher grundsätzlich das Vorliegen nicht offenkundig bereits widerlegter Verdachtsgründe für die Annahme, dass eine Strafanzeige nicht wider besseres Wissen und somit rechtmäßig erstattet wurde (RIS-Justiz RS0031957); dies gilt auch für Disziplinaranzeigen (vgl RIS-Justiz RS0031957 [T1]).

Im vorliegenden Fall hat das BerufungsG das Schreiben der Bekl an die Ärztekammer in durchaus vertretbarer Weise als iSd § 1330 Abs 2 Satz 3 ABGB gerechtfertigt angesehen.

Als gerechtfertigt angesehen werden nach der Rsp auch Äußerungen im Rahmen eines Prozesses (vgl RIS-Justiz RS0031998), und zwar auch Aussagen eines Zeugen (6 Ob 146/01s). Damit hält es der OGH auch für nicht zu beanstanden, wenn das BerufungsG die Äußerungen der Bekl (über den Kl) als Zeugin in einem Parallelverfahren als gerechtfertigt angesehen hat. Dass es sich bei ihrer Äußerung, der Kl sei „bösartig“, um eine bloße Beschimpfung zur Herabsetzung des Kl gehandelt habe, ist nicht zu teilen. Tatsächlich ging es im Parallelprozess um die Herausgabe eines Schlüssels, wobei sich der Kl bereits zuvor in diese Auseinandersetzung eingemischt und einen der Bekl gegenteiligen Standpunkt eingenommen hatte.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25997 vom 10.09.2018